22-03-2023 · Einblick

Die neue neue Normalität

Am 11. März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation Covid-19 zu einer globalen Pandemie. In der Folge kam es zu Lockdowns in der einen oder anderen Form. In den drei Jahren, die seitdem vergangen sind, sind die Volkswirtschaften rund um die Welt wieder weitgehend geöffnet worden. Doch nur wenig ist wieder genau so, wie es vorher war. Wir beschäftigen uns mit den Auswirkungen der Pandemie auf die Art und Weise, wie wir arbeiten, leben und unsere Freizeit verbringen.

    Autoren/Autorinnen

  • Daniel Ernst  - Technology Analyst

    Daniel Ernst

    Technology Analyst

How we work

Drei Jahre, nachdem im Zuge der Corona-Restriktionen Arbeitnehmende, die nicht zwingend vor Ort gebraucht wurden, nach Hause geschickt worden waren, sind Restaurants, Geschäfte und Schulen wieder weitgehend so geöffnet wie zuvor. Die Büros dagegen sind nach wie vor halb leer. Laut Daten von Kastle Systems, einem Anbieter von Bürosicherheitssystemen, lag die durchschnittliche Belegungsquote in US-Büros im Februar 2022 bei 50,1 %. Die Werte variieren nach Metropolen. So beträgt die Bürobelegungsquote in San Jose 41 %, in New York 47 % und in Austin 66 %.

Daten des Immobiliendienstleisters Savills zeigen für Europa einen ähnlichen Trend. So erreichte Mitte 2022 die Belegungsquote von Büros in London lediglich 32 % und in Paris 54 %. In Asien ist laut Daten von Jones Lang Lasalle die Bürobelegungsquote in Städten wie Seoul und Tokio wieder auf 75 % gestiegen.

Grafik 1. Bürobelegung, Metropolregion New York

Grafik 1. Bürobelegung, Metropolregion New York

Quelle: Kastle Systems, März 2023

Nach Angaben der Federal Reserve Bank of Dallas arbeiteten vor der Pandemie nur 8,2 % der Beschäftigten in den USA jeden Tag von zuhause aus. Im Jahr 2022 behielten 49 % der Arbeitnehmenden ein hybrides Arbeitszeitmodell bei. 35 % arbeiteten wieder Vollzeit im Büro und 17 % vollständig im Homeoffice. Das ergab eine globale Umfrage unter Büroangestellten, die von Slack durchgeführt wurde, einem Anbieter von Kooperations-Software. Diese unterschiedlichen Arbeitsarrangements wirken sich nicht nur auf die Bürokultur aus, sondern sorgen auch für Herausforderungen im Hinblick auf die Zeit- und Mitarbeitendenplanung bei zugehörigen Dienstleistungen von Cafés bis zu öffentlichen Transportmitteln.


Die Schaffung und Pflege einer Unternehmenskultur kann jedoch schwierig sein, wenn man sich nicht persönlich trifft. Um den Umgang mit den neuen Gegebenheiten in Form flexiblerer und hybrider Arbeit zu erleichtern, prüfen die Unternehmen nicht nur, wie viel Büroraum sie benötigen, sondern auch welche Systeme. Obwohl sie drei Jahre lang Homeoffice und hybride Arbeitsformen praktiziert haben, haben viele Unternehmen noch Nachholbedarf. Nach Prognosen der Branchenanalysten von IDC werden die Ausgaben der Unternehmen für „Zukunft der Arbeit“-Systeme gegenüber dem Vorjahr um 18,8 % auf 1 Mrd. US-Dollar im Jahr 2023 steigen.

Während viele Unternehmen ihre Mitarbeitenden auffordern, in die Büros zurückzukehren, haben andere wie Airbnb, Coinbase und Shopify auf das Arbeiten von zuhause aus gesetzt und die meisten ihrer Büros geschlossen. Das hat zur Folge, dass ein noch kleiner, aber wachsender Anteil junger Beschäftigter anstrebt, von überall aus arbeiten zu können. Die Subreddit-Gruppe r/digitalnomad, ein Forum zum Austausch von Informationen über Fernarbeit, verdoppelte ihre Mitgliederzahl im Jahr 2021 auf eine Million. Da sich gezeigt hat, dass dieser Trend über die Zeit der Corona-Pandemie hinaus Bestand haben wird, verdoppelte sich die Mitgliederzahl in der Gruppe im Jahr 2022 erneut auf 2 Millionen.

Auf die Digitalisierung vorbereitet zu sein, heißt auch, über Systeme und Ansätze zu verfügen, die weit über „Zoom“-Videokonferenzen und „Teams“-Meetings hinausgehen. Im April sagte der CEO von Microsoft, Satya Nadella, bei einer Telefonkonferenz zur Gewinnentwicklung: „Wir haben innerhalb von zwei Monaten die digitale Transformation von zwei Jahren erlebt.“ Als es weltweit zu Lockdowns kam, beeilten sich Geschäfte, von denen viele zuvor keine Internetpräsenz hatten, Online-Bestellungen zu ermöglichen, und Sterneköche schlossen sich Fast-Food-Restaurants mit Essensliefer-Apps an.

Infolgedessen hat sich das Wachstum der Softwareumsätze zwar beschleunigt. Doch ist diese Dynamik in letzter Zeit abgeebbt. Nach Angaben von IDC wird sich das Umsatzwachstum im Bereich Software-as-a-Service (SaaS) nach einer Expansion um jährlich durchschnittlich 27 % in den letzten fünf Jahren in den nächsten vier Jahren auf 20 % abschwächen. Die Verlangsamung des SaaS-Geschäfts hat sich zwar negativ auf die Bewertungen ausgewirkt. Dennoch wächst das Segment immer noch mehr als doppelt so schnell wie die Softwarebranche insgesamt und fast dreimal so schnell wie die Technologiebranche als Ganzes.

Wie wir leben

Als die meisten Einzelhandelsgeschäfte aufgrund der Pandemie-Restriktionen ihre Läden schließen mussten, erhöhte sich der Anteil des E-Commerce an den Einzelhandelsumsätzen in den USA von 11,1 % im vierten Quartal 2019 bis auf einen Höchstwert von 16,4 % im zweiten Quartal 2020. Als die Restriktionen gelockert wurden und die Ladengeschäfte wieder öffneten, ließ das Umsatzwachstum im E-Commerce erwartungsgemäß nach. Bis zum zweiten Quartal 2022 fiel sein Anteil auf 14,3 %. In den letzten Quartalen hat sich das Wachstum des E-Commerce jedoch wieder beschleunigt. Im vierten Quartal 2022 wurde ein Anteil von 14,9 % erreicht, deutlich oberhalb des Trends vor der Pandemie.

Grafik 2: Anteil der E-Commerce-Umsätze in den USA am gesamten Einzelhandel (in %)

Grafik 2: Anteil der E-Commerce-Umsätze in den USA am gesamten Einzelhandel (in %)

Quelle: US Department of Commerce

Da Fitnessstudios geschlossen waren und sogar der Sport im Freien oft Beschränkungen unterlag, erlebten Online-Fitnessdienste während der Pandemie einen Aufschwung. Nach Ende der Pandemie ist die Fitnessbranche noch nicht vollständig zur Normalität zurückgekehrt. Eine Marktforschungsstudie von Upswell aus dem Jahr 2022 ergab, dass zwar 50 % der Mitglieder von Fitnessstudios innerhalb von neun Monaten nach Aufhebung der Beschränkungen zurückkehrten. Doch fast 28 % waren immer noch nicht zurückgekehrt und 31 % weniger trainierten in Fitnessstudios.

Gleichzeitig verzeichnen viele Online-Fitnessdienste weiterhin Wachstum. Im vergangenen Jahr berichtete der Fitness-Tracking-Dienst Strava, dass die über Services wie Peloton und Strava aufgezeichneten Indoor-Rad- und Laufaktivitäten schneller zunahmen als die Outdoor-Aktivitäten. Positiv zu vermerken ist, dass der Fitnesstrend anhält, sei es zuhause, im Studio oder im Freien. Eine von YouGov in Großbritannien durchgeführte Umfrage ergab, dass 68 % der Briten im letzten Monat mindestens einmal pro Woche Sport trieben; im Februar 2020 waren es nur 60 %.

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Wie wir unsere Freizeit gestalten

Trotz Blockbuster-Filmen wie Wakanda Forever ist die Zukunft des Kinos ungewiss. Infolge der Schließung von Kinos im Jahr 2020 brachen die Einnahmen an den Kinokassen ein und haben sich seitdem nicht mehr vollständig erholt. Im Jahr 2021 schossen die Kinoumsätze weltweit um 70 % nach oben. Superhelden wie Spider-Man zogen das Publikum wieder vor die Leinwand. 2022 setzte sich die Erholung fort. So stiegen die Umsätze um 27 % an, als die Filmstudios neue Versionen populärer Streifen wie Avatar, Top Gun und Jurassic World herausbrachten.

Dessen ungeachtet lagen die Umsätze an den globalen Kinokassen im Jahr 2022 immer noch um 39 % unter dem Niveau von 2019. In den USA lag die Zahl der Kinobesucher, gemessen an den verkauften Tickets 2022 um 34 % niedriger als 2019. Der Rückgang der Besucherzahlen in den Kinos begann schon lange vor der Pandemie. Gründe dafür waren Verbesserungen bei der Flachbildschirmtechnologie, die Ausbreitung von Streamingdiensten und die Verlagerung des Produzentenfokus von „Tentpole“-Filmproduktionen auf ähnlich produzierte Fernsehserien wie Game of Thrones und Stranger Things.

Diese Entwicklungen trugen auch zum anhaltenden Rückgang im Bereich Kabelfernsehen bei. So fiel die Zahl der Abonnenten in den USA von 100 Millionen im Jahr 2012 auf 70 Millionen im Jahr 2022.

Grafik 3: Ticketumsätze und Besucherzahlen in Kinos

Grafik 3: Ticketumsätze und Besucherzahlen in Kinos

Quellen: MPAA, Gower Street Analytics, 2023

Die Reise- und Hotelbranche ist ein weiterer Sektor, der sich im Zuge der Lockerung von Restriktionen wieder erholt hat, aber immer noch unter dem Trend vor der Pandemie liegt. Nach Angaben der UN erreichte der globale Tourismus im Jahr 2022 nur 63 % des Niveaus von 2019. Dabei wurde in Europa ein Niveau von 79 % erreicht, in Nord- und Südamerika waren es 65 %. Aufgrund der verlängerten Grenzschließungen in China betrug der touristische Reiseverkehr im Raum Asien-Pazifik im Jahr 2022 nur 23 % des Niveaus von 2019.

Nach Angaben der IATA erreichte der Passagierflugverkehr gemessen am Umsatz pro Passagierkilometer im Jahr 2022 80 % des Niveaus von 2019 bei Inlandsflügen und 75 % bei internationalen Flügen. Die ausgeprägteste Erholung war bei Restaurants und Hotels zu beobachten. Der von OpenTable ermittelte Index für die Anzahl der Gäste, die in wiedereröffneten Restaurants zu Abend essen, erreicht 2022 in den USA 96 % des Niveaus von 2019 und 98 % in Großbritannien. Bloomberg gab bekannt, dass im dritten Quartal 2022 die Auslastungsquote in US-Hotels nur um 4,2 % unter dem Stand des dritten Quartals 2019 lag.

Vor allem scheinen die Verbraucher an Erlebnissen abseits der ausgetretenen Pfade interessiert zu sein. So verzeichnete der Marktplatz für alternative Unterkünfte Airbnb für 2022 ein Niveau der gebuchten Übernachtungen von 120 % des Stands im Jahr 2019.

Grafik 4: Indikatoren für die Bereiche Reisen und Freizeit (2022 vs. 2019)

Grafik 4: Indikatoren für die Bereiche Reisen und Freizeit (2022 vs. 2019)

Quellen: UNO, IATA, OpenTable, Bloomberg, Unternehmensberichte, März 2023