08-03-2023 · Einblick

Sich für Gleichberechtigung einsetzen – Quoten sind gut, Sitze in den Führungsetagen besser

Auch wenn Quoten für Leitungsgremien gut sichtbare Instrumente sind, um das Bewusstsein für geschlechtsspezifische Vorurteile zu stärken und gegen Letztere vorzugehen, müssen Unternehmen, die Diversität ernst nehmen und alle ihre Vorteile nutzen wollen, mehr Frauen in Spitzenpositionen bringen.

    Autoren/Autorinnen

  • Audrey Kaplan - Lead Portfolio Manager

    Audrey Kaplan

    Lead Portfolio Manager

  • Antonis Mantsokis - Active Ownership Analyst

    Antonis Mantsokis

    Active Ownership Analyst

Ende letzten Jahres verpflichtete das EU-Parlament alle an einer EU-Börse notierten Unternehmen, bis 2026 entweder mindestens 40 % Frauen im Aufsichtsrat oder mindestens ein Drittel Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat zu haben.1 Unternehmen, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen, müssen „offenlegen und erläutern“, dass ihr Auswahlverfahren objektiv und nicht diskriminierend ist. Wenn Unternehmen die gesetzten Ziele nicht erreichen und keine ausreichende Erklärung dafür geben, könnten ihnen Geldstrafen und die Ablehnung gewählter Mitglieder von Leitungsorganen drohen. Obwohl es in einigen Mitgliedstaaten bereits Quoten gibt, stellt die neue Richtlinie die erste einheitliche und verbindliche Gesetzesnorm für Geschlechtergleichstellung in der Geschichte der EU dar.

Eine ungleiche Behandlung der Geschlechter ist ungerecht und suboptimal

Die Beschäftigungsquote von Frauen im erwerbsfähigen Alter liegt in der EU bei 66 %, und 60 % der neuen Hochschulabsolventen sind Frauen.2 Doch trotz hervorragender Referenzen und ihres hohen Anteils an der Belegschaft sind Frauen in den Leitungsgremien börsennotierter EU-Unternehmen nur mit 31,5 % vertreten.3 In einigen Mitgliedstaaten liegt ihr Anteil sogar nur im einstelligen Bereich.

Die EU-Richtlinie unterstreicht das Engagement der EU für den „Grundwert“ der Gleichstellung von Männern und Frauen. Dabei geht es aber nicht nur um soziale Wertvorstellungen, sondern auch um erhebliches wirtschaftliches Wertpotenzial. Laut Europäischem Institut für Gleichstellungsfragen würde eine bessere Gleichstellung der Geschlechter das Pro-Kopf-BIP in der EU bis 2050 um bis zu 9,6 % (oder 3 Billionen Euro) erhöhen und damit sogar mehr zum Pro-Kopf-BIP beitragen als Arbeitsmarkt- und Bildungsreformen (siehe Abbildung 1).4

Abbildung 1: Eine bessere Gleichstellung der Geschlechter erhöht das BIP

Abbildung 1: Eine bessere Gleichstellung der Geschlechter erhöht das BIP

Die Abbildung zeigt die positiven Auswirkungen der Geschlechtergleichstellung auf das Pro-Kopf-BIP in der gesamten EU bis 2050, wobei 2015 als Basisjahr dient. Die grüne Linie stellt den BIP Anstieg bei langsam vorankommenden genderspezifischen Reformen dar, die orangefarbene Linie
den BIP-Anstieg im Falle zügigerer Reformen.

Quelle: Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen; 2022.

Quoten für Leitungsgremien – ein wirkungsvolles Mittel

Quoten sind ein wirkungsvolles Mittel, um die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzubringen und für mehr Diversität zu sorgen – zumindest in den Führungsetagen der Unternehmen. In EU-Ländern mit Vorgaben für Gendergerechtigkeit haben Unternehmen in ihren Führungsetagen einen höheren Frauenanteil als in EU-Ländern ohne solche Vorgaben (30,4 % gegenüber 16,6 %).5 Außerdem funktionieren strengere, bei Nichteinhaltung mit Sanktionen bewehrte Richtlinien besser als auf Freiwilligkeit beruhende Maßnahmen. In Norwegen, Frankreich und Italien, wo höhere Quoten mit verpflichtenden Sanktionen verbunden sind, hat sich der Frauenanteil in Leitungsgremien auf 45 %, 44 % bzw. 36 % (von 4 %, 7 % bzw. 10 %) erhöht.6 Die Erfahrungen der EU decken sich mit denen anderer Industrieländer: Ohne Quoten bleibt Frauen der Zugang zu den Führungsetagen weitgehend verwehrt.7

Geschlechterquoten werden auch von Investierenden geschätzt. In den USA, wo es auf Bundesebene keine entsprechenden Vorschriften gibt, setzen sich Investierende dafür ein, dass mehr Frauen in die Leitungsgremien von Unternehmen berufen werden. Kampagnen der drei großen Assetmanagementgesellschaften Blackrock, Vanguard und State Street haben dazu beigetragen, dass sich die Zahl weiblicher Führungskräfte in börsennotierten US-Unternehmen von 2016 bis 2019 auf das 2,5-fache erhöht hat.8 Sogar die Technologiebörse Nasdaq hat für alle dort notierten Unternehmen Anforderungen an die Diversität in ihren Leitungsgremien eingeführt.9

Abbildung 2: Erfolg durch Regulierung: Quoten sind ein wirkungsvolles Mittel, um Frauen in die obersten Führungsetagen zu bringen

Abbildung 2: Erfolg durch Regulierung: Quoten sind ein wirkungsvolles Mittel, um Frauen in die obersten Führungsetagen zu bringen

Die Abbildung zeigt den Fortschritt, wenn Länder bewusst Maßnahmen ergreifen, um Frauen durch Quoten oder Zielvorgaben in Leitungsorgane zu bringen. Quoten sind strenge gesetzliche Vorgaben, während Zielvorgaben weniger strenge Empfehlungen von Regulierungsbehörden an die Unternehmen sind. Genderbezogene Richtlinien für Leitungsgremien können sich von Land zu Land erheblich unterscheiden. Weitere Einzelheiten zu länderspezifischen Unterschieden finden Sie im OECD Gender Report.

Quelle: OECD Gender Report 2022.

Ernüchternde Statistiken aus den Führungsetagen

Der EU-Gesetzgeber hofft, dass dadurch, dass Frauen in Spitzenpositionen eine einheitliche Stimme bekommen, auch Ungleichheiten bei der Entlohnung und Vergütung sowie bei der Förderung von Frauen außerhalb der Führungsetagen abgebaut werden. Bisher durchgeführte Untersuchungen zeigen allerdings, dass Quoten zwar das öffentliche Bewusstsein schärfen und das Management und Engagement in Leitungsgremien verbessern, aber außerhalb der Führungsetagen nur wenig zur Förderung von Geschlechtergleichstellung beitragen.10 In Norwegen, dem ersten Land, das ein weitreichendes Gesetz erlassen hat, hat sich der Frauenanteil in den Führungsetagen um fast 40 % erhöht. Doch an der Vertretung von Frauen im gehobenen Management und an ihrer Bezahlung hat sich nichts geändert.11

Das ist deshalb bedeutsam, weil es in den Führungsetagen mehr Frauen geben sollte, damit die Vorteile von Geschlechtervielfalt bestmöglich ausgeschöpft werden können. Nach Schätzungen von McKinsey ist es bei Unternehmen, die bei der Geschlechtervielfalt in den Führungsetagen zu den obersten 25 % gehören, 15 % wahrscheinlicher, dass sie überdurchschnittlich erfolgreich sein werden. Untersuchungen von Credit Suisse zeigen, dass Unternehmen mit 20 % oder mehr weiblichen Führungskräften eine „Genderdividende“ erwirtschaften, die sich in höheren operativen Margen und Cashflows niederschlägt.12 Andere Studien zeigen, dass eine durch Geschlechterdiversität geprägte Führungsetage finanzielle Risiken senkt, das Management von Humankapital verbessert und Innovationen fördert.13

Trotz der Vorteile ist die Situation in den Führungsetagen für Frauen ernüchternd. In den Jahren 2021/2022 waren weltweit etwa 5 % der CEOs Frauen. Die Zahlen für die EU waren mit 7 bis 8 % nur geringfügig besser.14

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Über die Sitzverteilung in Führungsetagen hinausgehende Betrachtung

Seit ihrer Auflegung im Jahr 2015 hat die RobecoSAM Global Gender Equality Strategy stets anerkannt, dass Frauen in den Führungsetagen zwar ein guter Anfang sind, das tatsächliche Engagement eines Unternehmens für die Geschlechtergleichstellung aber an anderen Merkmalen zu erkennen ist, die über die Sitzverteilung in den Führungsetagen hinausgehen. Unser internes Gender-Scoring-System bewertet Tausende von Unternehmen in unserem Anlageuniversum anhand von 38 Kriterien, die auf wesentliche Kennzahlen für Gleichstellung und Diversität abstellen. Dazu gehören der Frauenanteil in Führungspositionen, gleiche Bezahlung, Mitarbeiterbindung und Work-Life-Balance sowie Diversität in den Führungsetagen und Auswahlverfahren.

Im Rahmen unserer Stewardship-Tätigkeit halten wir Unternehmen an, die besten Marktpraktiken zu übernehmen. In den meisten Industrieländern sollten in den Führungsetagen mindestens 30 % des weniger stark vertretenen Geschlechts sitzen. Zudem unterstützen wir seit langem Beschlussvorschläge von Aktionären, die auf eine stärkere Offenlegung der Auswahlverfahren für Spitzenpositionen und zu Diversitätsaspekten wie z. B. dem Anteil von Frauen und dem Lohngefälle in der Gesamtbelegschaft eines Unternehmens abzielen. Wir wissen um die Stärke einer vielfältigen Belegschaft und haben unsere Aktivitäten zum Schutz der Rechte und zur Förderung von Mitarbeitenden unterschiedlicher Rassen/Ethnien, sexueller Orientierung und Identität, mit Körperbehinderung und psychischen Problemen ausgeweitet.

Ein größerer Instrumentenkasten ist erforderlich

So wie ein Hammer können Quoten die sogenannte gläserne Decke durchbrechen und tragende Strukturen miteinander verbinden. Man braucht aber mehr Instrumente und Materialien, um ein widerstandsfähiges, vielfältiges und optimal funktionierendes Unternehmen aufzubauen. Mit seiner Gender-Strategie und seinem Engagement im Bereich Diversität und Inklusion fördert Robeco Unternehmen, die etwas gegen Ungleichheit in den Führungsetagen tun, aber auch andere Instrumente einsetzen, um die Leistungsfähigkeit von Frauen und anderen „marginalisierten“ Mitarbeitenden voll auszuschöpfen und so robuste Institutionen zu schaffen und solide Renditen zu erzielen.