07-12-2021 · Quartalsausblick

Credit outlook: Unvollkommene Informationen und unsichere Prognosen

Angesichts der zahlreichen verzerrenden Elemente, die gegenwärtig die Sicht trüben, können wir uns auf wirtschaftstheoretisch begründete Antworten nicht verlassen.

    Autoren/Autorinnen

  • Sander Bus - CIO High Yield, Portfolio Manager

    Sander Bus

    CIO High Yield, Portfolio Manager

Für Wirtschaftsberater sind mit unvollkommenen Informationen Prognoseunsicherheiten verbunden, was wiederum die Vorhersage der Wirtschaftsaktivität schwieriger macht. Das gilt insbesondere in der gegenwärtigen Lage. Angesichts der zahlreichen verzerrenden Elemente, die gegenwärtig die Sicht trüben, können wir uns auf wirtschaftstheoretisch begründete Antworten nicht verlassen. „Wenn wir alle Hinweise, die uns die Preissetzungsmacht der Unternehmen, die politischen Hilfspakete und das Konsumverhalten liefern, berücksichtigen, werden die Fundamentaldaten in den USA und Europa unserer Ansicht nach in Q1 2022 nicht die Haupttreiber der Unternehmensanleihemärkte sein“, erklärt Victor Verberk, Co-Leiter des Credit-Teams bei Robeco.

Mit Blick auf die Bewertungen haben wir einen Anstieg der Spreads beobachtet, wobei Europa den Anfang gemacht hat und die USA etwas zurückblieben. Wir meinen, dass der Unternehmensanleihemarkt in den USA aufholen wird, sobald allen Akteuren klar wird, dass wir weltweit im Hinblick auf Covid dasselbe Schicksal teilen. „Es gibt auch zahlreiche Risikofaktoren, die noch nicht ausreichend eingepreist sind: Das wären die geopolitischen Risiken im Umfeld Russlands, die Beeinträchtigung des Wachstums durch die Immobilienkrise in China und die Volatilität der Schwellenländer im Allgemeinen. Diese Risiken mit einem konträren, researchorientierten Ansatz zu handhaben ist wichtiger, als ganz genau das korrekte Beta zu finden, wenn es schon existiert“, sagt Sander Bus, Co-Leiter des Robeco Credit-Teams.

Technische Indikatoren und insbesondere die Aktivität und Kommunikation der Zentralbanken, könnten nach Jahren mit gesteigerter Risikobereitschaft unter den Anlegern einen Schub der Risikoaversion auslösen. Dementsprechend liefert die technische Seite unserer Einschätzung am meisten Munition für Diskussionen. Sie dürfte der Hauptgrund dafür werden, etwas länger vorsichtig zu sein.

Fundamentaldaten

Bescheidenheit ist weiterhin der am besten passende Ausdruck beim Beurteilen des Wirtschaftsausblicks. Einige Dinge lassen sich jedoch mit Sicherheit feststellen. Das Wachstum des globalen herstellenden Gewerbes ist trotz der letzten Abwärtskorrekturen in den Wachtsumprognosen recht solide, weil es weiterhin durch die Nachfrage nach Konsumgütern gestützt wird. Tatsächlich ist fast das gesamte Wachstum auf die Konsumnachfrage zurückzuführen. Anlageinvestitionen und Lageraufbau haben bisher kaum einen Beitrag geleistet. Das könnte Gutes für die Zukunft verheißen.

Den meisten Unternehmen geht es sehr gut und die Gewinne tendieren aufwärts. Steigende Inputkosten werden zunehmend Gesprächsthema, die Margen sind im Allgemeinen aber robust geblieben, und es ist erkennbar, dass die meisten Unternehmen die steigenden Inputpreise weiterreichen können. „Gleichzeitig spannt sich die Lage am US-Arbeitsmarkt an. Die Gesamtlage ist angesichts der Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen, der im Vergleich zur Zeit vor Covid deutlich niedrigeren Erwerbsquote, des Trends zur Frühverrentung und des Verlusts von rund 2,5 Millionen Arbeitsplätzen seit Anfang 2020 etwas intransparent – unter dem Strich zeichnet sich jedoch ein Arbeitskräftemangel ab“, meint Jamie Stuttard, Credit Strategist bei Robeco.

Zu den wichtigsten Ursachen für Besorgnis an den Märkten gehört natürlich die Inflation. Die Inflationszahlen sind kontinuierlich gestiegen. Die Zentralbanken behaupten zwar entschieden, dass dies ein vorübergehender Zustand sei, immer mehr Marktteilnehmer glauben ihnen aber nicht mehr. Auch die Kommunikation der Federal Reserve war in diesem Zusammenhang nicht hilfreich. Die jüngsten Bemerkungen des Fed-Vorsitzenden Powell, dass wir das Wort „vorübergehend“ aus dem Vokabular streichen oder neu definierten sollten, waren nicht produktiv. Die Bemühungen aus den letzten Jahren, die Märkte davon zu überzeugen, dass die Federal Reserve ihre Haltung absichtlich spät wechseln würde, sind nach ein paar Monaten mit hoher Inflation wirkungslos geworden.

Angesichts des Umstands, dass die Märkte auch gerade die Nachrichten über die Omikron-Variante verdauen mussten, war auch das Timing der Bemerkungen seltsam. All das unterstreicht wieder einmal unsere kritische Beurteilung der Zentralbanken und der Auswirkungen ihres Verhaltens.

In Europa ist es noch zu früh, um über Zinsanhebungen zu sprechen. Wir müssen uns aber darauf vorbereiten, dass die PEPP-Käufe irgendwann auslaufen. Unserer Meinung nach dürfte die EZB aber den Wunsch haben, sich ein wenig Flexibilität zu bewahren, und sich deshalb die Option für eine Wiederaufnahme des PEPP-Programms für Zeiten offenhalten, in denen sie einen Bedarf dafür sieht. Sehr wahrscheinlich könnten die Anleihenkäufe sogar vorübergehend ausgeweitet werden, um das Ende von PEPP abzufedern. Mit anderen Worten: Die Anleihenkäufe der EZB werden in irgendeiner Form im Jahr 2022 fortgeführt werden – und die laufende Umschichtung globaler Portfolios zugunsten risikoreicher Anlagen ist noch nicht beendet.

Bei den Fundamentaldaten macht uns weiterhin China die größten Sorgen. Da 25 % des BIP und 40 % der inländischen Kreditvergabe mit Immobilien zusammenhängen, verbietet es sich, den chinesischen Immobiliensektor allzu sorglos zu behandeln. Es könnte auch Auswirkungen im europäischen Bankensektor geben. Und die Politik kann zwar die Fortpflanzungsgefahr bekämpfen, die zugrunde liegenden Ungleichgewichte zu beheben kann aber Jahre dauern.

Die Schlussfolgerung ist, dass für einen Rentenanleger in den westlichen Industrieländern die Fundamentaldaten wahrscheinlich unproblematisch sind. Trotz der Schwierigkeiten bei der Schätzung des Wachstums und sofern die Fed keinen größeren politischen Fehler begeht oder eine Beschleunigung des Abschwungs in China eintritt, werden die Fundamentaldaten nach Ende des harten Winters wahrscheinlich nicht die langfristig bestimmende Kraft für die Credit Spreads sein. Die Inflation sowie das Verhalten und die Kommunikation der Zentralbanken werden die Stimmungslage prägen und könnten die kurzfristige Risikobereitschaft beeinflussen. Unser Global Marco-Team erwartet, dass die Inflation in Europa im Q4 2021 ihren Höhepunkt erreicht, und der US CPI im ersten Halbjahr 2022. Danach sollte die Inflation bis Ende des kommenden Jahres auf Sätze knapp über den Zielgrößen der Zentralbanken zurückgehen.

Wir investieren heute mehr als je zuvor in einer Welt mit unvollkommenen Informationen und unsicheren Prognosen. Dadurch wird die Marktvolatilität steigen, was Chancen für aktive Manager schafft.

Abbildung 1 | Marktzyklus: Unsere Auffassungen zu den einzelnen Marktsegmenten

Abbildung 1 | Marktzyklus: Unsere Auffassungen zu den einzelnen Marktsegmenten

Quelle: Robeco, Dezember 2021

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Bewertungen

Die Bewertungen haben sich in jüngster Zeit etwas entspannt, was wir schon seit einiger Zeit erwartet haben. Die Märkte sind aber mit Sicherheit nicht billig. Wir sind weiterhin überzeugt, das Risikofaktoren noch nicht ausreichend eingepreist sind. Geopolitische Risiken, Inflationssorgen, der Wachstumsschock in China, die Energiepreise oder einfach nur die allgemeine Entwicklung der nominalen Renditen: Alles deutet darauf hin, dass die derzeitigen Spreads nicht gerechtfertigt sind.

Der Schluss im Hinblick auf Bewertungen ist, dass die Credit Spreads unserer Auffassung nach immer noch teuer sind. Die bisherige begrenzte Ausweitung könnte aber einige Chance für die Aktienauswahl herbeiführen.

Technische Indikatoren

Es könnte durchaus sein, dass einige Versorgungsengpässe noch länger ungelöst bleiben, auch wenn es erste Anzeichen für eine Entspannung gibt. Auf längere Sicht könnte Covid Teil unserer Normalität werden, allerdings mit rückläufigen wirtschaftlichen Auswirkungen. Wir erwähnen dies unter „Technische Indikatoren“, da die Möglichkeit einer dauerhafte Auswirkung auf die Inflation offen bleibt und die Kosten der Unsicherheit über das Verhalten der Zentralbanken größer ausfallen könnten. Covid steigert auch die Gefahr von Fehlern auf politischer Ebene und der Reaktion der Märkte auf solche Fehler.

„Das Fazit ist, dass die technischen Indikatoren schwach aussehen. Es gibt zu viele falsch bewertete Risikoprämien. In Verbindung mit den offensichtlichen Schwierigkeiten der Zentralbanken, die optimale politische Strategie zu finden, könnte es zu Abflüssen aus risikoreichen Anlagen kommen“, meint Sander Bus.

Positionierung

Wir haben darüber geschrieben, dass 2021 entweder ein unspektakuläres oder ein negatives Jahr würde. Es hat sich als unspektakuläres Jahr herausgestellt, in dem die Überschussrendite von Investment-Grade-Titeln in EUR bei 0 % lag. Gegen Ende des Jahres sieht es jetzt aber nach einer Zunahme der ökonomischen Unsicherheit aus, angefeuert von Inflationssorgen. Um eine Verstärkung der Betas von ihrer aktuellen Untergewichtung zu rechtfertigen, müssten wir überzeugt sein, dass wir am Anfang einer größeren Entwicklung stehen.

„Wir beobachten, dass sich in ausgewählten Schwellenländern ohne China Chancen ergeben. Dasselbe gilt für Finanzwerte, Unternehmensanleihen mit BB-Rating, Euro-Swap-Spreads und Titel, die von der Erholung nach Covid profitieren werden. Angesichts der Bewertungssituation bleiben wir in Euro-Unternehmensanleihen auf Kosten von US-Papieren übergewichtet. Das würden wir bei einem Anstieg des US-Rentenmarkts anpassen“, erklärt Verberk.

Insgesamt ist es wichtig, dass sich das Risiko in dieser Phase des Kreditzyklus bei allen unseren Positionen in den Spreads widerspiegeln muss.

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