22-03-2023 · Quartalsausblick

Fixed Income-Ausblick: Die Katze ist aus dem Sack

An den Märkten wird es nie langweilig! Nach einer „Rallye für alles“ im Januar (als die Renditen und Spreads zurückgingen) und „Taper-Verhältnissen“ im Februar (als die Renditen und Kreditspreads stiegen) kam es im März zu den größten Bankpleiten seit 2008 und zu den stärksten Veränderungen der US-Zinsstrukturkurve seit 1987.

Laden Sie die Publikation herunter

    Autoren/Autorinnen

  • Bob Stoutjesdijk - Portfolio Manager and Strategist

    Bob Stoutjesdijk

    Portfolio Manager and Strategist

  • Michiel de Bruin - Head of Global Macro and Portfolio Manager

    Michiel de Bruin

    Head of Global Macro and Portfolio Manager

Um es deutlich zu sagen: Die Ereignisse vom März 2023 sind eine Fortsetzung der Ereignisse vom letzten Herbst, als in Großbritannien der auf Derivaten basierende LDI-Markt fast zusammenbrach. Auch die Volatilität bei Staatsanleihen ist wohl kaum ein neues Thema in diesem Jahr. Die Straffung der Geldpolitik in 2022 macht sich jetzt bemerkbar. Fakt ist, dass der Schuldenstand im öffentlichen und privaten Sektor weltweit seit 40 Jahren ansteigt und dies jetzt mit den stärksten Zinserhöhungen seit ebenfalls 40 Jahren zusammenfällt.

Um ein paar Beispiele zu nennen: Die Verschuldung von US-Unternehmen im Verhältnis zum BIP war an der Schwelle zu einer Rezession noch nie so hoch wie jetzt. Die Staatsverschuldung der USA beläuft sich auf 120 % des BIP, verglichen mit lediglich 60 % im Jahr 2007. Und dieses Problem ist keinesfalls auf die USA beschränkt. Ob man nun die Schulden französischer Unternehmen, des italienischen Staats oder staatlicher chinesischer Unternehmen betrachtet: Die Gesamtverschuldung im Verhältnis zum BIP hat in allen großen Volkswirtschaften der Welt zugenommen – in Jahrzehnten mit billigem Geld und steigender Kreditaufnahme.

Zumindest für die Bedienung dieser Schulden ist die Rechnung mittlerweile viel höher, und sie wird im Zuge der Refinanzierung durch Kreditnehmer im Lauf dieses Jahres zur Zahlung fällig werden. Die Straffung der Geldpolitik war nahezu auf der ganzen Welt ein Thema – in den Industrie- und Schwellenländern, in den USA, Europa, Lateinamerika und Australasien.

In unseren makroökonomischen Prognosen ist eine Rezession in den USA in den nächsten 12 Monaten für uns nach wie vor der Basisfall. G7-Volkswirtschaften wie Deutschland und Großbritannien befinden sich bereits im Bereich einer Stagnation/eines Konjunkturabschwungs. Deshalb glauben wir, dass sich die USA lediglich einer Verlangsamung „anschließen“ werden, die offensichtlich schon im Gange ist.

Es stimmt, dass sich der Dienstleistungssektor und der Arbeitsmarkt insbesondere in den USA als überraschend widerstandsfähig erwiesen haben. Die Verschärfung der Kreditkonditionen und die verzögerten Auswirkungen der Straffung der Geldpolitik dürften sich jedoch als stärker erweisen als die verbliebene wirtschaftliche Dynamik und die strukturellen Anpassungen nach dem Ende der Covid-Pandemie.

An den Finanzmärkten wird viel darüber diskutiert, wie restriktiv die Zinssätze im Verhältnis zu R* werden (siehe unsere Sonderausgabe des Central Bank Watcher). Eine im März eingetretene Wendung ist anscheinend, dass R**, die „Financial (In)Stability Real Interest Rate“1 oder – vereinfacht gesagt – das Realzinsniveau erreicht worden ist, bei dem irgendetwas nachgibt. Die strengeren geldpolitischen Rahmenbedingungen wirken sich auf die Realwirtschaft und den Finanzbereich aus.

Was Staatsanleihen angeht, könnten die US-Renditen unserer Meinung nach ihren Höchststand erreicht haben, was bei den Renditen auf britische Staatsanleihen wahrscheinlich schon im letzten Herbst der Fall war. Auch die Zinsstrukturkurven für die USA und Deutschland hatten möglicherweise ihren Tiefstand und ihre stärkste Inversion erreicht, bevor sie in den letzten Wochen wegen der Turbulenzen im Bankensektor rasch steiler wurden.

Durch die Volatilität in den letzten Wochen haben sich kurzfristige Anlagechancen ergeben (z. B. bei EUR-Swap-Spread-Tighteners oder dadurch, dass die Renditen auf sichere Vermögenswerte in naher Zukunft wieder etwas steigen könnten). Wir sehen darin eher kurzfristige Bewegungen. Mittelfristig halten wir jedoch an unseren letztes Mal dargelegten Rezessionsstrategien fest (siehe Recession Investing).

Es ist immer interessant, einen Ausblick zu schreiben, wenn es gerade viele Marktereignisse – und -bewegungen – gegeben hat! Auf kurze Sicht erwarten wir insbesondere bei den Kreditrisikoaufschlägen einen holprigen Verlauf mit Rückgängen und Aufwärtsbewegungen nach verschiedenen staatlichen Rettungsaktionen für den Bankensektor und der Übernahme von in Schieflage geratenen Instituten durch freundlich gesonnene Käufer.

Es gibt keine vernünftige Erklärung, wie lange eine Erholung nach solchen positiven Schlagzeilen dauern wird: Die Rettung von Bear Stearns durch JP Morgan im März 2008 war beispielsweise der Auftakt zu einer vier Monate dauernden Erholung an den Unternehmensanleihemärkten; die Rettung von HBoS durch Lloyds brachte eine Erholung, die nur wenige Stunden dauerte. Diesmal könnte das Resultat davon abhängen, welche anderen in Schwierigkeiten geratenen Finanzinstitute und Hedgefonds nach Einschätzung der Märkte für erneute Marktvolatilität sorgen könnten.

Unsere für Unternehmensanleihen zuständigen Kollegen weisen darauf hin, dass europäische Banken – abgesehen von Crédit Suisse – weitgehend sicher sind. Bei den Regionalbanken in den USA erscheint die Lage etwas komplizierter. Es ist jedenfalls durchaus möglich, dass sich die Belastung durch steigende Zinssätze in anderen Teilen des Nicht-Bankensystems (wie im Oktober letzten Jahres am britischen LDI-Markt) oder in Strukturen des Schattenbankwesens manifestiert, bei denen Inkongruenzen bei Laufzeiten oder der Liquidität offenbar werden.

Unfälle folgen in der Regel auf solche Inkongruenzen. Und ob nun bei Gewerbeimmobilien oder gehebelten Finanzstrukturen – es gibt reichlich Möglichkeiten, dass Managementfehler gemacht wurden.

Wenn 40 Jahre, in denen die Verschuldung des öffentlichen und privaten Sektors zugenommen hat, auf den stärksten Zinsanstieg innerhalb von 12 Monaten treffen, weiß man letztlich nur, dass Unfälle wahrscheinlich sind. Wo genau sie auftreten, ist die große Preisfrage. Bei der Top-Down-Allokation und beim Portfolio-Aufbau sind die Einzelheiten weniger wichtig als die großen Themen. Die Folgen für die mittel- bis längerfristige Portfolio-Positionierung liegen auf der Hand: steilere Zinsstrukturkurven, niedrigere Renditen und Gelegenheiten, Spread-Produkte auf „Rezessionspreisniveau“ zu kaufen.

Fußnote

1Erläuterung der The Financial (In)Stability Real Interest Rate, R** (newyorkfed.org)

Laden Sie die Publikation herunter