27-05-2020 · Einblick

Konflikt USA-China: Der Druck auf ADRs steigt

In den letzten Wochen haben die USA ihre Rivalität mit China verschärft. Dabei erfolgten mehrere Ankündigungen, die über den bisherigen Fokus auf Handelsbeschränkungen hinausgehen. Anfang Mai kündigten Vertreter der US-Regierung Vorschriften an, die die Anlage in chinesische Aktien durch das Federal Retirement Thrift Investment Board beschränken sollen. Im Anschluss daran wurde der Zugang von Huawei zu Produkten, die auf US-Technologie basieren, weiter eingeschränkt. Der jüngste Warnschuss bestand darin, dass der Senat mit überwältigender Mehrheit einer Gesetzesvorlage billigte, die zum Ausschluss chinesischer Unternehmen von Börsennotierungen in den USA führen könnte.

    Autoren/Autorinnen

  • Jan de Bruijn - Client Portfolio Manager

    Jan de Bruijn

    Client Portfolio Manager

  • Jaap van der Hart - Portfolio Manager

    Jaap van der Hart

    Portfolio Manager

Am 20. Mai verabschiedete der US-Senat einhellig den „Holding Foreign Companies Accountable“ (HFCA) Act. Das Gesetz soll Unternehmen einer Börsennotierung in den USA verbieten, wenn diese drei Jahre in Folge nicht der Prüfung durch das Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB) standhalten.

Der Gesetzentwurf verlangt außerdem von allen öffentlich gehandelten Unternehmen offenzulegen, ob sie sich im Besitz eines fremden Staates befinden. Im Hinblick auf diese Anforderungen besteht eine dreijährige Schonfrist. Der Gesetzentwurf muss nun das Repräsentantenhaus passieren, bevor es vom US-Präsidenten unterschrieben und rechtswirksam wird. Obwohl sich der Gesetzentwurf auf alle börsennotierten Unternehmen bezieht, wird er in der Praxis vorwiegend Auswirkungen auf Börsennotierungen chinesischer Unternehmen in den USA haben.

China ist das einzige große Land, das es dem PCAOB verweigert, die Außenprüfungen von Unternehmen zu kontrollieren, die in China und Hongkong registriert sind. Begründet wird dies damit, dass chinesische Gesetze es verbieten, die Unterlagen von Wirtschaftsprüfern außer Landes zu transferieren. Wir erwarten, dass das Repräsentantenhaus den Gesetzentwurf billigt und der US-Präsident es unterschreibt, da das Vorhaben von Republikanern wie Demokraten unterstützt wird.

China wird die Forderungen der USA nach vollständigem Zugang für das PCAOB wahrscheinlich nicht akzeptieren, da es dies als eine Frage der Souveränität betrachtet. Des Weiteren werden etwaige Konzessionen seitens der chinesischen Regierung politisch dadurch erschwert, dass der vom Senat bewilligte Gesetzentwurf im Fall von ADRs eine vollständige Offenlegung staatlicher Beteiligungen und Parteimitgliedschaften von Spitzenmanagern verlangt.

Derzeit sind 233 ADRs chinesischer Unternehmen in den USA notiert (nur Primärlistings), deren Börsenkapitalisierung zusammengenommen 1,03 Billionen US-Dollar beträgt. Das entspricht 3,3 % des gesamten Volumens des US-Aktienmarkts und 8 % der Börsenkapitalisierung Chinas. Im Schnitt finden täglich Transaktionen in diesen ADRs in Höhe von 8,1 Mrd. Dollar statt, das sind 6 % des durchschnittlichen täglichen Börsenumsatzes in den USA. Demnach werden chinesische ADRs zweimal so häufig gehandelt wie US-Aktien.

Nach Schätzungen von Goldman Sachs halten US-Anleger derzeit chinesische ADRs im Gegenwert von 350 Mrd. Dollar, was rund einem Drittel des Gesamtvolumens von ADRs entspricht. Goldman Sachs schätzt des Weiteren, dass 29 der 233 ADRs mit einer Börsenkapitalisierung von zusammengenommen 370 Mrd. US-Dollar die Anforderungen für ein sekundäres Listing in Hongkong erfüllen. Daher gehen wir davon aus, dass viele davon für eine Börsennotierung in Hongkong optieren werden.

Wahrscheinlich werden in den USA gelistete chinesische Unternehmen auf eine andere Börse ausweichen.

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Positionierung im Rahmen von Emerging Markets-Strategien

ie wachsenden Spannungen zwischen den USA und China könnten nicht nur die Anlegerstimmung gegenüber chinesischen Aktien beeinträchtigen; ein Inkrafttreten des HFCA Act könnte sich auch negativ auf unsere Engagements chinesischer Unternehmen mit Listing in den USA auswirken. Tabelle 1 zeigt unsere Positionen in China, einschließlich in den USA notierter chinesischer Aktien. Die von uns gehaltenen in den USA gelisteten Titel würden von den neuen Vorschriften für ADRs in unterschiedlichem Maß getroffen – je nachdem, wie sich die Vorschriften und deren Umsetzung letztlich im Detail darstellen.

Wie bereits erwähnt werden jedoch in den USA gelistete chinesische Unternehmen wahrscheinlich auf eine andere Börse ausweichen. Die naheliegendste Option wäre Hongkong, obwohl auch andere Börsenplätze wie London in Betracht kommen.

Seit dem erfolgreichen Sekundärlisting von Alibaba in Hongkong im Jahr 2019 ist allgemein erwartet worden, dass nun andere Unternehmen folgen werden. Tatsächlich haben seither JD.com und NetEase Inc ein Sekundärlisting beantragt. Der Betreiber der chinesischen Suchmaschine Baidu erwägt ebenfalls ein Delisting an der NASDAQ in den USA und ein Ausweichen an eine Börse im näheren Umfeld. Somit dürften sich etwaige negative Auswirkungen auf unsere Strategien auf lange Sicht in Grenzen halten.

Fazit für die Anlagepolitik

Bis auf Weiteres beabsichtigen wir, unser derzeitiges Exposure gegenüber China beizubehalten. Tabelle 1 zeigt, dass der Robeco Emerging Stars über eine relativ geringe untergewichtete Position in China verfügt. Dagegen ist der Robeco Emerging Markets Equities dort leicht übergewichtet. Die in den beiden Strategien vertretenen chinesischen ADRs entwickeln sich aktuell sehr gut. In unserem Basisszenario gehen wir von moderaten bis negativen Auswirkungen auf diese ADRs aus, verbunden mit der Möglichkeit, dass die Unternehmen an die Börse in Hongkong ausweichen.

Tabelle 1: Exposure der Emerging Markets-Strategien von Robeco gegenüber chinesischen Aktien

Tabelle 1: Exposure der Emerging Markets-Strategien von Robeco gegenüber chinesischen Aktien

Quelle: Robeco; Stand: 26. Mai 2020

Die jüngsten Beschränkungen für US-Investments in China stellen allerdings ein Risiko für den gesamten chinesischen Aktienmarkt dar, nicht nur für ADRs. Losgelöst von den Entwicklungen in den USA sprechen aus unserer Sicht andere positive Faktoren weiterhin für China. Dazu gehören die bessere Eindämmung der Coronavirus-Pandemie, die Konjunkturpakete der Regierung und die Erwartung eines positiven Wachstums im Jahr 2020. Zweifellos stellt der HFCA Act eine potentiell bedeutende Entwicklung dar, die wir weiter genau beobachten werden. Daraus wird sich wahrscheinlich im Rahmen unserer Länderallokation eine weniger positive Einschätzung Chinas ergeben.