SI-Debatte

SI-Dilemma: Reicht „ausreichend“ im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit?

Zug oder Flugzeug? Fleisch oder vegetarisches Essen? Klimaneutral oder noch nicht? Anleger im Bereich nachhaltige Investitionen müssen sich oft mit persönlichen Dilemmas auseinandersetzen und sich der Herausforderung stellen, ihr Unternehmen nach den Standards zu führen, die sie von Unternehmen, in die sie investieren, erwarten.

Autoren/Autorinnen

    Head of Sustainable Alpha Research

Zusammenfassung

  1. Schrittweise Änderungen des persönlichen Lebensstils können viel bewirken
  2. Unternehmen erleben einen Konflikt zwischen nachhaltigen Zielen und Wettbewerbsfähigkeit
  3. Anleger müssen komplexe Abwägungen treffen, um Gutes vom Schlechten zu trennen

Das ist nicht einfach. Nicht alle SI-Spezialisten leben vegan, die meisten nehmen noch immer Flüge und kaufen nicht lebensnotwendige Luxusartikel. Auch viele Assetmanager, die sich nachdrücklich dazu verpflichtet haben, Kapital in nachhaltigere Unternehmen zu verlagern und positive Auswirkungen zu unterstützen, sind immer noch auf Geschäftsreisen unterwegs oder bieten Anlagestrategien an, die keine Nachhaltigkeitsaspekte einbeziehen.

Ist das scheinheilig? Wie viel können wir vernünftigerweise von Einzelpersonen und Organisationen erwarten, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?

Auf persönlicher Ebene:

Im UN-Umweltprogramm wird ein nachhaltiges Leben folgendermaßen beschrieben: „Zu verstehen, wie sich unsere Lebensstilentscheidungen auf die Welt um uns herum auswirken, und Wege zu finden, damit jeder besser und leichter leben kann“. Wir kommen nicht umhin, natürliche Ressourcen zu verbrauchen. Wir benötigen sie, um unsere Grundbedürfnisse wie Nahrungsaufnahme, Gesundheit, Wohnen und Leben in der heutigen Gesellschaft zu erfüllen.

Wir können allerdings versuchen, die Natur weniger zu belasten, indem wir unsere Ernährung auf mehr pflanzliche Lebensmittel umstellen, den Zug statt das Auto oder das Flugzeug nehmen und unser persönliches Abfallaufkommen reduzieren. Die meisten Menschen bemühen sich, nachhaltiger zu handeln, nehmen aber in Kauf, dass sie manchmal dennoch das Flugzeug nehmen oder Fleisch essen.

In einer perfekten Welt könnten wir alle versuchen, Greta Thunberg nachzueifern und alles „Schlechte“ aus unserem Lebensstil zu verbannen. In der Realität kann das anstrengend sein und möglicherweise das längerfristige Ziel untergraben. Schrittweise Änderungen und die Beibehaltung eines die Umwelt weniger belastenden Lebensstils könnten letztlich den größten Unterschied bewirken.

Auf Unternehmensebene:

Wie wir als Unternehmen agieren, kann deutlich größere Auswirkungen haben als bei Einzelpersonen. Für Assetmanager, die sich auf nachhaltige Investitionen konzentrieren, stellt sich zudem die Frage nach dem Ruf – wie werden wir den Standards gerecht, die wir von jenen Unternehmen erwarten, in die wir investieren?

Bei Robeco nehmen wir das ernst, zum Beispiel mit einer Verpflichtung zur Klimaneutralität, die mit unseren Erwartungen an die Unternehmen in unserem Portfolio übereinstimmt. Aber um das Ziel zu erreichen, Kapital in nachhaltigere Wirtschaftstätigkeiten zu verlagern, müssen wir im Geschäft bleiben und wettbewerbsfähig sein.

Wie viele Geschäftsreisen sind also hinnehmbar, um mit unseren Kunden in Kontakt zu bleiben und potenzielle Kunden zu treffen? Sollten wir nur Kunden akzeptieren, die nachhaltig investieren wollen? Die Antworten auf diese Fragen können sich auf das künftige Wachstum und die Rentabilität einer Organisation auswirken und sich für einige Unternehmen sogar als existenziell herausstellen.

Leider gibt es keine allgemein passende Antwort. Dinge, die bei einem Unternehmen, in einer Region oder in einem Sektor funktionieren, müssen nicht zwangsläufig woanders funktionieren.

Auf Anlegerebene:

Wir müssen Entscheidungen darüber treffen, worin wir investieren. Der Hauptzweck eines Assetmanagers besteht darin, das Kapital seiner Kunden zu schützen – nicht zu investieren stellt also keine Option dar. Allerdings verbrauchen alle Unternehmen – genau wie alle Menschen – natürliche Ressourcen und hinterlassen einen gewissen ökologischen Fußabdruck.

Völlig nachhaltige Unternehmen existieren einfach nicht. Zu bewerten, wie viele negative Auswirkungen einen akzeptablen Kompromiss darstellen, kann eine schwierige Wertentscheidung sein, ist aber bei nachhaltigen Investitionen absolut notwendig. In seltenen Fällen kann es einfach sein – wenn die Auswirkungen der Produkte eines Unternehmens negativ für die nachhaltige Entwicklung sind, wie z. B. der viel gescholtene Tabaksektor, dann würde kein noch so großer positiver Einfluss als Gegenmaßnahme als akzeptabel angesehen werden.

In der Regel ist die Abwägung jedoch komplexer. Hat zum Beispiel ein Gesundheitsunternehmen, das lebensrettende Arzneimittel herstellt, die an Tieren getestet werden, positive oder negative Auswirkungen? Verschiedene Personen könnten unterschiedlich darüber urteilen, und es könnte andere Aspekte geben, die zu berücksichtigen sind, um zu einer Schlussfolgerung zu kommen, ob ein Unternehmen den geringstmöglichen Schaden verursacht oder besser handeln könnte.

Bei Robeco erleben wir diese Herausforderung bei der Ausarbeitung der Methodik hinter unserem SDG-Rahmenwerk. Wir konzentrieren uns auf die Produkte und Dienstleistungen, die Unternehmen anbieten, um die primären Auswirkungen zu ermitteln, die ein Unternehmen auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung aufweist. Aber wir prüfen ebenfalls, wie sie funktionieren und manchmal auch, wie diese Produkte verwendet werden. Die Gespräche über Methodik und Scoring lösen immer umfangreiche Debatten aus, selbst unter gut informierten Fachleuten.

Mehr Fragen als Antworten

Es bestehen mehr Fragen als Antworten, wenn es darum geht, zu beurteilen, wie man sich in all den oben genannten Situationen verhalten sollte. Letztendlich geht es darum, eine ethische Entscheidung zu treffen. Die meisten Rahmenwerke zur ethischen Entscheidungsfindung erfordern die Feststellung des Problems, die Erfassung der Fakten, die Einbeziehung der Interessengruppen und die Abwägung der Folgen der verschiedenen möglichen Maßnahmen.

Wenn Entscheidungen getroffen werden, ist die Überwachung der Ergebnisse und der Umgang mit unbeabsichtigten Folgen ebenfalls entscheidend, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Unabhängig davon, ob es sich um eine Einzelperson, eine Organisation oder einen Anleger handelt, kann diese Art von Entscheidungsprozess dazu beitragen, die bestmögliche Herangehensweise zu wählen. Vor allem aber kann sie Handlungen und Absichten gegenüber Kunden, Mitarbeitern, Aufsichtsbehörden oder sich selbst rechtfertigen.

Um konstruktiv voranzukommen, müssen wir aber auch anerkennen, dass es keine einheitliche Antwort für alle gibt. Wir befassen uns intensiv damit, „Greenwashing“ in der Finanzdienstleistungsbranche zu verhindern, und es liegt in der Natur des Menschen, Einzelpersonen zu kritisieren, die sich hohe Ziele setzen und diese manchmal verfehlen.

Doch die Angst, ehrgeizige Ziele zu verfehlen oder nicht transparent in der Entscheidungsfindung zu sein, ist langfristig wahrscheinlich nicht so hilfreich wie eine positive Zusammenarbeit und ein Feedback, das uns darin bestärkt, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen.

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