17-02-2023 · Interview

„Mit gutem Risikomanagement können wir mehr Risiko eingehen“

Risikomanagement und Innovation gehen Hand in Hand. Darüber unterhalten wir uns im Zusammenhang mit der Ausweitung des Indexgeschäfts mit Portfoliomanager Georgi Kyosev aus dem Bereich Sustainable Index Solutions, Operational Risk Manager Rodney Yartey und Sustainable Index Solutions Researcher Jean-Paul van Brakel.

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  • Lusanele Magwa - Investment Specialist

    Lusanele Magwa

    Investment Specialist

Herr Kyosev, das vom Sustainable Index Solutions-Team verwaltete Vermögen überschritt kürzlich die Marke von 10 Milliarden Euro. Können Sie näher beleuchten, wie Sie die dazu erforderliche Infrastruktur einrichten?

Georgi Kyosev: „Unsere Indexlösungen sind ein gutes Beispiel für kundengetriebene Innovation. Um es konkret zu machen: Ausgelöst wurde die Entwicklung durch das Gespräch mit einem großen Kunden. Dieser zeigte sich im Rahmen unseres Dialogs beeindruckt von unserem Research und geistigen Eigentum. Der einzige Knackpunkt war, dass er die Bildung und praktische Umsetzung seiner Portfolios nur intern oder mit seinen bevorzugten Partnern durchführte.

„Das Ergebnis war damals, dass wir unsere erste Indexlösung entwickeln und realisieren und die laufende Verwaltung an Standard & Poor’s (S&P) auslagern würden. Dies verschaffte dem Kunden Zugang zum Besten aus beiden Welten: Geistiges Eigentum von Robeco sowie operationelle Exzellenz von S&P.“

Das klingt so, als ob unternehmerischer Geist dazu erforderlich war, dies vom Reißbrett in die Praxis umzusetzen. Gab es Gründe dafür, weshalb Sie keine bestehende Infrastruktur wenden konnten?

Georgi Kyosev: „Der Grund ist der, dass Robeco Indices einen ziemlich speziellen Bereich darstellt. Damit meine ich, dass man ihn nicht mit einem herkömmlichen Indexanbieter vergleichen sollte. Unser Fokus liegt nämlich nicht auf der Indexberechnung, sondern auf unserem geistigen Eigentum auf der Investmentebene, im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Indexkonstruktion. Durch Auslagerung der Indexberechnung wollten wir eine skalierbare Portfoliomanagement-Plattform schaffen. Gleichzeitig wollten wir ein Umfeld sicherstellen, welches Innovation begünstigt.“

„Wir hatten das ehrgeizige Ziel, zu dem Punkt zu gelangen, an dem wir das Rebalancing von 100 Indizes an einem Tag durchführen können. Zum damaligen Zeitpunkt konnten wir das Rebalancing von nur einem Index über einen Zeitraum von fünf Tagen vornehmen. Nachdem einige Jahre vergangen sind, sind wir unserem Ziel deutlich näher gekommen. Aktuell führen wir an einem Tag das Rebalancing von 30 Indizes durch. Dabei ist es faszinierend, dass wir noch weit von unserer operationellen Kapazitätsgrenze entfernt sind und noch reichlich Spielraum für Wachstum haben.“

Herr Yartey, ich könnte mir vorstellen, dass dieser Prozess solide Überwachung- und Kontrollmechanismen erfordert, um ein reibungsloses Funktionieren zu gewährleisten. Können Sie uns mehr darüber erzählen?


Rodney Yartey: „Natürlich! Über die letzten Jahre haben wir ein firmenweites Projekt durchgeführt, das auf die Verbesserung des Enterprise Risk Management Framework von Robeco abzielt. Diese Struktur stellt die Basis für alle Aktivitäten im Bereich Risiko- und Compliance-Management dar und konkretisiert die Prinzipien hinter dem Risikomanagement. Zu diesem Zweck mussten wir auch einen genauen Blick auf die Prozesse, Risiken und Kontrollen im Unternehmen werfen. Um dies effizient und effektiv tun zu können, führten wir sogenannte Risk & Control Self-Assessments (RCSA) durch.“

„Das fiel mit der Neugestaltung des damaligen RCSA-Verfahrens zusammen. Bei der Neuausrichtung des Prozesses stand der Bereich Indices im Vordergrund. Das Sustainable Index Solutions-Team war somit das erste, bei dem das neue und verbesserte RCSA durchgeführt wurde.“

„Dabei konnte Robeco Indices Risiken identifizieren, welche über unsere Risikobereitschaft hinausgingen. Um sie zu auf ein akzeptables Maß zu verringern, wurden mehrere Kontrollmechanismen etabliert. Diese Kontrollen haben für Ordnung gesorgt, die Integrität gestärkt und die Überwachung des Prozesses zur Modellentwicklung verbessert. Außerdem optimierten sie die Prozesse zur Pflege und Validierung des Modells und schufen gleichzeitig eine zusätzliche Struktur neben dem bereits bestehenden quartalsweisen Prozess zum Index-Rebalancing.“

„Zwar mag die Einführung neuer Kontrollmechanismen lästig erscheinen. Jedoch richteten wir diese gezielt auf die Aktivitäten aus, die das Team bereits durchführte. Nach diesen Verbesserungen war es unseres Erachtens an der Zeit, dies im Rahmen eines Jahresberichts zu formalisieren, der zusammen mit unserem externen Wirtschaftsprüfer publiziert wird.“

„Bis Mitte des Jahres 2022 hatte das Team das Verfahren nach dem International Standard on Assurance Engagements (ISAE) 3000 Typ 1 absolviert. Im Hinblick darauf prüfte dieser die Ausgestaltung der eingerichteten Kontrollmechanismen und gab ein positives Urteil dazu ab. In anderen Worten bedeutet das, dass die Indexkontrollen angemessen und sorgfältig gestaltet waren.“

Das klingt gründlich. Jedoch vermute ich, dass auch das anspruchsvollste Risikorahmenwerk ohne teamübergreifende Kooperation nicht effektiv ist. Herr Kyosev, wie steuern Sie die Zusammenarbeit zwischen den Teams?

Georgi Kyosev: „Wir haben gelernt, dass das Rezept für effiziente teamübergreifende Zusammenarbeit in der Formulierung der Verantwortlichkeiten der einzelnen Teams und ihrer Mitglieder liegt. Die erhöhte Transparenz und die klare Definition der Rollen gewährleistet Zurechenbarkeit und erhöht infolgedessen die Kooperation beträchtlich.“

„Eine klare Rollendefinition ist ein wesentliches Element, auf das wir im Rahmen des RCSA-Prozesses den Fokus legten. Das spiegelt sich im angestrebten operativen Modell wider. Die verbesserte abteilungsübergreifende Zusammenarbeit in Verbindung mit den Risikoanalysen und -kontrollen ermöglicht es uns, unser bestehendes Geschäft sicher zu managen und gleichzeitig neue Chancen zu erkunden.“

„Beispielsweise haben wir kürzlich einer neue „SDG Low Carbon“-Indexfamilie entwickelt. Wir treten auch mit neuen Kundengruppen in Dialog. Dazu zählen beispielsweise Investment Banken, die Produkte entwickeln wollen, welche unsere Indizes als zugrundeliegendes Anlageinstrument nutzen.“

„Durch den RCSA-Prozess ist uns bewusst geworden, dass wir durch gutes Risikomanagement mehr Risiko eingehen können. Das mag paradox klingen. Wenn man sich jedoch darauf verlassen kann, dass man seine laufenden Aktivitäten unter Kontrolle hat, ist man selbstbewusster, was die Erkundung neuer Chancen angeht.“

Herr Van Brakel, wenn das Sustainable Index Solutions-Team an innovativen Projekten beteiligt ist, wie managen Sie die damit verbundenen Risiken?

Jean-Paul van Brakel: „Im Zuge des RSCA haben wir die Risiken identifiziert und die notwendigen Kontrollverfahren eingerichtet, die über das Portfoliomanagement, aber auch wichtige andere Prozesse hinausgehen. Dazu zählen die Entwicklung, Validierung und Pflege des Modells.“

„Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Bei jeder Verbesserung eines Modells oder bei jedem neuen Modell, das wir erstellen, untersuchen wir zunächst die Auswirkungen der Änderung auf unsere Strategien und Systeme. Anschließend übermitteln wir mittels Azure DevOps die wichtigsten Entscheidungen und Zwischenschritte an unseren standardisierten Freigabe-Workflow und registrieren die wesentlichen Dokumente in unserem Risikomanagementsystem.“

„Das bedeutet, dass wir Zugang zu den wichtigsten bisherigen Dokumenten jedes Researchprojekts haben, ebenso wie zu den formellen Genehmigungen, die für alle späteren Verbesserungen des Modells erteilt wurden. Dies erlaubt uns eine umfassende Übersicht über alle Modelle, die wir betreiben und formalisiert die Auswirkungen unseres Research.“

Herr Kyosev, wie vereinen Sie dann in Ihrer täglichen Arbeit Kreativität und intensiver Kontrolle unterliegende Tätigkeiten?

Georgi Kyosev: „Möglich ist das nur, indem man das Team mit Diversität im Sinn managt. Das bedeutet, die geeigneten Mitarbeitende an der richtigen Stelle einzusetzen, was zur Schaffung eines kreativitätsfördernden Umfelds beiträgt. Um dies zu erleichtern, verwenden wir einen „Management Drives“-Test, um Persönlichkeiten zu bewerten und Vielfalt in unserem Einstellungsverfahren zu berücksichtigen.“

„Das hilft uns dabei sicherzustellen, dass wir Mitarbeitende einstellen, die sich von den bisherigen Teammitgliedern unterscheiden. Zwar ist es einfacher, mit ähnlichen Menschen zusammenzuarbeiten, doch kann ein solches Umfeld das Denken in der Gruppe fördern. Somit stellen wir absichtlich Leute mit unterschiedlichen Profilen ein, die ihren Kollegen kritische Fragen stellen, deren blinde Flecken ausgleichen und zugleich Kreativität und Innovation fördern.“

„Hinzu kommt, dass ein solches fokussiertes Umfeld voraussetzt, dass wir mit allen relevanten Abteilungen von Robeco effektiv zusammenarbeiten. Dazu zählen die Bereiche Risk, Compliance, Legal, Sales und Product Management.“

Herr Yartev, können Sie uns zeigen, dass Robeco Indices über die richtigen Kontrollverfahren verfügt?

Rodney Yartey: „Ja. Betonen möchte ich, dass es bei dem firmenweiten Projekt zur Optimierung des Risiko- und Kontrollrahmens darum geht, unseren internen und externen Anspruchsgruppen nachzuweisen, dass wir erstens alle Risiken gut managen und zweitens die einschlägigen Gesetze und Vorschriften einhalten.“

„Das angemessene Management unserer Risiken erlaubt uns den optimalen Fokus auf unsere Tätigkeit für die Kundinnen und Kunden. In dieser Hinsicht kann Robeco Indices nachweisen, dass es über geeignete Kontrollen verfügt, indem es die RCSA-Verfahren absolviert, die Risiken identifiziert, angemessene Kontrollmaßnahmen entwickelt und diese wirksam durchführt.“

„Sobald dies geschehen ist, können wir durch den Nachweis dieser Kontrollen in unserem globalen Governance-, Risiko- und Compliance-System (GRC) – das dann von externen Prüfenden auf seine Ausgestaltung und Effektivität überprüft werden kann – belegen, dass der Risiko- und Kontrollrahmen von Robeco Indices wie erwartet funktioniert.“