21-03-2023 · Einblick

Widersprüchliche Signale erfordern konstruktiven Dialog in der Hauptversammlungssaison

Gegensätzliche Aktionärsanträge und Anti-ESG-Initiativen werden für eine turbulente Hauptversammlungssaison sorgen, glaubt das Active Ownership-Team von Robeco. Während die öffentliche Debatte zunehmend von Polarisierung geprägt ist, wird ein konstruktiver Dialog zwischen dem Management und den Aktienhabenden der Unternehmen notwendiger.

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  • Michiel van Esch - Head of Voting

    Michiel van Esch

    Head of Voting

In den letzten Jahren haben institutionelle Anleger ihren Einfluss genutzt, um bessere ESG-Praktiken zu fördern mit dem Ziel, die Leistung von Unternehmen zu verbessern. Gleichzeitig haben sie sich auf die in Bezug auf Nachhaltigkeit bestehenden Herausforderungen der Zukunft vorbereitet. In letzter Zeit hat sich die Stimmung allerdings etwas gegen Bemühungen gedreht, die Profile von Unternehmen in Bezug auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung zu verbessern. Das gilt insbesondere für ihre Vorbereitung auf den Klimawandel und für soziale Themen wie Diversität und Inklusion.

In den USA haben sich beispielsweise zwei gegensätzliche Trends herausgebildet. Auf der einen Seite wollen manche die Erwartungen in Bezug auf Nachhaltigkeit hochschrauben. Auf der anderen Seite behaupten ESG-Gegner, dass die Integration von Nachhaltigkeit ein Luxus sei, den sich Unternehmen in einer für die Gesamtwirtschaft schwierigen Zeit nicht leisten können, und dass ESG schwer mit der Pflicht von Investoren zu vereinbaren sei, sich voll und ganz auf die Rendite zu konzentrieren.

„Bereits in der Hauptversammlungssaison 2022 setzte ein Stimmungsumschwung ein, der unseres Erachtens in der diesjährigen Saison noch deutlicher zutage treten wird“, sagt Michiel van Esch, Spezialist für Fragen der Unternehmensführung. „Ein zunehmender Anteil der Aktionärsanträge zielt darauf ab, ESG-Maßnahmen zu konterkarieren. Diese Anträge verlangen von Unternehmen niemals direkt, beim Abschneiden in Bezug auf ESG Abstriche zu machen. Vielmehr wollen sie dessen finanzielle Relevanz verwerfen.

Langfristige Perspektive

Für Robeco geht es bei ESG letztlich darum, eine langfristige Perspektive einzunehmen, die den Unternehmen im Portfolio hilft, sich auf die Zukunft vorzubereiten. Denn wenn dies gut gelingt, ist es im besten Interesse der Kunden und anderer Interessengruppen.

„Häufig suggeriert der Wortlaut dieser Anträge, dass damit standardmäßige Verbesserungen der Unternehmensführung erreicht werden sollen. Doch begleitende öffentliche Erklärungen der Antragsteller zeigen, dass sie in Wahrheit die ESG-Bemühungen der Unternehmen unterlaufen wollen“, sagt Van Esch. „Das tatsächliche Ziel dieser Anträge zu erkennen, ist daher eine besondere Herausforderung und verlangt eine eingehende Analyse, die weit über die Proxystatements und Geschäftsberichte der Unternehmen hinausgeht.“

„Unsere Kunden erwarten von uns, dass wir ESG-Aspekte berücksichtigen, um ihre Anlageziele zu fördern, die finanzielle wie auch die Nachhaltigkeit betreffende Überlegungen beinhalten. Robeco prüft jeden Aktionärsantrag einzeln und unterstützt Beschlüsse, die darauf abzielen, die Transparenz bei wesentlichen ESG-Aspekten zu erhöhen, langfristig größeren Shareholder Value zu schaffen, wesentliche ESG-Risiken anzugehen und angemessene Verhaltensweisen durchzusetzen.“

„In den meisten Fällen stimmen wir gegen Beschlussvorschläge, mit denen gegen ESG-Integration argumentiert werden soll.“

Abstimmung zu Klimathemen

Die Notwendigkeit, etwas gegen den Klimawandel zu tun, hat die Messlatte für das Handeln von Investoren höher gelegt, die noch vor einigen Jahren Managemententscheidungen nur abgenickt hätten. Mittlerweile ist die Art und Weise, wie ein Unternehmen seinen CO2-Fußabdruck reduziert, beispielsweise durch Senkung von Emissionen, auf der Tagesordnung von Hauptversammlungen ganz nach oben gerückt. Manchmal wird das Thema sogar vom Management selbst aufgebracht.

„Vor einigen Jahren waren Aktionärsanträge die einzigen Elemente der Tagesordnung, durch welche die Erderwärmung zur Sprache gebracht werden sollte“, sagt Van Esch. „In den letzten zwei Jahren haben die Unternehmen jedoch damit begonnen, ihre eigenen Strategien zur Abstimmung zu stellen, um herauszufinden, wie die Aktienhabenden den Ansatz des Unternehmens in Bezug auf die Energiewende sehen.

„Zudem haben die Aktienhabenden begonnen, gegen die Nominierung von Direktoren oder andere Tagesordnungspunkte zu stimmen, wenn die Unternehmen keine ausreichenden Fortschritte beim Thema Klimawandel machen. Bis zum letzten Jahr haben Aktionärsanträge, die bessere Maßnahmen zum Klimawandel forderten, zunehmend an Unterstützung gewonnen. Letztes Jahr blieb die Unterstützung aber stabil oder nahm sogar ab, was vermutlich auf die Energiekrise infolge des Ukraine-Konflikts zurückzuführen war.“

Gesellschaftlicher Gegenwind

Dies dürfte sich auch in einer geringeren Unterstützung für klimabezogene Anträge niederschlagen, sagt er. „In der kommende Hauptversammlungssaison werden Aktionärsanträge wahrscheinlich etwas weniger Unterstützung finden, weil die Befürwortung von Klimamaßnahmen auf stärkeren gesellschaftlichen Gegenwind stößt.“

„Ebenso dürften die klimabezogenen Anträge geringere Zustimmungsraten erhalten, da die üblichen ESG-orientierten Befürworter solcher Vorschläge strengere Maßstäbe an die Qualität der Übergangspläne anlegen werden, um sie zu unterstützen.“

„Robeco wird allgemein Anträge unterstützen, die in Bezug auf die Energiewende Pläne, Berichterstattung und das Setzen von Zielen fordern. Im Fall klimabezogener Anträge werden wir im Rahmen unserer Analysen die Qualität der entsprechenden Pläne sorgfältig untersuchen. Die Basis dabei bilden sektorspezifische Best-Practices und eine Glaubwürdigkeitsanalyse anstelle einer prinzipienbasierten Untersuchung auf höherer Ebene.“

„Wiederum wird es für das Management der Unternehmen schwierig sein, die Ergebnisse der Hauptversammlungen angesichts solch gegensätzlicher Trends zu interpretieren. Von daher wird die laufende Konsultation der Aktienhabenden und der Dialog vor und nach der Versammlung der Schlüssel dafür sein, zu verstehen, was die Aktionärsbasis tatsächlich vom Management erwartet.

Schutz der Biodiversität

Das Active Ownership-Team wird ebenfalls eine harte Linie gegenüber Unternehmen verfolgen, die sich nicht ausreichend an den Zielen der Anlegerinitiative Climate Action 100+, der Transition Pathway Initiative oder Robecos eigenem Rahmenwerk zum Klimawandel orientieren.

„Auf Grundlage unserer Analyse, wie gut sie darauf ausgerichtet sind, erfolgt die Abstimmung im Hinblick auf die Ernennung von Direktoren oder die Rechnungslegung und Berichterstattung, um die Dringlichkeit des Themas zu unterstreichen“, sagt Van Esch.

„Ab diesem Jahr werden wir schrittweise einen ähnlichen Ansatz für Biodiversität einführen. Diese ist neben ähnlichen Ansätzen für den Klimawandel und die Menschenrechte für uns eine weitere Priorität im Bereich Nachhaltigkeit.“

Kritik an überhöhter Vergütung

Ein weiteres traditionelles Streitthema sind nicht an der Leistung orientierte Vergütungen von Führungskräften. Sowohl die US-amerikanische Aufsichtsbehörde SEC als auch die EU-Richtlinie zur Aktionärsberichterstattung (SRD2) haben die Offenlegungsvorschriften für die Unternehmen hinsichtlich der Mitbestimmung bei der Vergütung verschärft.

„In den letzten Jahren haben die vergütungsbezogenen Vorschläge erheblich mehr Aufmerksamkeit erhalten“, sagt Van Esch. „Ausgelöst wurde dies vor allem durch die vorangegangenen Krisenjahre, in denen viele Unternehmen von ihren Vergütungsregeln abwichen. Dabei vertraten sie die Ansicht, dass außergewöhnliche Umstände wie die Corona-Krise außerhalb der Kontrolle des Managements liegen.“

„Aus diesem Grund wurden häufig Boni ausgezahlt, obwohl Leistungsziele verfehlt wurden, oder sie wurden ganz gestrichen, wenn sie aufgrund negativer Erfahrungen von Aktienhabenden oder anderen Stakeholdern als unangemessen angesehen wurden.“

Vorgehen gegen Kurzfristorientierung

Allerdings wird mit der Herstellung eines engen Zusammenhangs zwischen den wichtigsten Leistungsindikatoren und Bonuszahlungen nur ein Teilaspekt des Vergütungsproblems angegangen, sagt er. „Ein bedeutendes Problem bei zahlreichen Vergütungsrichtlinien ist, dass sie auf kurzfristige Leistungssteigerungen und nicht auf eine anhaltend gute Leistung über mehrere Jahre hinweg ausgerichtet sind“, macht Van Esch deutlich.

„Das hängt damit zusammen, dass viele langfristige Anreize auf der Addition der Durchschnittsgewinne der jeweils letzten drei Jahre beruhen, die Auszahlung aber jährlich erfolgt. Hinzu kommt, dass die Bezahlung von Managern in den letzten Jahren wesentlich schneller gestiegen ist als die Durchschnittsgehälter der Mitarbeiter.“

„Robeco verwendet einen Evaluierungsrahmen zur Beurteilung, ob die Vergütungspakete von Führungskräften gerechtfertigt sind. Auf Basis dieses Rahmenwerks unterstützen wir rund 70 % der Vergütungsberichte und stimmen bei 30 % dagegen. Positiv ist, dass zwar die ganze Aufmerksamkeit normalerweise auf die Misserfolge von vergütungsbezogenen Abstimmungen gerichtet ist, es aber auch viele Beispiele für Vergütungskomitees gibt, die eine gute Arbeit leisten.