Die Kurse von Kryptowährungen brachen im Jahr 2022 ein. Auslöser war ein erschwertes Finanzierungsumfeld, das sich auf das Segment hochriskanter Kapitalmarktanlagen auswirkte. Dies sorgte für erhebliche Schlagzeilen in den Medien und veranlasste einige Investoren dazu das Thema Digital Assets insgesamt als rein spekulatives Phänomen abzutun.
Im Bereich Digital Assets sind erhebliche Kursschwankungen zweifellos an der Tagesordnung. Der Crash der drittgrößten Stablecoin Terra USD (LUNA), der Krypto-Kreditplattformen Celsius und BlockFi, des Krypto-Hedgefonds Three Arrows Capital sowie der Kryptowährungsbörse FTX haben zu einer ausgeprägten Krypto-Baisse geführt. Der Zeitraum von 2017-2022 erinnert an die Dotcom-Blase, in der die Anleger angesichts rapiden Anstiegs der Nutzerzahlen (Abbildung 1) spekulative und mitunter betrügerische Geschäftsmodelle extrem hoch bewerteten.
Abbildung 1: Szenarien zur Nutzerentwicklung bei Kryptowährungen
Quellen: World Bank, Crypto.com, Schätzungen von Robeco; Stand: 2021
Unter der Oberfläche vollziehen sich jedoch nach wie vor ausgeprägte Trends auf Basis der Blockchain-Technologie – einem Verzeichnis von Transaktionen, das ohne externe Autorität zur Validierung der Authentizität und Integrität von Daten auskommt. Bekannt geworden ist dies als Web3 – ein Sammelbegriff für die Idee eines neuen und leistungsfähigeren Internets oder der Internetdienste der dritten Generation. Ihnen liegen Dezentralisierung, Offenheit und größerer Anwendernutzen als zentrale Konzepte zugrunde. Dabei kommen Blockchains, Smart Contracts und Tokens zum Einsatz, um den Nutzern in Form von Eigentum die Macht zurückzugeben. Zusammenfassen lässt sich dies wie folgt: Im Web1 konnte man nur Inhalte lesen, im Web2 kann man Inhalte lesen und selbst schreiben, und im Web3 wird man Inhalte lesen und schreiben sowie besitzen können.
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Regulierung dürfte 2023 Vertrauen wiederherstellen
Beim Schließen der regulatorischen Lücken im Krypto-Segment hat es nur geringe Fortschritte gegeben. Das liegt zum Großteil daran, dass die Regulierung immer der Innovation hinterherhinkt und die Blockchain-Technologie relativ neu ist. Im Jahr 2022 kam es jedoch zum Zusammenbruch undurchsichtiger und unnötig komplexer Geschäftsmodelle. Verschärft wurde dies durch hohe Verschuldung, mangelnde Kontrolle, unzureichende Aufgabentrennung und schlechtes Risikomanagement. Dies hat für entsprechenden Handlungsdruck bei den globalen Aufsichtsbehörden gesorgt.
Wir glauben, dass es 2023 endlich zu konkreten regulatorischen Schritten kommt, um das Vertrauen in Digital Assets wieder herzustellen und deren Nutzung sowie der zugrundeliegenden Technologie in der Wirtschaft insgesamt zu legitimieren. Infolge der regulatorischen Standards sollten die Abwärtsrisiken verringert und gleichzeitig die Innovation gefördert werden. Dieses Ziel liegt den meisten Gesetzgebungsvorschlägen in jüngerer Zeit zugrunde. Im Jahr 2022 gab die EU ihren Plan bekannt, die Krypto-Branche stärker zu beaufsichtigen („Markets in Crypto-Assets Agreement“ oder MiCA). In den USA stellte die Regierung Empfehlungen auf Grundlage ihrer Analysen des Bereichs vor („First-Ever Comprehensive Framework for Responsible Development of Digital Assets“).
Wahrscheinlich werden Anbieter im Bereich Decentralized Finance (DeFi) bald verpflichtet sein, neu ausgegebene Stablecoins zu 100 % mit Reserven zu hinterlegen, mehr Angaben über ihre Bilanzen im Rahmen von Kreditgeschäften zu machen, die Asset-Konzentration zu begrenzen und für ein sorgfältigeres Risikomanagement zu sorgen. Eine eindeutige Regulierung würde dem Vertrauen und Engagement der Nutzer einen Schub verleihen. Verstärkt würde dies dadurch, dass die Anbieter Lösungen für Probleme der Praxis entwickeln.
Boomendes Interesse der Entwickler trotz Zusammenbruchs der spekulativen Nachfrage
Ungeachtet der Turbulenzen im Jahr 2022 nimmt das Interesse am Krypto-Thema und am Web3 weiter zu. Auch wenn die Nutzer weniger aktiv sind, gab Coinbase per Ende September eine Zahl von 108 Millionen verifizierten Nutzern bekannt. Das ist ein Anstieg von 48 % gegenüber September 2021. Noch bedeutender ist, dass Alchemy (eine Blockchain-Entwicklungsplattform, die Web3-Nutzern zugänglich ist) in seinem Web3-Entwicklungsbericht hervorhob, dass sich die Zahl der wöchentlichen Downloads von zwei wichtigen Web3-Verzeichnissen (Ethers.js und Web3.js) im letzten Jahr auf mehr als 1,5 Millionen fast verdreifacht haben (Abbildung 2).
Abbildung 2: Downloads von Ethers.js und Web3.js
Quellen: Web3 Developer Report, 3. Quartal 2022.
Die Tatsache, dass die spekulative Nachfrage bei Kryptowährungen nachgelassen hat und gleichzeitig das Interesse von Entwicklern an der zugrunde liegenden Technologie weiterhin rasch zunimmt, ist ausgesprochen positiv. Dies deutet darauf hin, dass sich der Fokus von den Token-Preisen hin zum disruptiven Potential der Blockchain verlagert.
Lösung realer Probleme
Jenseits der Schlagzeilen vollzieht sich eine stille Revolution, während neue und bestehende Unternehmen Blockchain-Technologie dazu einsetzen, ihre Geschäftsprozesse zu verändern und zu optimieren. Zu den Beispielen gehören MGM, das Smart Contracts auf Konzerttickets mit zusätzlichen Vergünstigungen anwendet, JP Morgan, das Token-gestützte Intraday-Repotransaktionen im Wert von mehr als 430 Mrd. USD abwickelt, und Walmart, das seine Lieferkette tokenisiert hat, um die Prüfung der Herkunft eines bestimmten Lebensmittels von sieben Tagen auf 2,2 Sekunden zu reduzieren. In der untenstehenden Abbildung 3 zeigen wir einige Beispiele aktueller Anwendungsfälle.
Abbildung 3: Reale Anwendungsfälle – vielfältig und zahlreicher werdend
Quellen: Analyse von Robeco
Eine aus Anlegersicht interessante Entwicklung besteht darin, dass das Web3 etablierte Anbieter im Bereich Cloud Computing und Cloud Storage herausfordern könnte. Bisher waren Unternehmen wie Google, Amazon und Dropbox führend im Angebot bestmöglicher Cloud-Lösungen. In der Web3-Ära können solche Dienste jedoch für einen Bruchteil des Preises und bei weitaus höherer Effizienz und Flexibilität verfügbar werden. Möglich wird dies durch einen dezentralisierten „Open Source“-Markt für Cloud-Computing, der Inhaber ungenutzter Rechenkapazitäten mit denjenigen verbindet, die sie benötigen – und zwar auf Basis transparenter, geprüfter und überprüfter Vereinbarungen zwischen den Parteien.
Nur die Kreativität setzt Grenzen
Wenn ein angemessener rechtlicher Rahmen geschaffen wird und die Dynamik in diesem Bereich weiter anhält, dann ist die Kreativität die einzige Grenze für das Potential der Blockchain. Zwar gibt es in der Praxis unzählige Probleme, die gelöst werden könnten, doch befindet sich die Entfaltung dieses Potentials noch in einem sehr frühen Stadium, und es ist von entscheidender Bedeutung, die Entwicklungen weiter zu verfolgen. Im Rahmen unserer FinTech-Aktienstrategie investieren wir in mehrere Unternehmen, welche Blockchain-Technologie nach dem „Pick-and-Shovel“-Ansatz nutzen. Es gibt derzeit nur wenige börsennotierte Aktien, die ein Exposure gegenüber dem Wachstumspotential des Bereichs Digital Assets ermöglichen. Wir verfolgen die Entwicklungen aber mit Spannung und sind offen für neue Chancen.
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