03-02-2023 · Einblick

Kartierung des Pfads zum Netto-Null-Ziel

Der Weg zu einer Wirtschaft mit netto null CO2-Emissionen wird lang, holprig und disruptiv sein. Um die mit dem Übergang verbundenen Risiken zu bewältigen und die Chancen zu erschließen, benötigen Anleger in die Zukunft gerichtete Kennzahlen. Mithilfe der „Sector Decarbonization Pathways (SDP)“ von Robeco kommen Investoren dem heiligen Gral der Klimaanalytik einen Schritt näher.

    Autoren/Autorinnen

  •  Farahnaz Pashaei Kamali  - Cluster Head - Energy & Utilities

    Farahnaz Pashaei Kamali

    Cluster Head - Energy & Utilities

  • Lucian Peppelenbos - Climate & Biodiversity Strategist

    Lucian Peppelenbos

    Climate & Biodiversity Strategist

Seit dem Pariser Klimaabkommen ist das Bewusstsein für das Thema Klimawandel drastisch gestiegen, insbesondere da sich einst in der Ferne liegende Risiken in Form zunehmend katastrophaler Ereignisse materialisieren. Unter dem Druck regulatorischer Auflagen und abwandernder Kunden riskieren Unternehmen, die nicht schnell genug handeln, im besten Fall niedrige Aktienbewertungen und im schlimmsten Fall den Untergang.

Investoren sind ebenfalls einem Risiko ausgesetzt. Portfolios, die emissionsintensive Positionen beinhalten, sind Übergangsrisiken sowie gravierenden mittel- bis langfristigen Verlusten ausgesetzt. Portfolios einfach um CO2-intensive Sektoren bereinigen, stellt allerdings nicht die effektivste nachhaltige Anlagestrategie dar. Ohne die Emissionen von Sektoren mit hoher Emissionsintensität stark zu senken, wird die Welt niemals das Netto-Null-Ziel erreichen. Eine Desinvestition beraubt Anleger auch der Chance, zu umweltfreundlichen Innovationen von Unternehmen beizutragen, die am Wettlauf um die Dekarbonisierung teilnehmen und vom mit dem Übergang verbundenen Wachstum und den Erträgen profitieren.

Der Ansatz von Robeco

Im Bewusstsein der Tatsache, dass eine Beteiligung an Unternehmen mit hohen Emissionen sowohl mit Risiken als auch Chancen verbunden ist, bevorzugt Robeco einen „Best-in-Sector“-Ansatz. Dieser soll Unternehmen identifizieren, die bei der Reduzierung zukünftiger CO2-Emissionen bis 2050 besser abschneiden als ihre Mitbewerber. Die SDP-Serie von Robeco modelliert und verfolgt die Fortschritte von Unternehmen bei der Reduzierung von CO2-Emissionen innerhalb der jeweiligen Sektoren. Damit sollen die innerhalb eines Sektors künftig führenden Unternehmen von denen abgegrenzt werden, die wahrscheinlich im Rückstand sein werden.

Die meisten Unternehmen haben sich bereit erklärt, ihre Emissionen zu reduzieren. Allerdings stellt die Umsetzung dieser Absichtserklärungen auf glaubwürdige Weise und in rechtzeitiger Form eine eigene Herausforderung dar. Erschwert wird die Sache dadurch, dass in einigen Sektoren die Fortschritte bei der Dekarbonisierung weitgehend an Reduzierungen der Scope 3-Emissionen (Emissionen infolge der Nutzung durch Verbraucher anstelle der Produktion) geknüpft sind. Das schafft ganz andere Bedingungen, da bislang sogar die großen Ölkonzerne bei Kennzahlen für ihren Umweltfußabdruck auf Basis (weitgehend auf operationelle Prozesse bezogener) Scope 1- und Scope 2-Emissionsdaten relativ gut abschneiden konnten.

Obwohl sich die Modelle je nach sektorspezifischen Faktoren leicht unterscheiden, umfassen sie im wesentlichen folgende Merkmale: eine Analyse des Dekarbonisierungsfortschritts, die den Emissionsreduktionspfad eines Unternehmens beschreibt, und eine finanzielle Analyse, bei der die operative und finanzielle Fähigkeit eines Unternehmens zur Erreichung der Dekarbonisierungsziele gemessen wird, sowie Analysen der finanziellen Auswirkungen regulatorischer Vorschriften.

Die SDP-Methodik

Anhand von Klima- und Emissionsszenarien weltweit führender Klimawissenschaftler modellieren SI-Analysten den Dekarbonisierungspfad eines Unternehmens bis 2050 unter Verwendung von rück- und vorausschauenden Emissionsdaten1 (vom Unternehmen offengelegte und prognostizierte Schätzwerte). Die Dekarbonisierungspfade der Unternehmen werden dann mit wissenschaftlich modellierten, sektorspezifischen Benchmark-Pfaden sowie mit Mitbewerbern verglichen, um zu ermitteln, welche Unternehmen am stärksten auf die Ziele ausgerichtet sind. Anschließend wird für jedes Unternehmen ein Dekarbonisierungs-Score für den Grad der Konformität vergeben. Dabei gilt: Je stärker die Ausrichtung auf die Ziele, desto höher der Score. Auch das Timing ist von Bedeutung: die Reduzierung von Emissionen auf kurz- und mittelfristige Sicht zählt mehr als die langfristige. Dementsprechend wird der Score von Unternehmen, welche ihre Emissionsintensität eher früher als später reduzieren wollen, höher ausfallen.

Abbildung 1 | Vergleich der Ziele eines Öl- und Gasunternehmens mit wissenschaftsbasierten Zielen

Abbildung 1 |  Vergleich der Ziele eines Öl- und Gasunternehmens mit wissenschaftsbasierten Zielen

Quelle: Modell vor Robeco; Stand: Dezember 2022

Die blau gepunktete Linie steht für den Zielpfad von Unternehmen A auf Grundlage seiner Angaben zur geplanten Emissionsreduzierung. Die orangefarbene Linie steht für die wissenschaftlich modellierte Benchmark für den Öl- und Gassektor, die dem Ziel einer Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf unter 2°C bis 2050 entspricht (TPI Below 2 °C Pathway oder TPI B2DS). Je stärker die beiden Pfade übereinstimmen, desto besser fällt der Dekarbonisierungs-Score eines Unternehmens aus. 2

Voraussetzung für eine wirklich führende Position ist jedoch, dass die Vorhaben sowohl ehrgeizig als auch glaubwürdig sind. Um die Glaubwürdigkeit zu messen, berechnen die SI-Analysten das erforderliche Investitionsniveau (sowohl Kapital- als auch Betriebsausgaben), das erforderlich ist, um den vom Unternehmen offengelegten Dekarbonisierungspfad zu erreichen, und vergleichen diese mit den aktuellen und geplanten Investitionen des Unternehmens in Technologien zur CO2Reduzierung (z. B. Produktion von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen für den Automobilsektor, saubere und erneuerbare Energieerzeugung für den Öl- und Gassektor). Ein deutlicher Rückstand bei den Investitionen weckt Zweifel an den Absichten eines Unternehmens oder sogar seine Fähigkeit, zukünftige Emissionen zu reduzieren und seine eigenen oder regulatorischen vorgegebenen Emissionsziele zu erreichen.

Nicht zuletzt evaluiert das Modell die finanziellen Auswirkungen von regulatorischen Strafzahlungen, Stranded Assets und und sinkender Nachfrage – wesentliche Gefahren für CO2-intensive Branchen. Die finanziellen Auswirkungen von Strafzahlungen auf den Umsatz (und die Aktienbewertungen) sind zwar derzeit noch unerheblich. Sie werden aber an Bedeutung gewinnen, wenn die Regulierung gestrafft wird und die Reputation von im Rückstand befindlichen Unternehmen leidet.

Speziell bei Öl- und Gasunternehmen werden die Strafzahlung jedoch vernachlässigbar sein verglichen mit den Umsatzeinbußen aufgrund drastisch reduzierter Nachfrage, wenn Regierungen emissionsstarken Unternehmen unter Druck setzen, damit Fortschritte in Bezug auf Netto-Null-Ziele stattfinden. Ein wesentliches Element des SDP für den Öl- und Gassektor besteht darin, dass er die wirtschaftlichen Auswirkungen verringerter Nachfrage und Abschreibungen auf Aktiva (zum Beispiel Fabriken, Immobilien und Ausrüstung) auf den zukünftigen Unternehmenswert erfasst.

Portfolioauswirkungen

Die SDP-Modelle erlauben es Robeco, genau festzustellen, wo sich Unternehmen beim Übergang befinden und wo sie am wahrscheinlichsten in künftigen Jahrzehnten stehen werden. Dadurch können wir das künftige Emissionsprofil im Vergleich zu Mitbewerbern besser antizipieren, künftige Cashflows schätzen sowie den fairen Wert und das Risiko/Rendite-Potential von Aktien und Anleihen genauer ermitteln. Dank Automatisierung ermöglichen die SDP-Modelle den Analysten, kurz-, mittel- und langfristige Dekarbonisierungsfortschritte von tausenden Unternehmen über Produktuniversen und Anlageklassen hinweg zu modellieren und zu bewerten.

Darüber hinaus liefert die detaillierte Analyse der SDP-Evaluierung unseren Engagement-Spezialisten objektive, spezifische und quantifizierte Daten über die Dekarbonisierungsfortschritte eines Unternehmens im Vergleich zu seinen Mitbewerbern. Dies liefert starke Argument für die Priorisierung, Förderung und Beschleunigung von Engagement-Aktivitäten bei Nachzüglern.

Die Pfade wurden für die CO2-intensivsten Sektoren einer Volkswirtschaft konstruiert. Dazu zählen die Bereiche Öl- und Gas, Automobilindustrie, Fleischherstellung, Zement- und Aluminiumsproduktion, Immobilien und Stromerzeugung. Die SDPs sind die jüngste der wegweisenden Innovationen von Robeco, die nachhaltiges Investieren weiter vorantreiben und durch objektive Daten, gründliche Analysen und konsistente Rahmenwerke reale Effekte erzielen.

Hier klicken zum Download des SDP für den Automobilsektor Hier klicken zum Download des SDP für den Öl- und Gassektor