Biodiversität ist die Summe allen Lebensauf der Erde in all seinen Formen, von einfachen genetischen Strukturen, Pflanzen und Bäumen bis hin zu Tieren, Meeresbewohnern, Bakterien und Menschen. Die Convention on Biological Diversity definiert sie als „die Variabilität zwischen Organismen aller Herkunft, einschließlich terrestrischer, mariner und anderer aquatischer Ökosysteme und der ökologischen Umfelder, zu denen sie gehören. Dazu gehört die Vielfalt innerhalb der Arten, zwischen den Arten und in den Ökosystemen.“

Ökosysteme sind funktionelle Einheiten aus Lebendigem (Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen) und Nicht-Lebendigem (Luft, Mineralien, Wasser), die zusammenwirken und Wälder, Feuchtgebiete, Grasland, Korallenriffe oder andere Naturräume bilden. Der Begriff „Natur“ umfasst das Lebendige und das Nicht-Lebendige, wobei in der Praxis Natur und biologische Vielfalt oft synonym verwendet werden.

Leistungen des Ökosystems sind die Güter und Services, die wir aus der Natur erhalten. Dazu gehören Lebensmittel, Wasser, Fasern, Holz und Arzneimittel, sowie kulturelle Services wie Gärten, Parks und Küsten. Die natürlichen Prozesse bewahren und regenerieren auch den Boden, kontrollieren Überschwemmungen, filtern Schadstoffe, nehmen Abfälle auf, bestäuben Pflanzen, halten den Wasserkreislauf aufrecht, regulieren das Klima und erfüllen viele weitere Funktionen.

Alles in allem ist die Biodiversität für gesunde Ökosysteme unverzichtbar, während der Verlust an biologischer Vielfalt deren Grundlage untergräbt. Ohne sie wäre unsere Wirtschaft und Gesellschaft, wie wir sie kennen, nicht möglich. Die Wechselwirkungen zwischen den biologischen Elementen, die unsere Nahrungsketten bilden, haben sichergestellt, dass die Erde mit ihrer Vielzahl von Arten an Land und im Meer seit Millionen von Jahren bewohnbar ist. Doch nun ist das bedroht.

Forschungen zeigen, dass die biologische Vielfalt heute schneller abnimmt als je zuvor in der Geschichte der Menschheit: Die derzeitige Aussterberate ist zehn- bis hundertmal höher als im Durchschnitt der letzten 10 Millionen Jahre. Deshalb warnen Wissenschaftler, dass wir uns mitten im „sechsten Massenaussterben“ befinden – nach dem fünften, das die Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren auslöschte. ¹

Eine nicht nachhaltige menschliche Entwicklung gefährdet bis zu einer Million Arten, von denen viele innerhalb weniger Jahrzehnte vom Aussterben bedroht sind. Dies geht aus dem Global Assessment of 2019 der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES). Dies wird in der untenstehenden Grafik dargestellt.

Abbildung 1: Aussterberisiken gemäß der Red List der International Union for Conservation of Nature (IUCN)

Quelle: IPBES

Der durchschnittliche Bestand an einheimischen Arten an Land ist seit dem Jahr 1900, als das Aufkommen des motorisierten Landverkehrs einen größeren Teil der Erde für wirtschaftliche Aktivitäten zugänglich wurde, bereits um mindestens 20 % gesunken. In Flüssen und Meeren sind mehr als 40 % der Amphibienarten, fast 33 % der riffbildenden Korallen und mehr als ein Drittel aller Meeressäuger durch nicht nachhaltige Aktivitäten des Menschen bedroht.

Die IPBES hat fünf Hauptursachen für den Verlust an Biodiversität ermittelt. Es handelt sich um folgende: ²

1. Nutzung von Land und Meeren: Dies ist auf die Abholzung der Wälder und die Ausweitung der Landwirtschaft an Land sowie die Überfischung der Meere zurückzuführen, welche den steigenden Bedarf der wachsenden Weltbevölkerung widerspiegeln. Rund 420 Millionen Hektar Wald – eine Fläche halb so groß wie die Vereinigten Staaten – und 86 % der Feuchtgebiete sind seit 1990 verlorengegangen. Gleichzeitig waren 23 % der Flächen weltweit von Degradation betroffen. Rund 30 % der Fischbestände sind durch Überfischung gefährdet
   
   

2. Klimawandel: Aufgrund ständiger Emissionen in die Atmosphäre hat sich die Welt seit Beginn der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert um 1,2 Grad erwärmt. Dies führt zu extremeren Wetterereignissen wie stärkeren Wirbelstürmen, Waldbränden, Überschwemmungen und Dürren. Daher bleibt nur noch wenig Zeit, um bis zum Jahr 2050 CO₂-Neutralität zu erreichen.
   
   

3. Umweltverschmutzung: Die Verschmutzung durch Chemikalien und giftige Abfälle ist tödlich für die Artenvielfalt. Der Einsatz von Pestiziden tötet Bienen und andere wichtige Bestäuber, die für unsere Lebensmittelversorgung von entscheidender Bedeutung sind. Im Jahr 2050 wird die Menge an Plastik in den Ozeanen voraussichtlich größer sein als das Gewicht der darin lebenden Fische. 80 % aller Abwässer, einschließlich der menschlichen Abwässer, werden nicht gereinigt.
   
   

4. Direkte Ausbeutung natürlicher Ressourcen: Branchen wie der Bergbau sind für den Verlust von Lebensräumen verantwortlich, der zur größten Bedrohung für das Überleben der Arten an Land geworden ist. Die Wiederherstellung von nur 15 % der Ökosysteme könnte das Artensterben um 60 % reduzieren und gleichzeitig der lokalen Wirtschaft zugutekommen. ³ Paradoxerweise geht die Gewinnung von Materialien, die für den Übergang zu netto null CO₂-Emissionen unerlässlich sind, z.B. Lithium zur Nutzung in Elektroauto-Batterien, mitunter zulasten der Umwelt.
   
   

5. Invasive Arten: Als Folge der globalisierten Wirtschaft und der Zunahme des modernen Tourismus hat das Einschleppen nicht-heimischer Arten zu 40 % des Artensterbens seit Beginn der Kolonialzeit im 17. Jahrhundert beigetragen. Die von invasiven Schädlinge verursachten Kosten in den besiedelten Teilen der Welt, darunter Australien, Brasilien und die USA, werden auf 137 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt.⁴
   

Der Verlust an Biodiversität ist untrennbar mit dem Klimawandel verbunden – in der Tat werden beide oft als zwei Seiten derselben Medaille gesehen. Die Ozeane sind die größte CO₂-Senke der Welt, da sie Emissionen absorbieren und gleichzeitig Sauerstoff abgeben. Die zunehmende Versauerung der Ozeane zusammen mit der unablässigen Verschmutzung hat laut IPBES dazu geführt, dass 40 % der Weltmeere beeinträchtigt sind.

Die Abholzung der Wälder verschärft den Klimawandel, da bei der Abholzung von Bäumen Milliarden Tonnen an Treibhausgasen freigesetzt werden – speziell wenn sie zur Gewinnung von Landflächen verbrannt werden. Durch den Verlust der Bäume wird gleichzeitig eine der größten CO₂-Senken der Welt reduziert, die wie die Ozeane sowohl Emissionen absorbieren als auch Sauerstoff freisetzen. Nach Angaben des World Economic Forum ist allein die Abholzung der Wälder für etwa 17 % der globalen Erwärmung verantwortlich. ⁵

Die Erhaltung von Wäldern und anderen Ökosystemen wie Torfmooren wird daher als entscheidend für das Erreichen des Ziels des Pariser Klimaabkommens von 2015 angesehen, den globalen Temperaturanstieg bis Ende dieses Jahrhunderts auf 2 °C (idealerweise auf 1,5 °C) zu begrenzen. Laut IPBES könnte eine Wiederaufforstung die Emissionen bis 2030 um bis zu 11,7 Gigatonnen CO₂-Äquivalente pro Jahr senken. Dies entspricht mehr als 40 % der zur Begrenzung der globalen Erwärmung erforderlichen Menge.

Die Lösung liegt in der Korrektur des Trends, d.h. darin, die fünf Ursachen für den Verlust an Biodiversität aufzuhalten und umzukehren, indem die Folgen der menschlichen Produktion und des Konsums verringert werden. Das Global Biodiversity Framework, das 2022 in Kunming-Montreal von 188 Ländern unterzeichnet wurde, sieht vor, dass der Trend bis 2030 unbedingt korrigiert werden muss. Dies wird im nächsten Kapitel ausführlicher behandelt.

Abbildung 2: Korrektur des Trends

Quelle: Robeco, Bloomberg. ⁶

Wie das Pariser Klimaabkommen verlangt dieses Abkommen von den Ländern, Pläne und Ziele zu entwickeln und umzusetzen, die den Übergang zu einer naturverträglicheren Wirtschaft steuern können. Von Unternehmen und Investoren wird erwartet, dass sie ihre diesbezüglichen Risiken und Chancen offenlegen und ihre Geschäftspraktiken und Investitionen auf die Ziele abstimmen. Das Abkommen von Kunming und Montreal bedeutet eine Neuausrichtung unseres Verhaltens.

Verstärkte Naturschutzbemühungen werden jedoch nicht ausreichen, um einen Nettoverlust an Biodiversität zu verhindern. Man muss die Art und Weise, wie Waren produziert und konsumiert werden, entscheidend verändern. Wir müssen es der Natur ermöglichen, unsere Anforderungen an sie zu erfüllen, damit sie weiterhin alle von uns benötigten Dienste und Leistungen erbringen kann. Wir sind auf die Natur angewiesen, um eine bewohnbare und intakte Erde zu haben: Ohne sie können wir keine gesunde Gesellschaft oder Wirtschaft haben. Es gibt keinen „Planeten B“.

Für globale Investoren ist die Korrektur des Trends nicht nur eine erhebliche Herausforderung, sondern bietet auch zwei große Chancen. Wie Abbildung 2 zeigt, ist die erste Chance der Übergang zum Schutz der Biodiversität. Veränderungen von Produktionsmethoden und Konsumverhalten betreffen eine Branche mit einer Marktkapitalisierung von 2,3 Billionen US-Dollar.

Die zweite Chance liegt in den verfügbaren Lösungen. Technologien zur Verringerung von Gefahren, z.B. die Abwasseraufbereitung, repräsentieren einen Wert von rund 800 Milliarden US-Dollar. Darüber hinaus eröffnen biopositive Lösungen wie der organische Pflanzenschutz oder die Bodensanierung ein Investitionspotenzial von weiteren 180 Mrd. Dollar. Wie im nächsten Kapitel erörtert, werden solche Risiken und Chancen für Investoren immer relevanter und bedeutender.

Sie sollten jetzt wissen, wie Biodiversität, Ökosysteme und Ökosystemleistungen definiert werden, die fünf wichtigsten Ursachen für den Verlust an Biodiversität und deren Zusammenhang mit dem Klimawandel verstehen sowie erklären können, welche Lösungen zur Korrektur des Trends sich ergeben, einschließlich riesiger neuer Märkte.

Fußnoten

¹ International Union for the Conservation of Nature https://www.iucn.org/news/commission-environmental-economic-and-social-policy/202205/exploring-possible-futures-conservation-ngos-a-report-luc-hoffmann-institute
² https://www.unep.org/news-and-stories/story/5-key-drivers-nature-crisis
³ Restoring Converted Land Could Help Mitigate Climate Change (azocleantech.com)
⁴ Invasive Pests and Diseases (usda.gov)
⁵https://www.weforum.org/agenda/2017/06/drones-plant-100000-trees-a-day/
⁶ Darstellung auf Basis von: Leclère et al., Nature, 2020, Adam Islaam International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), Citi Research & Global Insights.

Beim Schutz der Biodiversität geht es nicht nur darum, den Lebensraum eines exotischen Frosches zu retten, mehr Bio-Frischprodukte zu essen oder eine wiederverwendbare Wasserflasche zu kaufen. Es ist viel tiefgreifender als das. Einfach ausgedrückt ist die Natur Grundlage für alles, was wir tun. Und ohne sie kann die Welt nicht funktionieren. Das ist nicht nur eine moralische Pflicht, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit.

Laut World Economic Forum (WEF) hängt mehr als die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung in Höhe von 44 Billionen US-Dollar auf irgendeine Art und Weise zumindest moderat oder stark von der Natur ab. In der Lebensmittelproduktion ist das Verhältnis sogar noch höher. So sind über 75 % der weltweiten Nutzpflanzen, einschließlich Obst und Gemüse, von der Bestäubung abhängig.⁷ Wenn natürliche Systeme zusammenbrechen, zum Beispiel wegen des Verlusts an Bienen und anderen Bestäubern, werden auch unsere Wirtschafts- und Finanzsysteme zusammenbrechen.

Abbildung 3: Doppelte Wesentlichkeit im Bereich Biodiversität

Quelle: Robeco

Dennoch geht die Beeinträchtigung der Leistungen des Ökosystems ungebremst weiter. Abgesehen vom unwiderruflichen Verlust bestimmter Arten bedeutet dies einen wirtschaftlichen Verlust von mindestens 479 Milliarden US-Dollar pro Jahr.⁸ Im Jahr 2022 wurde die Schifffahrt auf den Flüssen Europas durch Dürreperioden zum Erliegen gebracht. Dies hatte den Verlust von Industriegütern zur Folge, die nicht verschifft werden konnten. Inzwischen sind etliche Immobilien wegen der Gefahr von Überschwemmungen, Waldbränden oder Erdrutschen in Küstenregionen nicht mehr versicherbar.

Die Umweltzerstörung geht auch mit sozialem Druck einher. Das zeigen die Demonstrationen von niederländischen Landwirten gegen Versuche der Regierung, den Stickstoffgehalt auf landwirtschaftlichen Flächen zu senken. Das Wachstum der Weltwirtschaft in den letzten Jahrzehnten ging weitgehend auf Kosten der Biosphäre. Ein Großteil davon wurde durch ineffiziente oder umweltschädliche Nahrungsmittelproduktion verursacht.

Abbildung 4: Wachstum auf Kosten der Biodiversität

Quelle: Researchgate.net ⁹

Dieser unablässige Angriff auf die kostbare Biosphäre der Erde ist zu einem der größten Risiken für den künftigen Wohlstand der Menschheit geworden. Eine WEF-Umfrage unter mehr als 1.000 Investoren, Politikern und Experten ergab, dass die Befragten dieses Risiko als das dritthöchste globale Risiko nach Schweregrad einstuften – nach dem Klimawandel und den extremen Wetterbedingungen, welche die globale Erwärmung mit sich bringt.

In der Umfrage steht es noch vor Infektionskrankheiten – trotz der jüngsten Erinnerung an Covid-19 - und vor der Art der geoökonomischen Konfrontation, zu der es beim Einmarsch Russlands in die Ukraine kam. Das Tempo des Wandels ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Verlust an Biodiversität vor 2019 nicht als eine der größten Bedrohungen angesehen wurde.

Abbildung 5: Die 10 größten globalen Risiken

Quelle: WEF

Der Verlust an biologischer Vielfalt und eine nicht nachhaltige Abhängigkeit von der Natur wirken sich unmittelbar auf Investitionen in der Realwirtschaft aus. Tools wie Exploring Natural Capital Opportunities, Risks and Exposure (ENCORE) können von Asset Managern dazu genutzt werden, ihre Exponiertheit gegenüber starken Auswirkungen und Abhängigkeiten in Bezug auf Biodiversität zu bewerten. Eine Analyse der von Robeco verwalteten Assets im Jahr 2022 ergab, dass:

• Etwa ein Viertel des Vermögens entfällt auf Sektoren, die in hohem oder sehr hohem Maß von mindestens einer Ökosystemleistung abhängig sind. Die Bereitstellung von Grund- und Oberflächenwasser allein erwies sich als am wichtigsten, gefolgt von der Klimaregulierung und der Aufrechterhaltung des Wasserflusses.

• Rund 29 % der Anlagen entfallen auf Bereiche, die große oder sehr große Auswirkungen auf die Hauptfaktoren für den Verlust an Biodiversität haben können. Die größten Effekte wurden bei der Nutzung von Land und Süßwasser festgestellt, gefolgt von Klimawandel, Verschmutzung und direkten Störungen.

• Das stärkste Exposure in Bezug auf Auswirkungen und/oder Abhängigkeiten wurden in folgenden Branchen festgestellt: Pharmazeutika, Integrierte Telekommunikationsdienste, Spezialchemikalien, Verpackte Lebensmittel und Fleischwaren, Bekleidung, Accessoires und Luxusgüter.

Abbildung 6: Auswirkungen auf das verwaltete Vermögen

Quelle: Robeco

Um den Wert künftiger Auswirkungen auf Investments besser zu verstehen, bewerten die Finanzaufsichtsbehörden seit einigen Jahren die Biodiversität als systemischen Risikofaktor. Derzeit werden Modelle entwickelt, um die Auswirkungen auf finanzielle Risiken und Renditen zu beziffern, auch wenn diese noch nicht ausgereift sind. Auf die regulatorischen Schritte wird im nächsten Kapitel ausführlicher eingegangen.

Gleichzeitig bietet die Natur viele Chancen, die zunehmend ins Bewusstsein rücken. Der Übergang zu einer naturverträglicheren Wirtschaft könnte bis 2030 Geschäftschancen in Höhe von 10 Billionen US-Dollar erschließen und 395 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Dies ergibt sich aus dem WEF-Report Future of Nature and Business.

Dazu müssten drei Wirtschaftssysteme umgestaltet werden, die für fast 80 % der Naturverluste verantwortlich sind: 1. Ernährung, Meeres- und Landnutzung, 2. Infrastruktur und bebaute Umwelt und 3. Energie und Rohstoffgewinnung. Das bedeutet, dass Ökosysteme als wichtige Assets betrachtet werden können, aus denen sich immer noch Kapital schlagen lässt, aber auf eine nachhaltigere Art und Weise.

Abbildung 7: Wandel als Chance nutzen

Quelle: WEF¹⁰

Die Bekämpfung des Wegwerfens von Lebensmitteln bietet eine einfache, aber wirksame Möglichkeit, den Druck auf den Faktor Boden zu verringern. Weltweit geht jedes Jahr etwa ein Drittel der produzierten Lebensmittel verloren. Deshalb würde die Vermeidung dieser Verschwendung Zeit, Energie und Kosten sparen. Auf der Einnahmenseite bedeutet der Wandel der Konsumpräferenzen, angeführt von der Generation der Millennials, dass der Umsatz mit Biolebensmitteln und -getränken voraussichtlich um 14 % pro Jahr steigen wird, und das auf einem Markt, der im Jahr 2022 ein Volumen von rund 200 Mrd. US-Dollar hatte und schnell wächst.¹¹ Auf diese Art von Geschäftschancen wird in Kapitel 4 näher eingegangen.

Die Biodiversität ist auch für Asset Manager von Bedeutung, da sie als Verwalter des Geldes Dritter eine ethische Verantwortung haben und als Interessenvertreter fungieren. Sustainable Investing wird häufig definiert als Erzielung von Erträgen für die heutige (und die in den Ruhestand gehende) Generation, ohne die Bedürfnisse künftiger Generationen zu beeinträchtigen.

Um diesen Verpflichtungen als Sachwalter nachzukommen, verpflichten sich die meisten Asset Manager zu Active Ownership. Dabei nutzen sie ihre Macht als Aktionäre und Anleihengläubiger, um Veränderungen bei den Unternehmen zu bewirken, in die sie investieren und welche von der Natur abhängig sind bzw. sie zerstören. Dies geschieht durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen, entweder einzeln oder gemeinsam mit anderen (siehe Kapitel 4), und durch Abstimmungen auf den Hauptversammlungen der Firmen zu Fragen der Nachhaltigkeit, einschließlich der Biodiversität.

Die Kooperationsgruppe Nature Action 100+ beispielsweise konzentriert sich auf die Zusammenarbeit mit den weltweit größten Verursachern des Verlusts an Biodiversität und arbeitet ähnlich wie die Gruppe Climate Action 100+. Dies wird in Kapitel 4 ausführlicher behandelt.

Vergleichen wir, kurz gesagt, unser Wirtschaftssystem mit einer Nahrungskette, kann der Finanzsektor als die Spitze der Kette angesehen werden. Daher kommt diesem Sektor eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrise zu.

Sie sollten jetzt verstehen, warum die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung hochgradig von der Natur abhängig ist, warum sich auch Geschäftschancen im Volumen von 10 Billionen US-Dollar in den Wachstumsbereichen eröffnen und wie Heatmap-Analysen die anfälligsten Assets veranschaulichen können.

Fußnoten

⁷ Herweijer et al 2020, Nature Risk Rising: why the crisis engulfing nature matters for business and the economy, World Economic Forum
⁸ https://naturalcapital.finance/wp-content/uploads/2020/06/Beyond-Business-as-Usual-EN.pdf
⁹ https://www.researchgate.net/figure/Global-Wealth-per-Capita-1992-2014-Source-Managi-and-Kumar-2018_fig8_356273136
¹⁰ https://www3.weforum.org/docs/WEF_The_Future_Of_Nature_And_Business_2020.pdf
¹¹ Packaged Facts, OTA Survey, Maximize Market Research

Die biologische Vielfalt genießt noch nicht denselben hohen Stellenwert wie der Klimawandel, was Gesetzgebung, Regulierung oder Interesse von Investoren betrifft – aber das ändert sich gerade. Mehrere internationale Gipfeltreffen und Initiativen haben begonnen, diesem Thema Vorrang einzuräumen. Gleichzeitig entwickelt die EU einen eigenen Ansatz, der sich ganz dem Schutz der Biodiversität widmet.

Inzwischen gibt es eine wachsende Zahl von Investoren-Tools und Kooperationen, die dazu beitragen, den Verlust an biologischer Vielfalt zu verhindern. Viele davon entsprechen den bestehenden Initiativen zur Bekämpfung der globalen Erwärmung. Gesetzgebung, Regulierung und Kooperationen konzentrieren sich daher zunehmend darauf, Biodiversität und Klimawandel als „doppelten Problemfall“ zu behandeln.

Der erste große Versuch, die biologische Vielfalt zu schützen, wurde mit der Convention on Biological Diversity unternommen, die 1992 auf dem Earth Summit in Rio de Janeiro verabschiedet wurde. Darin wurde ein Rahmen für die mittelfristige Finanzierung des Schutzes der biologischen Vielfalt festgelegt, der von 196 Ländern ratifiziert wurde. Seit 1994 tagt alle zwei Jahre eine zu dem Übereinkommen gehörende Conference of the Parties (COP).

Abbildung 8: Globaler Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal

Quelle: Convention on Biological Diversity¹²

Das jüngste Treffen, COP 15, wurde in zwei Teilen abgehalten: 2021 im chinesischen Kunming und 2022 in Montreal, Kanada. Daraus ergab sich das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) mit der Vision, dass bis 2030 keine Naturverluste mehr stattfinden und danach bis 2050 eine Entwicklung im Einklang mit der Natur zu erreichen.

Um dies zu erreichen, wurden vier Ziele festgelegt:

• Erhaltung und Wiederherstellung der Integrität der natürlichen Ökosysteme der Erde bis 2050

• Wirtschaftlichere und nachhaltigere Nutzung der natürlichen Ressourcen

• Angemessenere Teilung dieser Ressourcen mit der einheimischen Bevölkerung und

• Schließung der Finanzierungslücke im Bereich Biodiversität von 700 Mrd. US-Dollar pro Jahr zwischen entwickelten und aufstrebenden Ländern. ¹³
  

Die Ziele enthalten 23 Unterziele, von denen Ziel „30 bis 30“ am wichtigsten ist. Ziel ist es dabei, bis 2030 30 % der weltweiten Land- und Meeresfläche als Schutzgebiete auszuweisen. Erreicht werden soll dies durch die regelmäßige Anpassung der nationalen Ziele und Strategien sowie durch die entsprechende Ausrichtung von Geschäftsmodellen und Finanzströmen. Das Ziel für 2030 ist somit in Bezug auf Biodiversität das Äquivalent zum Netto-Null-Ziel für 2050 und der Zeithorizont für die Korrektur des Trends, wie in Kapitel 1 beschrieben.

Weitere wichtige Ziele sind die Halbierung der Lebensmittelabfälle, die Halbierung der Auswirkungen von überschüssigen Nährstoffen und Agrochemikalien, die Vermeidung von Plastikabfällen, die Reduktion schädlicher Subventionen und die Verpflichtung von Unternehmen und Investoren, ihre naturbezogenen Risiken offenzulegen und ihre Aktivitäten auf die Ziele auszurichten.

Der Ehrgeiz des GBF wird in der Feststellung deutlich, „dass es ein gemeinsames Anliegen der Menschheit ist, den Verlust an biologischer Vielfalt zum Nutzen aller Lebewesen rückgängig zu machen“. Seine Unterstützer hoffen, dass es den gleichen Status wie das Pariser Klimaabkommen erhalten wird.

Die für das des Finanzsystem zuständigen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden spielen eine Schlüsselrolle, da sie den Ton für die Marktteilnehmer in den jeweiligen Ländern angeben. Das Network for Greening the Financial System (NGFS) ist ein Zusammenschluss von Finanzaufsichtsbehörden mit dem übergreifenden Auftrag, die Welt nachhaltiger zu gestalten, einschließlich der Reaktion auf den Klimawandel.

Das NGFS erkennt an, dass naturbezogene Risiken erhebliche gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben können und daher von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden berücksichtigt werden sollten. Es strebt an, die Berücksichtigung naturbezogener Risiken zu verankern und Offenlegungspflichten für Finanzinstitute bei der Evaluierung dieser Risiken festzulegen.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) nimmt eine eigene Bewertung von Biodiversitätsrisiken im EU-Finanzsystem vor, nachdem sie festgestellt hatte, dass 75 % der Bankkredite im Euroraum an Unternehmen vergeben werden, die von der Natur abhängig sind.

Die EU hat eine eigene Biodiversity Strategy entwickelt, welche die Biodiversität bis 2030 auf den Weg der Erholung bringen soll und die spezifische Maßnahmen und Verpflichtungen enthält.¹⁴ Er ist Teil des umfassenderen European Green Deal, der darauf abzielt, dass der Länderblock sich in Richtung netto null CO₂-Emissionen bewegt, naturverträglich wird und eine stärker kreislauforientierte Wirtschaft schafft.

Die Strategie enthält spezifische Verpflichtungen und Schritte, die bis 2030 umgesetzt werden sollen, und wird sorgfältig in entsprechende Gesetze aufgenommen. So hat die EU vor kurzem ihr erstes Nature Restoration Law verabschiedet. Dieses enthält ein übergreifendes Ziel zur Wiederherstellung für die Land- und Meeresgebiete der EU mit verbindlichen Zielen für bestimmte Lebensräume und Arten. ¹⁵

Im Juni 2023 tritt eine EU-Verordnung in Bezug auf Entwaldung in Kraft. Mit dem neuen Gesetz soll sichergestellt werden, dass wichtige Waren, die in die EU exportiert oder auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht werden, nicht mit der Abholzung oder Schädigung von Wäldern in globalen Lieferketten einhergehen.¹⁶ Weitere Gesetze zu Themen wie Pestizide, Wasserqualität und Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) sind in Vorbereitung. Diese tragen in hohem Maße zur Umweltverschmutzung bei, die zum Verlust an Biodiversität beiträgt und auf die in Kapitel 5 näher eingegangen wird.

Was die spezifischen Vorschriften für den Finanzsektor betrifft, so schreibt die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) vor, dass Investoren die wichtigsten Indikatoren für negative Auswirkungen, einschließlich der Auswirkungen auf die Biodiversität, beachten müssen.¹⁷ Schließlich wird die EU-Taxonomie einen Abschnitt mit der Überschrift enthalten: „Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme“. Darin wird definiert, welche Arten von Investments tatsächlich dem Verlust an Biodiversität entgegenwirken.¹⁸

Sie sollten nun in der Lage sein zu erklären, warum über das Kunming-Montreal-Rahmenwerk angestrebt wird, dass bis 2030 kein weiterer Naturverlust mehr stattfindet, welche Rolle Zentralbanken, Regulierungs- und Finanzaufsichtsbehörden spielen und welche Vision hinter der EU-Biodiversitätsstrategie als Teil des europäischen Grünen Deals steht.

Fußnoten

¹² https://www.cbd.int/gbf/
¹³ https://www.cbd.int/conferences/post2020
¹⁴ https://environment.ec.europa.eu/strategy/biodiversity-strategy-2030_en#
¹⁵ https://environment.ec.europa.eu/topics/nature-and-biodiversity/nature-restoration-law_en
¹⁶ https://environment.ec.europa.eu/news/green-deal-new-law-fight-global-deforestation-and-forest-degradation-driven-eu-production-and-2023-06-29_en
¹⁷ https://finance.ec.europa.eu/regulation-and-supervision/financial-services-legislation/implementing-and-delegated-acts/sustainable-finance-disclosures-regulation_en
¹⁸ https://finance.ec.europa.eu/system/files/2021-04/sustainable-finance-taxonomy-faq_en.pdf

Der Verlust an biologischer Vielfalt ist ein relativ neues Thema für Investoren. Noch vor zwei Jahren sagten nur 5 % der im Rahmen des Robeco 2021 Global Climate Survey befragten Asset-Eigner oder Asset Manager, dass Biodiversität in den nächsten zwei Jahren für ihre Anlagepolitik von „zentraler Bedeutung“ sein werde, während 16 % sagten, dass sie von „großer Bedeutung“ sei. In der Umfrage von 2023 waren diese Antworten auf 18 % bzw. 48 % gestiegen, womit das Thema Biodiversität zum Mainstream wurde.

Abbildung 9: Ergebnisse des Robeco Global Climate Survey 2023

Quelle: Robeco 2023 Global Climate Survey

Es fehlte jedoch eine Möglichkeit, diese Art von Engagement zu quantifizieren. Bis 2023 gab es kein allgemein anerkanntes Verfahren, um die Auswirkungen von Unternehmen und Investoren auf die Biodiversität tatsächlich zu evaluieren und darüber zu berichten. Die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) sollte diese Lücke schließen, als sie im Jahr 2023 ihr erstes Rahmenwerk veröffentlichte.¹⁹

Es orientiert sich an der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD), bei dem Unternehmen eine Anleitung zur Berechnung der Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die globale Erwärmung erhalten. Mit breiter Unterstützung von Unternehmen und Anlegern, darunter Robeco, besteht die TNFD aus 40 Mitgliedern, die Finanzinstitute, Unternehmen und Finanzmarktdienstleister mit einem Vermögen von mehr als 20 Billionen USD vertreten.

Die TNFD wird sich auf die Schaffung und Weiterentwicklung eines Rahmens konzentrieren, der es dem Markt ermöglicht, naturbezogene Risiken und Chancen einzupreisen und Kapital entsprechend zu allokieren. Etwa 24 % der Investoren, die am 2023 Climate Survey teilgenommen haben, nannten das Fehlen klarer Berichtsstandards und Offenlegungen als ein Problem, das sie davon abhält, der Biodiversität eine höhere Priorität einzuräumen.

Auf dem Biodiversity Summit der United Nations General Assembly im Jahr 2020 wurde die klare Verpflichtung der Investoren formell festgelegt, der biologischen Vielfalt eine hohe Priorität einzuräumen. Der Finance for Biodiversity Pledge wurde von 26 Finanzinstituten, darunter auch Robeco, unterzeichnet. Er fordert die Regierungen der Welt auf, sich auf wirksame Maßnahmen zu einigen, um den Naturverlust in diesem Jahrzehnt umzukehren und die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme zu sichern.

Mit der Unterzeichnung gingen die Investoren die folgenden Verpflichtungen ein, die bis 2024 erfüllt werden müssen:

Dies führte 2017 zur Gründung von Nature Action 100, einer Kooperation, die das Äquivalent zu Climate Action 100+ darstellt und die 100 größten Emittenten auffordert, ihren CO₂-Fußabdruck zu reduzieren. Nature Action 100 zielt auf dasselbe ab, indem es mit den 100 Unternehmen in Dialog tritt, welche die größten Auswirkungen auf die Biodiversität haben. ²⁰

Die an der Initiative teilnehmenden Investoren werden sich auf den Dialog mit Unternehmen in Schlüsselbereichen konzentrieren, die für die Umkehrung des Verlusts von Natur und biologischer Vielfalt bis 2030 als systemrelevant gelten. Dazu gehören die Segmente Pharmazeutika, Agrarchemikalien, Haushalts- und persönliche Güter, Fleisch und Milchprodukte, Metalle und Bergbau. Diese Bereiche sind aufgrund ihrer großen Auswirkungen auf den Verlust von Lebensräumen, die Übernutzung von Ressourcen und die Umweltverschmutzung die Hauptverantwortlichen für den Verlust an Natur.

Robeco hat aus erster Hand Erfahrung in der Zusammenarbeit mit externen Fachleuten , um das Thema Biodiversität in den Investment- und Engagementprozess zu integrieren. Wir haben eng mit dem World Wide Fund for Nature Netherlands (WWF-NL) zusammengearbeitet, um ein Weißbuch für das Jahr 2022 zu erstellen, das eine Blaupause für die künftige Politik darstellt und als Basis für Anlageprodukte mit Ausrichtung auf Biodiversität diente. ²¹

Der WWF-NL arbeitet mit Robeco zusammen, um das Thema biologische Vielfalt im Asset-Management zu integrieren, z.B. durch Beratung bei der Entwicklung und Umsetzung eines Investmentrahmens für Biodiversität. Der WWF-NL berät Robeco nun bei seinen Bemühungen, den Übergang der Unternehmen, in die investiert wird, zu naturfreundlicheren Geschäftsmodellen zu fördern. Die Kooperation zielt auch darauf ab, andere Akteure des Finanzsektors zu inspirieren und dazu zu bringen, den Aspekt Biodiversität in ihre Investments einzubeziehen.

Abbildung 10: Partnerschaft mit dem WWF-NL

Quelle: Robeco

„Der Finanzsektor spielt eine zentrale Rolle bei der Umlenkung von Kapital in Richtung eines naturfreundlichen Finanzsystems, indem er die Finanzströme zugunsten von Geschäftspraktiken umleitet, welche die Natur wiederherstellen können, anstatt sie zu zerstören“, so der WWF-NL. „ Wir fordern den gesamten Finanzsektor auf, naturbezogene Risiken zu verringern und Unternehmen und Portfolios zukunftssicher zu machen, indem sie unverzüglich Verpflichtungen eingehen, Schritte unternehmen und Veränderungen verlangen. Wir glauben, dass ein systemischer Wandel voraussetzt, dass wir neu darüber nachdenken, welche Unternehmen Teil der Lösung für eine naturverträgliche Wirtschaft sind.“

Es gibt viele weitere Initiativen mit dem gemeinsamen Ziel, die biologische Vielfalt zu fördern. Die Finance Sector Deforestation Action beispielsweise ist eine Investorengruppe, welche das Financial Sector Commitment on Eliminating Agricultural Commodity-Driven Deforestation unterzeichnet hat. Dies ergänzt die Bemühungen zum Stopp der Abholzung für Palmölplantagen (siehe unsere Fallstudien in Kapitel 6).

Und das Science Based Targets Network zielt darauf ab, Unternehmen und lokalen Verwaltungen Definitionen für klare Wege zum Umgang mit ihren Auswirkungen und Abhängigkeiten von der Natur bereitzustellen. Es baut auf den Impulsen der Initiative Science Based Targets (SBTi) auf, die Methoden zur Berechnung der Auswirkungen des Klimawandels entwickelt hat. Beide sind Teil der Bemühungen aller Organisationen, die SDGs mit Hilfe von politischen Zwischenzielen messbar voranzubringen.

Sie sollten nun die wichtige Rolle der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures kennen, in der Lage sein, die Investoreninitiativen wie die Finance for Biodiversity Pledge und Nature Action 100 aufzulisten, und wissen, wie Engagement dazu beitragen kann, die Auswirkungen von Unternehmen, in die investiert wird, auf die Biodiversität zu verringern.

Fußnoten

¹⁹ Sustainable investing -Task Force on Nature-related Financial Disclosures (TNFD)
²⁰ https://www.natureaction100.org/
²¹ Robeco launches biodiversity paper and teams up with WWF-NL

Anlagemöglichkeiten in Bezug auf Biodiversität ergeben sich aus der Umstellung von Industrien, Sektoren oder Unternehmen, die großen Einfluss auf einen oder mehrere der fünf Faktoren für den Verlust an biologischer Vielfalt haben. Es geht nicht nur um Bienen und Schmetterlinge – so wichtig diese auch sind – oder um scheinbar einfache Lösungen wie die kommerzielle Aufforstung. Wie beim Klimawandel geht es auch hier um die Umstellung des gesamten Produktionssystems auf eine Kreislaufwirtschaft, die sich positiv auf die Natur auswirkt und netto null CO₂-Emissionen aufweist.

Die Unternehmen können daher den Druck auf die Natur verringern, indem sie ihre Produkte und Dienstleistungen so umgestalten, dass sie diesen Wandel unterstützen. Von den 43.000 börsennotierten Unternehmen weltweit sind derzeit nur 0,01 % als naturpositiv anzusehen. Eine weitere Möglichkeit sind Investitionen in Lösungen wie Aquakultur oder Recycling.

Hier können wir wieder den Trend korrigieren. Die Verringerung des Biodiversitäts- (und CO₂-) Fußabdrucks von Produktion und Konsum durch verstärkte Nutzung zertifizierter nachhaltiger Produkte, Recycling oder eine nachhaltigere Verpackung, um nur einige Beispiele zu nennen. Technologie kann auch in den Bereichen Abfallaufbereitung, CO₂-Abscheidung, Biokraftstoffe und „grüne“ Infrastruktur eine Rolle spielen.

Um das erste Kapitel zu rekapitulieren: Die fünf Hauptursachen für den Verlust an Biodiversität sind die Nutzung von Land und Meer, der Klimawandel, die Verschmutzung, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und invasive Arten. Dies sind die möglichen kommerziellen Lösungen, wobei es einige Überschneidungen zwischen ihnen gibt.

Der bei weitem größte Bereich zur Verringerung des Verlustes an Biodiversität bietet viele Anlagechancen, von einer effizienteren Landbewirtschaftung und der Wiederherstellung von Wäldern oder Feuchtgebieten bis hin zu größerer Produktion von Biolebensmitteln und der Entwicklung von Fleischalternativen. Es geht auch um die Verringerung von Lebensmittelabfällen, die Umgestaltung von Produkten und das Recycling von Materialien, um die Verwendung neuer Materialien im Baugewerbe, in der Bekleidungsindustrie, in der Chemieindustrie und in anderen mineralgewinnenden Branchen zu verringern.

Die Anlagemöglichkeiten erstrecken sich auf den Acker-, Obst- und Gemüseanbau, die Entwicklung von Alternativen zu Pestiziden und stickstoffreichen Düngemitteln sowie den Aufbau einer „grüneren“ Infrastruktur. Der Markt für umweltfreundliche Möbel, bei denen Holz aus nachhaltigen Quellen verwendet wird, wächst jährlich um 7 % auf 38 Mrd. USD. Natürliche Körperpflegeprodukte, die biologisch basierte Inhaltsstoffe anstelle von Chemikalien verwenden, repräsentieren einen Markt mit einem Volumen von rund 13 Milliarden USD. ²²

Der Markt für Biolebensmittel und -getränke hatte im Jahr 2023 ein Volumen von rund 350 Mrd. US-Dollar und soll bis 2026 ein Volumen von 500 Mrd. Dollar erreichen. Dabei wird ab 2019 ein jährliches Wachstum von 30 % erwartet. Ein Teil der Anziehungskraft dieses Marktes besteht darin, dass die Käufer – häufig Millennials – bereit sind, einen Mehrpreis für Lebensmittel zu zahlen, die nicht unter Einsatz von Pestiziden erzeugt wurden.

Abbildung 11: Prognostizierter Markt für Biolebensmittel

Quelle: Robeco

Selbst speziellere Teile des Marktes sind attraktiv: Zum Beispiel entfällt auf probiotische Joghurts, die nicht aus Milch hergestellt werden, ein Umsatz von etwa 18 Milliarden US-Dollar. Der Markt für Fleischalternativen hat ein Volumen von rund 5 Mrd. US-Dollar, während der Markt für Molkereialternativen wie Sojamilch bis zu 16 Mrd. Dollar ausmachen könnte.

Bei den Meeresfrüchten ist letztendlich eine nachhaltigere Fischerei erforderlich, um die Fischbestände zu erhalten. Gleichzeitig ist die Aquakultur – bei der Meeresfrüchte wie Lachs oder Krustentiere gezüchtet werden, manchmal in Binnengewässern – ein wachsendes Geschäftsfeld. Die Biotechnologie trägt dazu bei, da die Lachsimpfung die Sterblichkeitsrate nachweislich von 30 % auf 5 % senken kann, was den Ertrag um 35 % erhöht. ²³

Der größte Markt bei der Bekämpfung des Klimawandels, der sich wiederum auf die biologische Vielfalt auswirkt, ist der Bereich Erneuerbare Energien – der allerdings auch seine Kehrseiten hat. Windkraftanlagen beispielsweise töten jedes Jahr Tausende von Vögeln. Der Beitrag zum übergeordneten Ziel der Emissionsreduzierung ist jedoch von entscheidender Bedeutung, wenn die Welt die Verpflichtungen zu netto null CO₂-Emissionen bis 2050 (Klima) und zum netto null Verlust an Biodiversität bis 2030 erfüllen will.

Dies hat zu nie dagewesenen Anlagemöglichkeiten nicht nur in die Infrastruktur für erneuerbare Energien wie Sonnenkollektoren und Windturbinen geführt, sondern auch in die Technologie dahinter. Der Ausbau der Stromnetze, die für die Bereitstellung von Elektrizität benötigt werden, ist von entscheidender Bedeutung. Dieser Bereich macht 30 % aller für den Übergang zu erneuerbaren Energien erforderlichen Investitionen aus. „Grüner“ Wasserstoff ist auch ein potenziell riesiger Markt, insbesondere im Hinblick auf den Schwerlastverkehr wie Lkw und Schiffe.

Elektroautos bieten eine Möglichkeit, die 1,2 Milliarden benzinbetriebenen Fahrzeuge in der Welt langsam abzulösen, auch wenn dies, wie bei erneuerbaren Energien, oft mit höheren Kosten verbunden ist. Der Abbau von Mangan und Lithium, die beispielsweise für die Batterien von Elektroautos benötigt werden, hat zu Umweltschäden und zur Zerstörung von Lebensräumen geführt. Die Förderung von Rohstoffen am Meeresboden wird als Mittel zur Gewinnung an Land knapper wertvoller Mineralien wie Kobalt angepriesen, ist aber auch mit Umweltkosten verbunden.

Die CO₂-Abscheidung und -speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS), welche die Emission von CO₂ in die Atmosphäre vermeidet, ist immer noch ein kleiner Markt mit einem Volumen von etwa 1,2 Mrd. USD, der jedoch um etwa 20 % pro Jahr wächst. Weltweit sind mehr als 300 CCS-Projekte geplant, mit dem Ziel, bis 2030 jährlich 220 Millionen Tonnen CO₂ abzuscheiden. Es wird erwartet, dass in Entstehung befindliche Technologien wie die direkte Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre an Bedeutung gewinnen und bis 2030 voraussichtlich 60 Millionen Tonnen CO₂ abscheiden werden.²⁴

Abbildung 12: Potentielle Anlagechancen

Quelle: Robeco

Der beste Weg zur Bekämpfung von Verschmutzung ist der, sie gar nicht erst in die Atmosphäre oder in die Gewässer gelangen zu lassen. Das Marktpotenzial für technische Lösungen, die Einwegplastikflaschen überflüssig machen, ist enorm. Gegenwärtig werden 80 % der Einwegplastikflaschen nach dem Verbrauch weggeworfen, und ein Großteil davon verschmutzt die Meere. Die Lösungen konzentrieren sich hier auf Recycling-Technologien und die Entwicklung wiederverwendbarer, biologisch abbaubarer Behälter, die ohne Umweltschäden entsorgt werden können.

Der Markt für die Aufbereitung industrieller Abwässer hat ein Volumen von 12,5 Mrd. US-Dollar, während der Markt für die Entsorgung gefährlicher Abfälle mit 70 Mrd. Dollar wesentlich größer ist. Die Entwicklung natürlicherer Düngemittel gilt als Schlüssel zur Lösung der Stickstoffkrise, bei welcher Stickstoff in die Wasserläufe gelangt und die Bodenqualität allmählich verschlechtert. Lösungen zur Verhinderung der Versauerung, die auch die Auswirkungen von Pestiziden und Düngemitteln neutralisieren, können weiter dazu beitragen, die Beeinträchtigung von Lebensräumen in Flüssen zu verringern.

Ein besonderes Problem sind dabei PFAS. Dazu gehören mehr als 4.700 von Menschen hergestellte Chemikalien mit ähnlicher Molekularstruktur, die seit den 1940er Jahren massenhaft produziert werden. Sie finden sich in allen möglichen Produkten, von Kochgeschirr mit Antihaftbeschichtung über Elektronik und Lebensmittelverpackungen bis hin zu schmutzabweisenden Textilien. ²⁵

Ihre starken, hitzebeständigen chemischen Bindungen werden bei der Herstellung geschaffen und bedeuten, dass sie in der Umwelt praktisch unzerstörbar sind, was ihnen den Spitznamen „Ewigkeitschemikalien“ einbrachte.

Durch ihre jahrzehntelange Verwendung verseuchen sie den Boden und die Gewässer. Bestimmte Formen haben die Nahrungskette durchlaufen und wurden inzwischen auch beim Menschen gefunden. Ihre negativen Auswirkungen auf die Gesundheit haben viele Regierungen, darunter in den USA und in der EU, dazu veranlasst, die Herstellung einiger PFAS zu verbieten.

Wiederaufforstung und nachhaltige Forstwirtschaft sind zu einer wichtigen Anlagemöglichkeit geworden, ebenso wie die Berücksichtigung der Biodiversität in der Infrastruktur. Beispielsweise wächst der Markt für Dachbegrünungen, bei denen Pflanzen in die Flachdächer von Gebäuden integriert werden, um etwa 15 Prozent pro Jahr. Auch die Einplanung von Grünflächen bei der Stadtentwicklung ist in vielen Ländern inzwischen obligatorisch.

Baufirmen und Immobilienentwickler, die in der Lage sind, Energie zu sparen oder intelligentere Baumethoden einzuführen, wie z.B. die Nutzung von Sonnenkollektoren auf Dächern oder die Einsparung von Wasser in Rohrleitungen, dürften einen Wettbewerbsvorteil haben und attraktive Investitionsobjekte sein.

Ein weiterer Markt betrifft rückverfolgbare Materialien. Dabei liegt der Fokus auf einer nachhaltigere Produktion von Lebensmitteln und Fasern sowie auf einer effizienteren Nutzung von Rohstoffen. Zu den Chancen bei rückverfolgbaren Produkten gehören Unternehmen, die nachhaltig zertifizierte Lebensmittel, Kleidung und Hygieneprodukte mit einem hohen Anteil an recyceltem Material, das die biologische Belastung durch Fasern verringert, verarbeiten und verkaufen. Die Zertifizierung von Palmöl, die sicherstellt, dass die Plantagen nachhaltig bewirtschaftet werden und neues Wachstum keine Abholzung verursacht, hat den Druck auf diesem wertvollen Rohstoff deutlich verringert (siehe Kapitel 7 über Fallstudien).

Dort, wo die Umwelt bereits durch Industrien wie Bergbau geschädigt wurde, ist die Sanierung ehemaliger Industriestandorte ein Markt, dessen Volumen auf 92 Mrd. US-Dollar geschätzt wird. Ein immer wichtigerer Weg zum Umgang mit diesem Faktor, besteht darin, natürliche Ressourcen gar nicht erst auszubeuten, sondern vorhandene Ressourcen zu recyceln oder aufzuarbeiten. Dies ist ein Kernpunkt des Prinzips der Kreislaufwirtschaft (siehe Kapitel 6) und des wachsenden Recycling-Markts, der durch Vorschriften unterstützt wird, die zum Ziel haben, Einwegplastik aus dem Verkehr zu ziehen.

Die Anlagemöglichkeiten im Zusammenhang mit der Bekämpfung invasiver Arten sind viel spezieller und konzentrieren sich auf die „Biosicherheit“, d.h. die Verhinderung des Eindringens nicht heimischer Tier- oder Pflanzenarten in ein Gebiet. Zu den Anlagekandidaten gehören Unternehmen, die Technologien zur Erkennung von Insekten entwickeln, die in Containern mit Früchten transportiert werden und die einheimische Tierwelt stören können, wenn sie an Land gelangen.

Das Aufspüren von Parasiten, die im Ballastwasser von Schiffen gefunden werden und dann in die örtlichen Gewässer gelangen, ist ein weiteres Mittel zur Verhinderung invasiver Arten. Mit Hilfe von Biosicherheits-Technologie können auch bereits präsente Arten überwacht werden, um ihre Auswirkungen zu steuern oder zu verringern.

Sie sollten nun erkennen, dass Investments in den Wandel von Branchen, die sich auf die fünf Triebkräfte auswirken, notwendig sind, warum effizientere Flächennutzung und die Bewältigung des Klimawandels entscheidend sind und die vielfältigen Chancen in verschiedenen Sektoren von Biolebensmitteln und Forstwirtschaft bis hin zur Biotechnologie verstehen.

Fußnoten

²²Quellen für die Angaben zu den Marktgrößen: Analysen von Robeco, Global Market Insights GrandView Research, EMR, MENAFN, Allied Market Research, OMR. Einschätzung mit Stand 1. Quartal 2022.
²³ https://www.nature.com/articles/s41598-021-93874-6
²⁴ https://www.iea.org/reports/direct-air-capture
²⁵ Sustainable investing - PFAS

Die Natur ist komplex und umfasst viele verschiedene Aspekte, von der Abholzung der Wälder und Wasserknappheit bis hin zu Umweltverschmutzung und nicht nachhaltiger Landwirtschaft. Anders als beim Klimawandel gibt es daher keine einheitliche, weltweit akzeptierte Messgröße zur Erfassung des Verlusts an biologischer Vielfalt.

Es mag relativ einfach sein, die Anzahl der gefällten Bäume zu bestimmen oder Schätzungen für Fischbestände oder gefährdete Arten mit Methoden zur Schätzung der Folgen über den Lebenszyklus vorzunehmen. Doch die Bewertung der Auswirkungen von Unternehmen auf den Verlust (oder Gewinn) an Biodiversität ist weitaus schwieriger. Hinzu kommt das Verhältnis von Finanzen und Natur, wie in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben.

Ein Teil des Problems besteht darin, dass die Biodiversität im Unterschied zur Bewertung von Emissionen oder Dekarbonisierung zur Berechnung der Bereitschaft von Unternehmen für das Netto-Null-Ziel im Wesentlichen ein lokal begrenztes Phänomen ist. Ein CO₂-Molekül kann überall dort gezählt werden, wo es freigesetzt wird, und man kann CO₂-Äquivalente für Emissionen berechnen. Aber dasselbe gilt nicht mit dem gleichen Maß an Gewissheit für den Verlust an biologischer Vielfalt.

Von den zehn von der TNFD vorgeschlagenen Hauptkennzahlen ist nur die erste für Treibhausgasemissionen relativ leicht zu messen. Dagegen sind vier andere vorgeschlagene Kennzahlen zur Messung des Wasserverbrauchs, der Abfallerzeugung, der Luftschadstoffe und der veränderten Flächennutzung eher fragwürdig. Andere müssen noch genau definiert werden.

In einer globalen Wirtschaft kann es auch sehr schwierig sein, zu wissen, was in der Lieferkette eines Unternehmens geschieht – insbesondere bei der Beschaffung von Rohstoffen wie Holz, Soja oder Palmöl. Satelliten können bei der Erkennung von Abholzungen helfen, aber sie können in der Regel nur große Flächen identifizieren. Der Verlust an biologischer Vielfalt muss immer noch vor Ort untersucht werden, wo der Zugang schwierig sein kann.

Abbildung 13: Der ESA-Satellit Sentinel-1 kann vom Weltraum aus die Abholzung von Wäldern erkennen

Quelle: Europäische Weltraumorganisation (ESA)

Da Biodiversität als Anlagethema noch relativ neu ist, kann es schwierig sein, an Research und Ratings wie bei ESG zu gelangen, obwohl Datenanbieter daran arbeiten, diesen Bedarf zu decken. Und obwohl ESG-Scoring inzwischen weit verbreitet sind, sind nur sehr wenige Datenanbieter in der Lage, dem Rating eines Unternehmens eine Punktzahl zuzuordnen.

Im Robeco Global Climate Survey 2023 wird der „Mangel an geeigneten Investmentdaten, Researchergebnissen und Ratings“ als das größte Problem genannt, mit dem Anleger konfrontiert sind, wenn sie die Biodiversität in ihren Anlageportfolios berücksichtigen wollen. Es folgte „mangelnde interne Expertise“. Nur sehr wenige Investoren verfügen über Spezialisten für Biodiversität, die qualifiziert sind, ihre Anlageteams zu beraten. Stattdessen bauen viele von ihnen Verbindungen zu lokalen Universitäten auf, die externes Fachwissen zur Verfügung stellen können, oder arbeiten mit NGOs zusammen.

Abbildung 14: Welche Hindernisse die 300 am Global Climate Survey teilnehmenden Investoren sehen

Quelle: Robeco 2023 Global Climate Survey

Ein Aspekt, den wir messen können, sind die Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, wenn wir die biologische Vielfalt schützen und einen unumkehrbaren Klimawandel verhindern wollen. Das Stockholm Resilience Centre analysiert die Bedrohung der so genannten „planetarischen Grenzen“ - neun Schwellenwerte für den Fortbestand und die Nachhaltigkeit des Lebens auf der Erde.

Wie in der nachstehenden Grafik dargestellt, sind diese Grenzen (im Uhrzeigersinn von oben) als Klimawandel, neuartige Entitäten, Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre, atmosphärische Aerosolbelastung, Versauerung der Ozeane, biogeochemische Ströme, Süßwassernutzung, Veränderung des Landsystems und Integrität der Biosphäre und Klimawandel gekennzeichnet.

Abbildung 15: Planetare Grenzen

Quelle: Science Advances ²⁶

Nach diesen Untersuchungen sind sechs dieser Grenzen bereits überschritten worden. Am verblüffendsten ist der Bereich der Integrität der Biosphäre. Dort ist die genetische Integrität so stark beeinträchtigt, dass sie als einzige der neun Grenzen das obere Ende der „Hochrisikozone“ erreicht hat. Innerhalb derselben Kategorie befindet sich die funktionelle Integrität der Biosphäre am oberen Ende der „Zone des zunehmenden Risikos“.

Die Bedrohung, die von neuartigen Entitäten ausgeht, liegt ebenfalls im Bereich des zunehmenden Risikos und nähert sich einem hohen Risiko. Dabei handelt es sich um vom Menschen hergestellte Chemikalien, langlebige Schadstoffe wie die PFA und radioaktive Stoffe, die seit Beginn des Atomzeitalters in den 1940er Jahren freigesetzt wurden. Der Bereich der biogeochemische Ströme, die einen niedrigeren Schwellenwert für das Erreichen der Grenze haben, befinden sich in der Hochrisikozone. Diese Ströme untermauern die Rhythmen der Natur und die Art und Weise, wie ökologische Systeme voneinander abhängen.

Für den Klimawandel liegt der Strahlungsantrieb – die Differenz zwischen der Sonnenenergie, die in die Erdatmosphäre eintritt, und der Wärme, die sie verlässt – aufgrund des Treibhauseffekts in der Hochrisikozone, während die CO₂-Konzentration in der Zone des zunehmenden Risikos liegt. Sowohl die Veränderung des Süßwassers als auch die Veränderung des Bodensystems sind in die Zone des zunehmenden Risikos eingetreten.

Nur drei Dinge befinden sich noch im „sicheren Bereich“: der Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre, die Belastung der Atmosphäre durch Aerosole, teilweise dank der schrittweisen Abschaffung von FCKW in Aerosolsprays ab den 1980er Jahren, und die Versauerung der Ozeane. Einige der Schäden, die beispielsweise durch die Aerosolbelastung der Atmosphäre verursacht werden, können jedoch noch nicht vollständig quantifiziert werden. Sie könnten daher gravierender (oder besser) sein als angenommen.

Während die Grenzen auf der globalen Makroebene einen guten Kompass bieten, besteht die Herausforderung darin, sie auf spezifische Sektoren und dann auf Unternehmen zu übertragen. Dafür brauchen wir sektorbezogene Übergangspfade, die als Benchmarks für die Bewertung von Unternehmen dienen, so wie wir es beim Klima mit sektorbezogenen Dekarbonisierungspfaden tun, doch dafür gibt es noch keine wissenschaftlichen Grundlagen.

Ein weiteres Hemmnis, das in der Klimaumfrage genannt wurde, ist der Mangel an geeigneten Anlagestrategien, die speziell auf die biologische Vielfalt ausgerichtet sind. Nur sehr wenige Asset Manager bieten ganz auf Biodiversität ausgerichtete Produkte an; Robeco hat erst im November 2022 seine eigene Biodiversitäts-Aktienstrategie aufgelegt. Alternativ können thematische Anlagestrategien, die auf die SDGs einschließlich der biodiversitätsrelevanten Ziele von SDG 14 (Leben unter Wasser) und SDG 15 (Leben an Land) abzielen, ein Weg in diese Richtung sein.

Abbildung 16: UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs)

Quelle: UN

Darüber hinaus verschleiert Greenwashing nach wie vor die tatsächlichen Auswirkungen von Produkten und Dienstleistungen auf die biologische Vielfalt sowie ein unzureichendes Verständnis des Verhältnisses zwischen Risiko und Ertrag. Die Investoren beklagten sich auch über Vorschriften, die sie daran hindern oder davon abhalten, die Biodiversität zu berücksichtigen, außerdem über mangelhafte Informationen über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Verlust an biologischer Vielfalt.

In der politischen Welt sind die falschen Anreize und Subventionen, die von den Regierungen angeboten werden, eine große Herausforderung. Etwa 1,8 Billionen US-Dollar an Subventionen pro Jahr sind mit Aktivitäten verbunden, die weltweit zur Zerstörung der Natur führen. Dazu zählen die Gewinnung fossiler Brennstoffe und die traditionelle Landwirtschaft. Vor allem in den Schwellenländern fehlt es in der Regel an politischen Rahmenvorgaben.

Nach Angaben der Food and Agriculture Organization der UN (FAO) haben wirtschaftliche Anreize und politische Maßnahmen im Fischereisektor dazu geführt, dass 76 Prozent der weltweiten Meeresfischbestände überfischt sind.²⁷ In ähnlicher Weise haben falsche Anreize – oder einfach nur Korruption – in Bezug auf Land zur Abholzung geführt, die oft von Regierungen unterstützt wird, die auf einen Teil der Einnahmen aus sind.

Außerdem muss der politische Wille vorhanden sein, um beispielsweise von den Regierungen zu verlangen, dass sie die großflächige Abholzung von Wäldern zur Produktion von Nutzpflanzen oder zur Viehzucht nicht mehr zulassen – ob sie dies wollen oder nicht. Die Hälfte der Abholzung erfolgt aus Gründen der Bodenspekulation und nicht wegen des Werts des Holzes. Ein großer Teil davon wird verbrannt und nicht abgeholzt, was den Verlust natürlicher Lebensräume zusätzlich verschärft.

Das meistzitierte Beispiel waren stets die Versuche, die Abholzung im Amazonasgebiet durch den Investor Policy Dialogue on Deforestation zu stoppen. Das wurde als Signal an die Regierungen genutzt, diesen Themen Priorität einzuräumen. Bei anderen Themen gab es geringere Erfolge, z.B. im Hinblick auf die Verkleinerung der riesigen Flotten chinesischer Fischereifahrzeuge im Pazifik oder defekte Solarpaneele, die an indischen Stränden entsorgt wurden.

Der Bergbau in der Tiefsee ist ein weiteres heikles Thema, da Pläne zum Ausbaggern des Meeresbodens zur Gewinnung wertvoller Mineralien auf Gebiete in internationalen Gewässern abzielen, die außerhalb staatlicher Gerichtsbarkeit liegen. Im Juli 2023 forderten 36 Finanzinstitute (darunter Robeco), die ein verwaltetes Vermögen von mehr als 3,3 Billionen Euro repräsentieren, ein Moratorium für die Erteilung von Genehmigungen an Bergbauunternehmen, bis die Umweltfolgen angemessen bewertet werden können.

In der Zwischenzeit stößt die Diplomatie an ihre Grenzen, denn der Westen hat ein großes Problem, wenn er versucht, die Schwellenländer über Nachhaltigkeit zu belehren. Große Teile Europas wurden bereits entwaldet, um den Weg (im wahrsten Sinne des Wortes) für die Art von Wirtschaftswachstum zu ebnen, welche die Schwellenländer nun nachahmen wollen. Das Gleiche gilt für die Aufforderung an die Regierungen der Entwicklungsländer, keine fossilen Brennstoffe zu verwenden, welche die westlichen Volkswirtschaften seit mehr als 200 Jahren antreiben.

Sie sollten nun die Definitions- und Datendilemmata bei der Messung von Auswirkungen kennen, verstehen, wie ein Mangel an Research, Ratings und internem Fachwissen Investoren behindert, und die Makroprobleme mit Anreizen, Subventionen und mangelndem politischen Willen erkennen.

Fußnoten

²⁶https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adh2458
²⁷Agrawal et al (2013),Economic contributions of forests. United Nations Forum on forests, Istanbul, 8-19 April 2013

Die Kreislaufwirtschaft soll das derzeitige, äußerst verschwenderische und zerstörerische lineare Wirtschaftsmodell ersetzen, das auf dem System „Nehmen - Herstellen - Entsorgen“ basiert. Dabei werden Mineralien abgebaut, zu Industrieprodukten verarbeitet und am Ende ihrer Nutzungsdauer entsorgt. Stattdessen wird mehr Wert auf die Wiederverwendung vorhandener Materialien in einer Reihe von Kreisläufen gelegt.

Das Konzept beinhaltet Begriffe wie Recycling, Neugestaltung, Wiederverwendung, Veredelung, Aufarbeitung und Reparatur – um nur die gängigsten Bezeichnungen zu nennen. Damit werden zwei Hauptziele verfolgt. Erstens werden die Ressourcen der Erde effizienter genutzt, indem bereits gewonnene Materialien wiederverwertet werden, ohne dass neue erschlossen werden müssen.

Abbildung 17: Grundsätze der Kreislaufwirtschaft

Quelle: Robeco

Zweitens würden bei einem Einsatz in großem Maßstab Milliarden von Tonnen Abfall vermieden, die auf nicht nachhaltigen Deponien landen oder ins Meer entsorgt werden. Kunststoffverpackungen sind ein besonderes Problem, da 80 Prozent aller produzierten Kunststoffe für den einmaligen Gebrauch bestimmt sind. Jede Minute werden über eine Million Plastikflaschen hergestellt, von denen 91 Prozent nicht recycelt werden.²⁸

Wie bei den Anlagelösungen gegen den Verlust an biologischer Vielfalt ist ein Großteil der Vorteile der Kreislaufwirtschaft mit der Bekämpfung der fünf Triebkräfte verbunden, insbesondere der Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Durch die verstärkte Wieder- und Weiternutzung von Materialien werden der Abbau von Rohstoffen und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Umwelt stark reduziert.

Im Hinblick auf die Faktoren bei der Landnutzung haben moderne landwirtschaftliche Praktiken zu einer Verschlechterung der Böden und einer Verschmutzung der Umwelt geführt. Das gilt insbesondere für den übermäßigen Einsatz von Pestiziden beim Anbau und von Antibiotika in der Tierfütterung, gleichzeitig entfallen 70 Prozent des gesamten Süßwasserverbrauchs auf die Landwirtschaft. Unternehmen, die Alternativen zur traditionellen Landwirtschaft oder Bewässerungstechniken anbieten können, stehen im Mittelpunkt des Konzepts der Kreislaufwirtschaft.

Die Verschwendung von Lebensmitteln führt nicht nur zu unnötigen Mülldeponien, sondern trägt auch zum Klimawandel bei. Ein Viertel der Treibhausgasemissionen stammen aus dem Lebensmittelsystem: 18,4 Prozent entfallen direkt auf die Landwirtschaft, die kommerzielle Forstwirtschaft und andere Formen der Landwirtschaft, während der Rest bei Kühlung, Lebensmittelverarbeitung, Verpackung und Transport entsteht. ²⁹

Ein Effekt des Klimawandels sind seine Auswirkungen auf die fünfte Ursache für den Verlust an biologischer Vielfalt – invasive Arten. Ehemals kühlere Gebiete, die sich nun erwärmen, setzen die Länder krankheitsübertragenden Insekten wie Moskitos aus, die sie bisher noch vermeiden konnten. Stechende Insekten, die bisher nur in tropischen Gebieten vorkamen, werden nun auch in traditionell kühleren Regionen wie Nordeuropa immer häufiger.

Abbildung 18: Die Hauptursachen des Klimawandels

Quelle: Climate Watch, World Resources Institute 2020.

Wie bei allen Aspekten des Naturschutzes handelt es sich hier nicht nur um eine ökologische Frage, sondern auch um eine enorme wirtschaftliche Chance, deren Wert bis 2030 auf 4,5 Billionen US-Dollar geschätzt wird.³⁰ Dies ist zu einem großen Teil aufgrund der Entwicklung neuer Produktionsmittel, Recycling und gemeinsamer Nutzung der Fall. Neue Technologien wie die Entwicklung biologisch abbaubarer Kunststoffe sowie die sich ändernden Konsummuster in Bezug auf länger haltbare Produkte gelten als wichtige Triebkräfte.

Investitionen in die Kreislaufwirtschaft zielen in der Regel auf vier Bereiche ab, in denen viele Unternehmen Produkte herstellen oder Dienstleistungen erbringen: Re-Design von Inputfaktoren, Schlüsseltechnologien, Umsetzung der zirkulären Nutzung und Kreislaufführung von Ressourcen, wie in der folgenden Grafik dargestellt:

Abbildung 19: Investment-Cluster für eine Kreislaufwirtschaft

Quelle: Robeco

Die Verlängerung der Produktlebensdauer ist eine besonders attraktive Perspektive. Denn elektronische Geräte werden in der Regel am Ende ihrer wahrgenommenen Lebensdauer weggeworfen, obwohl es möglich wäre, bis zu 90 Prozent des Produktwerts zu erhalten, indem man ein modulareres und recycelbares Design verwendet. Die Verbesserung von Technologien zur Verlängerung der Batterielebensdauer stellt einen potenziell riesigen Markt für sich dar.

Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft wird immer dringlicher. So üben die zunehmende Verstädterung, eine wachsende konsumfreudige Mittelschicht und eine Weltbevölkerung, die sich der 10-Milliarden-Grenze nähert, einen unhaltbaren Druck auf Ressourcen und Abfallwirtschaft aus. Beim derzeitigen Produktionsniveau benötigt die im Menschheit die Kapazität von 1,7 Erden, um den Verbrauch aufrechtzuerhalten. Bis 2050 wird diese Größenordnung auf drei Erden ansteigen.

Aber es gibt noch viel zu tun: Laut dem Circularity Gap Report 2020 der EU sind nur 9 Prozent der derzeitigen Weltwirtschaft kreislaufgeeignet.³¹ Um die Dinge zu beschleunigen, hat die EU im März 2022 ihren Circular Economy Action Plan auf den Weg gebracht, der mit ihrem Netto-Null-Ziel im Rahmen des europäischen Green Deals im Einklang steht. Zu den Vorschlägen gehören die Förderung nachhaltiger Produkte, die Befähigung der Verbraucher für den „grünen“ Wandel, eine Überprüfung der Bauvorschriften und eine Strategie für nachhaltigere Textilien. ³²

Im November 2022 schlug die Europäische Kommission neue EU-weite Vorschriften für Verpackungen vor. Dazu gehören Maßnahmen zur Verbesserung des Verpackungsdesigns, um ihre Wiederverwendung und ihr Recycling zu fördern, sowie ein Übergang zu biobasierten, biologisch abbaubaren und kompostierbaren Kunststoffen. Das EU-Parlament forderte außerdem strengere Recyclingvorschriften und verbindliche Ziele für 2030 für die Verwendung und den Verbrauch von Materialien im Einklang mit seiner Biodiversity Strategy (siehe Kapitel 3).

Sie sollten nun die Notwendigkeit erkennen, das lineare Wirtschaftssystem „Nehmen – Herstellen – Entsorgen“ zu ersetzen, in der Lage sein zu erläutern, wie durch bessere Flächennutzung und Ressourcennutzung die Verschwendung verringert werden kann und die Anlagechancen in neue Produktionsmittel und Recycling aufzeigen können.

Fußnoten

²⁸ UNEP Food Waste Index Report 2021 | UNEP - UN Environment Programme
²⁹ Emissions by sector - Our World in Data
³⁰ Accenture, ‘Waste to Wealth: Creating advantage in a circular economy’, 2015.
³¹ Circularity Gap Report | European Circular Economy Stakeholder Platform (europa.eu)
³² How the EU wants to achieve a circular economy by 2050 | News | European Parliament (europa.eu)

Alle Unternehmen wirken sich auf die eine oder andere Weise negativ auf die Biodiversität aus, so wie sie auch durch ihre Emissionen in gewissem Maße den Klimawandel beeinflussen. Der Schwerpunkt sowohl bei Investitionen in die biologische Vielfalt als auch bei nachhaltigen Anlagen im weiteren Sinne liegt auf der Verringerung dieser Auswirkungen. Dabei wird ein gewisses Maß an negativen Effekten immer bestehen bleiben – es gibt in der Hinsicht kein Patentrezept.

Bei Investitionen in die biologische Vielfalt liegt daher der Fokus auf der Identifizierung von Unternehmen, die bei diesem Übergang zu einer naturverträglicheren Wirtschaft eine Vorreiterrolle spielen. Nachfolgend einige Beispiele von Unternehmen, die eine führende Rolle bei der Verringerung ihrer Auswirkungen übernehmen und diesen Übergang durch ihre Aktivitäten, Produkte und Dienstleistungen erleichtern.

Um die negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu verringern und zu einer Kreislaufwirtschaft überzugehen, müssen die Produktionssysteme der Unternehmen nachhaltiger werden. Der Lebensmittelriese Nestlé erstellt seit zehn Jahren Ökobilanzen, um die Umweltleistung seiner wichtigsten Produktkategorien zu analysieren und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen.³³

Dazu nutzt Nestlé das Tool Eco-Design for Sustainable Product Development and Introduction (EcodEx). Damit kann der gesamte Lebenszyklus von Produkten anhand von fünf Umweltindikatoren bewertet werden: Erderwärmungspotenzial (Treibhausgasemissionen), Nutzung nicht erneuerbarer Energien und Mineralien, Landnutzung, Süßwasserverbrauch und Auswirkungen auf die Ökosphäre.

Da das Unternehmen als großer Lebensmittel- und Getränkehersteller in hohem Maße von der Natur abhängig ist, ist die Verwendung von zwei Indikatoren für die Biodiversität – Landnutzung und Auswirkungen auf die Ökosphäre – von zentraler Bedeutung für die Bewertung der Gesamtauswirkungen seiner Rohstoffbeschaffung. In den ersten vier Jahren der Nutzung des Tools hatte Nestlé die Nachhaltigkeits-Aspekte für 22 Produktkategorien bewertet und behandelt – einschließlich 7.000 Projekten und 20.600 Szenarien. ³⁴

In einem praktischen Beispiel wurde das LCA zur Untersuchung der Kaffeeproduktion genutzt, die aufgrund des Wasserverbrauchs und der Verpackung große Umweltauswirkungen haben kann. Die Analyse zielte darauf ab, die Energieeffizienz der Erntemaschinen zu verbessern, mehr erneuerbare Energien zu nutzen, die Kaffeebauern bei der Einführung klimafreundlicher landwirtschaftlicher Praktiken zu unterstützen und mehr recyceltes Plastik zu verwenden. Dies führte zu einer Verringerung des CO₂-Fußabdrucks einer Tasse Kaffee um 28 Prozent bis 2020. ³⁵

Die Aquakultur kann die Meere entlasten, indem sie proteinreiche Nahrungsmittel aus einer nachhaltigeren Umgebung liefert. Leroy ist ein norwegischer Fischereibetrieb, zu dessen Haupttätigkeiten die Lachs- und Forellenzucht, der Felchenfang und der Vertrieb von Meeresfrüchten gehören. Das Unternehmen betreibt Fischereifahrzeuge und Fischzuchtbetriebe entlang der norwegischen Küste sowie Verpackungsanlagen in den skandinavischen Ländern und in Südeuropa. Etwa 69 Prozent der Lachsfarmen sind vom Aquaculture Stewardship Council zertifiziert; das Unternehmen strebt diesbezüglich einen Wert von 100 Prozent an.³⁶

Gezüchteter Atlantischer Lachs ist eine ressourceneffiziente Nahrungsquelle mit hoher Futterverwertungsquote – also der Menge an Futter, die benötigt wird, um ein Kilogramm des im Endprodukt enthaltenen Fleisches zu erzeugen. Bei gezüchtetem Atlantiklachs liegt dieser Wert bei 1,3-1,5 kg, einem der niedrigsten Werte in der gesamten Fleischproduktion, verglichen mit 1,8-2,0 kg bei Hühnern, 2,8-5,1 kg bei Schweinen und dem hohen Wert von 6-10 kg bei Rindfleisch.

Abbildung 20: Futterverwertungsgrad

Quelle: Robeco, UN

Der Trend zu Bio-Lebensmitteln ist nicht nur gut für die Käufer – wie in Kapitel 5 beschrieben, ist es auch ein Markt mit einem Volumen von 350 Milliarden US-Dollar, der um 30 Prozent pro Jahr wächst. Ein Unternehmen, das dabei im Mittelpunkt steht, ist Sprouts Farmers Market, das in den USA gesunde Lebensmittelläden betreibt und führend bei der Verringerung der Auswirkungen von Lebensmittelsystemen auf die biologische Vielfalt ist. Das Unternehmen konzentriert sich auf nachhaltig erzeugte Produkte und die Reduzierung von Lebensmittelabfällen.

Im Jahr 2021 entfielen 44 Prozent seines Umsatzes auf nachhaltige Produkte, von denen mehr als die Hälfte aus ökologischem Anbau stammten. Bei etwa 60 Prozent der Abfälle wurde eine Deponierung vermieden, und 78 Prozent der Lebensmittelabfälle wurden verwertet. Das Unternehmen plant, bis 2023 weitere 30 Filialen zu eröffnen, da der Markt für Biolebensmittel insgesamt wächst. Der Markt wird nach wie vor von Millennials bestimmt, die bereit sind, für gesunde und hochwertige Lebensmittel einen Aufpreis zu zahlen.

Die Verbraucher von Biolebensmitteln sind in der Regel jünger und haben Kinder im Haushalt (Generation Z), was eine starke Ertragsquelle für die kommenden Jahrzehnte darstellt. Analysten gehen davon aus, dass diese nächste Generation von Verbrauchern ein „ökologisch bewusstes Verhalten“ an den Tag legen wird. Davon werden nicht nur Biolebensmittel, sondern auch Produkte wie nachhaltige Möbel und recycelte Kleidung profitieren.

Die Biotechnologie ist ein wirksames Instrument, um das Lebensmittelsystem effizienter zu gestalten und weniger auf Pestizide angewiesen zu sein. Novozymes erforscht, produziert und vertreibt über sein weltweites physisches und digitales Vertriebsnetz Enzyme für die Landwirtschaft, die Lebensmittelbranche und die Industrie. Das dänische Unternehmen ist in drei Hauptsegmenten tätig und stellt Enzyme für den Lebensmittel- und Tierfuttermarkt her.

Enzymtechnologien werden aus natürlich vorkommenden Mikroben wie Bakterien und Pilzen abgeleitet und können als Ersatz für chemische Düngemittel eingesetzt werden. Mikrobielle Lösungen zur biologischen Schädlingsbekämpfung bieten auch wirksamen Schutz gegen Insekten und Krankheiten und sind damit eine Lösung für den fünften Grund für den Verlust an biologischer Vielfalt: invasive Arten.

Ein weiteres Unternehmen, das Biotechnologie einsetzt, ist die niederländische Firma DSM. Sie stellt Nahrungsergänzungsmittel, Nährstoffe für die ersten Lebensjahre und Produkte zur Verbesserung der Lebensmitteleffizienz her. Sein natürliches Algenöl Veramaris beispielsweise ist eine Alternative zu Lachsfutter, mit der 60 Tonnen Wildfisch nicht mehr gefangen werden müssen, nur um andere Fische zu füttern. DSM produziert außerdem eine Reihe von Fleischalternativen her. Diese verbessern den Geschmack von Proteinen auf pflanzlicher Basis und können bei pflanzlichen Alternativen eine fleischige Textur nachbilden.

Abbildung 21: Biotech-Lösungen für die Lebensmittelindustrie

Quelle: DSM, Robeco

Die Emissionen müssen gesenkt werden, um sowohl den Klimawandel als auch seine Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu bekämpfen. Es ist relativ einfach, Scope 1-Emissionen zu messen, da diese direkt von einem Unternehmen erzeugt werden. Dasselbe gilt für die Scope 2-Emissionen, die durch die für die Herstellung des Produkts verwendete Energie entstehen. Weitaus schwieriger ist es jedoch, Scope-3-Emissionen zu messen. Denn sie entstehen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, von der ursprünglichen Beschaffung der Rohstoffe (vorgelagert) bis hin zur lebenslangen Nutzung des Produkts durch den Verbraucher (nachgelagert).

Abbildung 22: Scope 1-, 2- und 3-Emissionen

Quelle: Robeco

Dies ist ein besonderes Problem für Unilever, einen der weltweit größten Hersteller von Haushaltsgütern, Lebensmitteln und Getränken. Seine vorgelagerten Scope-3-Emissionen stammen zum großen Teil aus dem Anbau und der Beschaffung von Zutaten und Rohstoffen. Die nachgelagerten Emissionen entstehen vor allem bei der Endnutzung der Produkte, beim Aufkochen des Wasserkochers, um eine Tasse Tee zu kochen, beim Transport der Produkte in die und aus den Supermärkten und schließlich beim Abfall, der am Ende der Lebensdauer des Produkts entsteht.

Im Jahr 2010 begann Unilever mit der Schätzung der vor- und nachgelagerten Emissionen. Dabei wurden sowohl interne als auch externe Quellen herangezogen. Das Unternehmen nahm eine repräsentative Stichprobe von 3.000 Produkten aus 14 Ländern und 12 Segmenten, die 60-70 Prozent des Umsatzvolumens ausmachen. Für jedes Produkt wurden die Emissionen für jede der neun Phasen des Lebenszyklus, von den Inhaltsstoffen und der Verpackung bis zur Verwendung durch den Verbraucher, geschätzt.

Die Ergebnisse der Emissionsstichprobe wurden dann auf das Land und schließlich auf die gesamte Unternehmensebene hochgerechnet. Unilever wollte die Ergebnisse nutzen, um Bereiche mit hohen Emissionen zu ermitteln, die durch bessere Beschaffung, Einsatz von Technologie, optimierte Verpackungen oder andere Schritte zur Emissionssenkung angegangen werden müssen.

Es erwies sich jedoch als zu schwierig, genaue Daten von so vielen Produkten mit so vielen Unbekannten zu erhalten. Daher ließ Unilever die Scope 3-Emissionen als Zielvorgabe im Jahr 2020 fallen, obwohl es weiterhin versucht, Daten dafür zu sammeln. Eine der Hauptquellen für Scope 3-Emissionen ist die Nutzung von Duschen und Bädern unter Verwendung von Unilever-Produkten, und es gibt keine Möglichkeit, die Menge dieser Emissionen genau zu bestimmen.

Palmöl ist eines unserer wichtigsten Konsumgüter: Es ist Bestandteil von fast der Hälfte aller Supermarktprodukte, von Schokolade und Lebensmitteln bis hin zu Waschmitteln und Zahnpasta. Ihre Herstellung ist jedoch mit zahlreichen Problemen der Nachhaltigkeit verbunden, insbesondere mit der Abholzung von Urwäldern für neue Palmen. Die Branche ist mit weiteren ESG-Problemen konfrontiert, zu denen schlechte Arbeitsstandards und hohe CO2-Emissionen gehören. Dort kann Engagement etwas Positives bewirken.

2019 verstärkte Robeco sein Engagement im Bereich Palmöl und forderte von allen Unternehmen, in die Robeco investiert, dass sie Mitglied des Runden Tisches für nachhaltiges Palmöl (RSPO) werden und mindestens 20 Prozent ihrer Plantagen bereits von dieser Organisation zertifiziert sind. Dabei gilt ein klarer Zeitplan für den Übergang zu 100 Prozent. Im Jahr 2022 wurde der Schwellenwert für die RSPO-Zertifizierung auf 50 Prozent angehoben, wobei ein klarer Weg zur Erreichung einer Zertifizierung von mindestens 80 Prozent bis Ende 2024 vorgesehen ist. Diejenigen Unternehmen, welche die Vorgabe nicht erfüllen, werden ausgeschlossen.

Auch mit den Regierungen wurde zusammengearbeitet, um die Entwaldung in Brasilien und Indonesien zu verhindern, und zwar im Rahmen des Investor Policy Dialogue on Deforestation (IPDD), um politische Lücken aufzuzeigen. Im Jahr 2020 fanden Gespräche mit der brasilianischen Regierung statt, um die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds zu stoppen, und im Jahr 2022 mit Indonesien, teilweise im Zusammenhang mit Palmöl.

Obwohl der Dialog in der Regel mit Unternehmen erfolgt, können Asset Manager als Eigner von Staatsanleihen diesen Ansatz auch mit Regierungen verfolgen. Diejenigen, die nicht angemessen reagieren, riskieren auch den Ausschluss aus den Anleiheportfolios. Wir brauchen auch klare Vorschriften und gleiche Wettbewerbsbedingungen, um den Übergang von der Abholzung zur Wiederaufforstung zu erleichtern.

Sie sollten nun verstehen, wie Unternehmen Öko-Tools einsetzen, um ihre Auswirkungen zu verringern, wissen, warum die Biotechnologie Alternativen zu Fischerei und Pestiziden bietet und erklären können, wie Daten zur Darstellung von Emissionen und zum Engagement gegen die Entwaldung genutzt werden.

Fußnoten

³³
https://www.nestle.com/sites/default/files/2020-01/nestle-answers-cdp-climate-2019.pdf
³⁴
https://www.adm-global.org/productionsupporttools/Ecodesign_EcodEX.html
³⁵
https://nestle-nespresso.com/news/Life-Cycle-Analysis-Reducing-our-footprint
³⁶
https://www.leroyseafood.com/en/sustainability/sustainability-library-2022/certifications-and-licenses/#anchor-section-certifications-farming
³⁷ Our approach to sustainable investing in palm oil (robeco.com)

1. Die biologische Vielfalt ist die Summe aller Lebewesen auf der Erde. Die fünf Hauptursachen für den Verlust an Biodiversität sind die Nutzung von Land und Meer, der Klimawandel, die Verschmutzung, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und invasive Arten. Eine Korrektur des Trends ist erforderlich, um diese Verluste zu stoppen und rückgängig zu machen.
   
   

2. Die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung ist hochgradig von der Natur abhängig. Das macht diese zu einem wichtigen Thema für Anleger. Heatmap-Analysen können die anfälligsten Assets veranschaulichen. Abgesehen von den Risiken eröffnet das Thema auch eine Anlagechance im Volumen von 10 Billionen US-Dollar in Unternehmen, die Lösungen in punkto Biodiversität anbieten.
   
   

3. Die globale Regulierung wird vom Kunming-Montreal-Framework angeführt, das darauf abzielt, den Naturverlust bis 2030 zu stoppen. Die EU konzentriert ihre Anstrengungen auf eine Biodiversity Strategy und den weitergefassten European Green Deal. Zentralbanken, Regulierungs- und Finanzaufsichtsbehörden spielen alle eine Rolle bei der Festlegung des rechtlichen Rahmens.
   
   

4. Investoren nutzen Kooperationen, um ihre Ressourcen zu bündeln, und werden die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures nutzen, um ihre Anstrengungen ab 2023 zu quantifizieren. Investitionsmaßnahmen finden im Rahmen des Finance for Biodiversity Pledge statt, und Engagement-Aktivitäten erfolgen über Nature Action 100.
   
   

5. Anlagelösungen zielen auf die Umstellung von Branchen ab, die sich auf die fünf Triebkräfte auswirken, z. B. durch eine effizientere Flächennutzung und die Bewältigung des Klimawandels durch stärkere Investitionen in erneuerbare Energien. Es gibt vielfältige Chancen in verschiedenen Sektoren von Biolebensmitteln und Forstwirtschaft bis hin zur Biotechnologie.
   
   

6. Es gibt allerdings nach wie vor zahlreiche Herausforderungen. Die Investoren stehen vor einem Datendilemma, wenn sie versuchen, die Auswirkungen zu messen. Gleichzeitig behindert ein Mangel an Research, Biodiversitäts-Ratings und interner Expertise ihre Bemühungen. Hinzu kommen makroökonomische Probleme mit Anreizen, schlecht zugeordneten Subventionen und mangelndem politischen Willen.
   
   

7. Eine Antwort stellt die Kreislaufwirtschaft dar, die definitionsgemäß naturverträglich ist. Sie kann sicherlich eine Rolle dabei spielen, Faktoren wie die verschwenderische Nutzung von Ressourcen zu bekämpfen, indem sie das lineare System „Nehmen - Herstellen - Entsorgen“ ersetzt. Die Entwicklung neuer Produktions- und Recyclingverfahren repräsentiert ein Marktvolumen von 4,5 Billionen US-Dollar.
   
   

8. Abschließend zeigen wir anhand von Fallstudien, wie Investments in Biodiversität bereits in der Praxis stattfinden. Große Konsumgüterhersteller setzen Öko-Tools ein, um ihre Auswirkungen zu verringern, und die Biotechnologie bietet Alternativen zu Pestiziden. Datensysteme können Emissionen aufzeichnen, während Engagement dazu beiträgt, die Entwaldung zu stoppen.
   

Wenn Sie sich über alle diese Punkte im Klaren sind, sind Sie bereit, den Test zu absolvieren.