31-03-2021 · Einblick

Wirklich grün werden – wie die EU-Taxonomie nachhaltiges Investieren definiert

Ein Problem in Bezug auf nachhaltiges Investieren besteht darin, wie man es definiert; denn es hat für verschiedene Leute unterschiedliche Bedeutungen. Was ist wirklich nachhaltig? Engagement Specialist Cristina Torres erläutert, wie die EU-Taxonomie erstmals darlegt, was nachhaltig ist.

    Autoren/Autorinnen

  • Cristina Cedillo Torres - Engagement Specialist

    Cristina Cedillo Torres

    Engagement Specialist

Die EU-Taxonomie ist eine neue Verordnung, die den Eckpfeiler des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums bildet. Damit soll ein einheitliches Verständnis erreicht werden, was tatsächlich unter „grünen Wirtschaftstätigkeiten“ zu verstehen ist. Die Taxonomie führt eine gemeinsame Sprache und einheitliche Kriterien ein, um festzustellen, inwieweit Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig betrachtet werden können.

Letztlich besteht das Ziel der Taxonomie darin, Kapitalströme umzulenken in Richtung CO2-ärmerer Wirtschaftstätigkeiten, die zur Dekarbonisierung der Wirtschaft beitragen werden. Die EU hofft, damit ihre Klimaziele für 2030 und das ultimative Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.

Die Taxonomie legt Mindestkriterien fest, die Wirtschaftstätigkeiten einhalten sollten, um als ökologisch nachhaltig angesehen zu werden. Solche Tätigkeiten sollten substanziell zu einem der folgenden sechs Umweltziele beitragen, ohne dass sie den anderen fünf erheblichen Schaden zufügen. Diese Ziele sind:

  • Eindämmung des Klimawandels;

  • Anpassung an den Klimawandel;

  • Schutz von Meeres- und Wasserressourcen;

  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft;

  • Vermeidung von Umweltverschmutzung;

  • Schutz oder Wiederherstellung von biologischer Vielfalt und Ökosystemen.

Außerdem sollten Wirtschaftstätigkeiten unter Beachtung von Mindestschutzmaßnahmen durchgeführt werden. Damit sind die in den OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen und den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte enthaltenen Standards gemeint, wobei die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation besonders zu beachten sind.

Bisher sind nur Wirtschaftstätigkeiten definiert worden, die zu den beiden ersten Umweltzielen beitragen, also zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen. Im November 2020 veröffentlichte die Plattform für nachhaltiges Finanzwesen der EU-Kommission den Entwurf eines delegierten Rechtsakts im Rahmen der Taxonomie-Verordnung mit technischen Screening-Kriterien für 90 zur Eindämmung des Klimawandels und 98 zur Anpassung an diesen beitragenden Aktivitäten. Die EU-Kommission arbeitet zurzeit an den abschließenden technischen Kriterien, die im Rahmen eines die Taxonomie-Verordnung ergänzenden delegierten Rechtsakts verabschiedet werden sollen.

Berichtspflichten

Große börsennotierte Unternehmen mit Sitz in der EU müssen darüber Bericht erstatten, welcher Anteil ihrer Umsätze und Ausgaben im Einklang mit der Taxonomie steht. Diese Unternehmensangaben werden derzeit in zwei Phasen eingeführt. Im laufenden Jahr haben die Unternehmen damit begonnen, den Anteil ihrer Umsätze und Ausgaben an wirtschaftlichen Aktivitäten bekanntzugeben, die gemäß der Taxonomie zu den Zielen Abmilderung des Klimawandels und Anpassung an den Klimawandel beitragen (d. h. anrechenbare Aktivitäten sind).

Ab 2023 müssen die Unternehmen außerdem evaluieren, ob diese anrechenbaren Aktivitäten im Einklang mit den technischen Kriterien der Taxonomie bezüglich aller sechs Umweltziele stehen (d. h. anrechenbare Aktivitäten).

Die technischen Kriterien stellen hohe Ansprüche hinsichtlich der Umweltauswirkungen, die Aktivitäten einhalten müssen, damit ein wesentlicher Beitrag zu einem Umweltziel nachgewiesen werden kann, ohne dass sie ein anderes Ziel erheblich beeinträchtigen. Infolgedessen ist es möglich, dass die Prozentanteile der im Einklang mit der Taxonomie stehenden Aktivitäten , die für das Jahr 2023 angegeben werden, niedriger sind als die für 2022 genannten.

In Frage kommende Fonds

Assetmanager müssen angeben, welcher Prozentsatz des im Rahmen ihrer Fonds verwalteten Vermögens taxonomiekonformen Wirtschaftstätigkeiten zuzuordnen ist. Die Offenlegungsvorschriften gelten lediglich für nach Artikel 8 oder 9 SFDR klassifizierte Fonds, also solche, die ökologische Merkmale aufweisen oder ein Nachhaltigkeitsziel anstreben. Diese Reportinganforderung ist bereits im Januar 2022 im Zuge der Stufe 1 der Regulierung in Kraft getreten. Ab Januar 2023 werden gemäß Stufe 2 zu Finanzprodukten detailliertere Angaben im Rahmen der Berichterstattung erfolgen.

Wir bei Robeco sind der Meinung, dass sich die Taxonomie positiv auf den Markt auswirken wird. Sie wird dafür sorgen, dass institutionelle Investoren und Kleinanleger, Emittenten, politische Entscheidungsträger und Aufsichtsbehörden eine gemeinsame Sprache sprechen. Dies wird zu einer Vereinheitlichung führen und zur Überwindung von greenwashing im nachhaltigen Finanzwesen beitragen. Außerdem werden die Offenlegungen zur Taxonomie-Konformität von Investments Informationen verlässlicher machen und die Vergleichbarkeit und Transparenz hinsichtlich der behaupteten Nachhaltigkeit von Investments verbessern.

Die Herausforderung mit den Daten

Für alle in Betracht kommenden Wirtschaftstätigkeiten legt die Taxonomie detaillierte technische Screening-Kriterien fest, die eingehalten werden müssen, um festzustellen, ob eine bestimmte Tätigkeit Taxonomie-konform ist. Die Fokussierung auf die Ebene der Wirtschaftstätigkeit ist für die meisten Marktteilnehmer neu. Während traditionelle ESG-Scores von Unternehmen auf deren Performance abstellen, verlangt die Taxonomie einen höheren Detaillierungsgrad, um die in Betracht kommenden Tätigkeiten von Unternehmen zu beurteilen.

Um bspw. den Konformitätsgrad eines in der Energiegewinnung aus Wasser- und Windkraft sowie Biomasse tätigen Stromversorgers zu beurteilen, verlangt die Taxonomie-Konformität für jede dieser Tätigkeiten eine Überprüfung anhand der betreffenden technischen Screening-Kriterien. Nur solche Umsatzerlöse oder Aufwendungen, die die Kriterien einhaltenden Tätigkeiten zuzuordnen sind, werden auf den Gesamtprozentsatz der Taxonomie-konformen Umsatzerlöse und Aufwendungen eines Unternehmens angerechnet.

Meldung von Umsatzerlösen und Aufwendungen

Für diese Beurteilung werden Daten benötigt, die von den Unternehmen zurzeit nicht veröffentlicht werden. Wir sehen in dem Mangel an Daten das größte Hindernis für eine einheitliche Umsetzung der Taxonomie auf breiter Basis. Ab 2022 wird von großen börsennotierten Unternehmen erwartet, dass sie ihre Umsatzerlöse und Aufwendungen der Klassifizierung der Taxonomie entsprechend aufschlüsseln. Für außereuropäische Unternehmen gibt es allerdings keine gesetzliche Pflicht zur Offenlegung solcher Daten. Und Datenlücken auf Seiten dieser Unternehmen dürften langfristig bestehen bleiben.

Die EU-Kommission erwägt den Aufbau einer als EU Single Access Point (ESAP) bezeichneten EU-weiten digitalen Plattform, die der Allgemeinheit kostenlosen Zugriff auf finanzielle und nicht finanzielle Informationen von Unternehmen ermöglichen soll. Robeco sieht im ESAP eine gute Gelegenheit, die Lücke bei den Daten zur Nachhaltigkeit zu schließen, die nach der Taxonomie sowie nach anderen bestehenden und zukünftigen Rechtsnormen wie der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) und der so genannten Non-Financial Reporting Directive erforderlich sind.

Maßnahmen zur Schaffung eines „grünen“ Finanzmarkts

Es liegt noch ein weiter Weg vor uns, ehe wir in der Lage sein werden, den Erfolg der Taxonomie zu beurteilen. Auf kurze Sicht blickt alles gespannt auf die erste Runde der Berichterstattung gemäß Stufe 2, die 2023 ansteht. Vorläufigen Analysen zufolge werden die meisten Fonds wahrscheinlich nur eine geringe Taxonomie-Konformität melden.

Eine vom deutschen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit in Auftrag gegebene Studie beurteilte die Konformität von im STOXX 50, CAC 40 und DAX 30 enthaltenen europäischen Unternehmen. Diese hat ergeben, dass weniger als 30 % der Umsatzerlöse der in diesen Indizes enthaltenen Unternehmen aus von der Taxonomie abgedeckten Tätigkeiten stammen und weniger als 2 % die technischen Kriterien vollständig einhalten.

Nach unserer Überzeugung werden nach vollständiger Ausarbeitung der Taxonomie, sodass diese alle sechs Umweltziele umfasst, weitere Wirtschaftsaktivitäten als taxonomiekonform gelten. Sobald die Unternehmen alle erforderlichen Daten offenlegen, wird es für Anleger einfacher festzustellen, welche Tätigkeiten taxonomiekonform sind.

Teil eines weiter gefassten Auftrags

Die Taxonomie ist nur der erste Schritt im Rahmen des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums und gilt als wichtiger Baustein für weitergehende Maßnahmen. Sie ist Grundlage für ein EU-Umweltzeichen für Publikumsfonds, an dem noch gearbeitet wird.

Letztes Jahr veröffentlichte die Technische Expertengruppe für nachhaltiges Finanzwesen ihren Abschlussbericht zu einem EU-Standard für grüne Anleihen. Dieser enthält Empfehlungen zur Einrichtung eines freiwilligen Zertifizierungsprogramms, durch das sichergestellt wird, dass die Verwendung von Emissionserlösen vollständig taxonomiekonform ist. Im zweiten Quartal dieses Jahres will die EU-Kommission ein Gesetzgebungsvorhaben zur Verabschiedung eines solchen Standards auf den Weg bringen.

Finanzinstitute und europäische Unternehmen stehen jetzt erst am Beginn eines Prozesses zur Vereinheitlichung und Formalisierung von ESG-Daten für alle Marktteilnehmer. Wir sind aber optimistisch in Bezug auf die Vorteile, welche die Taxonomie und die sonstigen Maßnahmen im Rahmen des Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums langfristig bringen können. Über die Compliance hinaus wird die Taxonomie Anlegern helfen, Chancen im Zusammenhang mit der Energiewende zu erkennen und nachhaltige Anlageziele zu erreichen.