Die Anleger haben ihre Positionierungen im Laufe des Sommers entsprechend geändert. Die vorsichtige Positionierung ist jetzt Netto-Long, und zahlreiche Sell-Side-Strategen haben ihre Spread-Prognosen zum Jahresende gesenkt. Wir vertreten die Meinung, dass sich genau jetzt eine weiterhin vorsichtige Haltung empfiehlt. Wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten haben immer gegolten, und auch dieses Mal dürfte das nicht anders sein. Wenn jemand das Gegenteil behauptet, sollten Anleger vorsichtig sein. In der Vergangenheit haben stärkere geldpolitische Straffungen immer zu einer Rezession geführt, wobei nur der zeitliche Rahmen unterschiedlich ausfiel. Und die jetzige Zinsanhebung war die stärkste seit Jahrzehnten.
Wir haben zwar keine Kristallkugel, sind aber der Meinung, dass die Märkte derzeit zu optimistisch und selbstgefällig sind. Die Faktoren, die Verzögerung bei der geldpolitischen Transmission verursachten, sind jetzt weitgehend nicht mehr wirksam. Die aufgelaufenen Sparguthaben sind fast aufgebraucht, die fiskalischen Hilfen haben ihren Höhepunkt überschritten und die Erholung des Dienstleistungssektors ist abgeschlossen.
Die höheren Zinssätze werden Unternehmen mit niedrigerem Rating bald empfindlich treffen, was zu einer Dekompression zwischen Investment Grade und High Yield führen dürfte. Sobald die Zentralbanken ihre Zinsen nicht mehr erhöhen und die Zinsvolatilität abnimmt, könnten sich die Investment Grade-Märkte im Vergleich zu risikoreichen Anlagen als attraktive Anlageklasse erweisen.
Fundamentaldaten
Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten gültig bleiben und dass dieser Konjunkturzyklus ähnliche Folgen haben wird wie die vergangenen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die politischen Maßnahmen sich etwas verzögert auswirken. Diese längere Verzögerung lässt sich durch das Ungleichgewicht erklären, das die Welt nach Covid zu verdauen hatte: hohe Ersparnisse, eine aufgestaute Nachfrage nach Dienstleistungen und große Auftragsbestände, beispielsweise im Automobilsektor. Darüber hinaus haben fiskalische Hilfspakete Wachstum und Beschäftigung gefördert, insbesondere in den USA. Weshalb meinen wir also, dass die Marktteilnehmer sich zu sehr auf eine weiche Landung verlassen? Unserer Ansicht nach verlieren die gerade erwähnten Faktoren wohl an Wirkung.
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Weshalb meinen wir, dass die Marktteilnehmer sich zu sehr auf eine weiche Landung verlassen?
Ein erster Grund ist, dass die USA zwar von überdimensionierten Konjunkturhilfen profitiert haben, der fiskalische Impuls ab jetzt aber negativ ausfallen wird. Zweitens wird es keine weitere Erholung des Dienstleistungssektors geben, die zusätzlichen Aufwärtsdruck ausübt, was auch der Rückgang des PMI für den Dienstleistungssektor unter 50 verdeutlicht. Und drittens haben die Verbraucher ihre Überschussersparnisse aufgebraucht, und die als sehr hoch empfundene Arbeitsplatzsicherheit kann von diesem Punkt an nur noch sinken. Mit anderen Worten: Es ist schwer vorstellbar, dass die Verbraucherausgaben so stark bleiben, was es den Unternehmen erschweren wird, die Inflation ihrer Inputkosten weiterzugeben.
Das soll aber keineswegs heißen, dass wir eine tiefe Rezession erwarten. Bisher war noch kein Investitionsüberhang zu beobachten, weshalb auch kein Rückgang der Anlageinvestitionen zu erwarten ist, der in der Regel symptomatisch für tiefe Rezessionen ist. Dennoch könnte es später zu Kollateralschäden kommen, wie bei der Krise der Regionalbanken in den USA im März dieses Jahres.
Bewertungen
Die risikofreien Zinssätze stiegen im Laufe des Quartals weiter an, während die Credit Spreads stabil blieben oder sich sogar verengten. Im bisherigen Jahresverlauf war im High-Yield-Bereich in allen Rating-Kategorien eine Kompression zu beobachten, wobei Unternehmensanleihen mit niedrigerem Rating besser abschnitten als solche mit höherem Rating. Daran zeigt sich, dass das Rezessionsrisiko ausgepreist wird. Wir gehen davon aus, dass die Kompression der Rentenmärkte sich in den kommenden Monaten wieder umkehrt, weil der Markt unserer Meinung nach das Risiko einer Rezession unterbewertet. Wir bevorzugen substanzstarke Carry-Positionen, die auf historischer Basis immer noch attraktiv wirken, und vermeiden die risikoreichsten Marktsegmente, wo die Bewertungen im historischen Vergleich sehr hoch sind.
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Technische Situation
Die technischen Daten sind zwar weiterhin nicht günstig, es gibt aber einige positive Indikatoren, die auf Chancen für Investment-Grade-Anleihen hindeuten, wie wir in unserem jüngsten Webinar besprochen haben. Da das Ende der Zinserhöhungen nun in Sicht ist, dürfte eine Phase mit geringerer Zinsvolatilität bevorstehen. Ein Rückgang der Volatilität bereitet den Weg für Carry-Trades, und Investment-Grade-Papiere wären die Nutznießer. In diesem Umfeld besteht auch Aussicht auf niedrigere Renditen bei Staatsanleihen, was gut für das Gesamtergebnis von Investment-Grade-Anleihen sein wird. Für High-Yield-Anleihen ergibt sich daraus jedoch ein anderes Szenario. Diese schneiden in einem Umfeld mit sinkenden Zinsen, die in der Regel mit einer Konjunkturabkühlung und einer Zunahme von Zahlungsausfällen einhergehen, tendenziell schlechter ab.
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Es wäre geradezu ein Wunder gewesen, wenn es den Geldpolitikern gelungen wäre, die Zinssätze genau richtig festzulegen und eine weiche Landung zu bewirken
Es wäre geradezu ein Wunder gewesen, wenn es den Geldpolitikern gelungen wäre, die Zinssätze genau richtig festzulegen und eine weiche Landung zu bewirken, ohne Inflation und unter Bewahrung des Wirtschaftswachstums. Dafür gibt es einfach zu viele Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit den Verzögerungen bei den Auswirkungen der Geldpolitik. Da die Inflation deutlich über den Zielwerten liegt, werden die Zentralbanken voraussichtlich eher ein zu vorsichtiges Vorgehen bevorzugen. Im Nachhinein lässt sich wohl feststellen, dass die Zentralbanken die Zinssätze zu lange zu hoch angesetzt haben, aber angesichts der heutigen Ungewissheit ist ihre Reaktion durchaus nachzuvollziehen. Auf den heutigen Rentenmärkten ist das Risiko einer Rezession wahrscheinlich höher, als der Markt einkalkuliert.
Fazit
Zahlreiche Marktteilnehmer scheinen vom Szenario einer weichen Landung überzeugt zu sein und haben ihre Rezessionserwartungen aufgegeben. Unserer Meinung nach wurde dieser Meinungsumschwung vor allem dadurch ausgelöst, dass die Märkte nicht so reagierten, wie bisher erwartet. Eine vorsichtige Positionierung war in diesem Jahr tatsächlich schmerzhaft, insbesondere bei High-Yield-Anleihen. Das ist für uns aber kein Grund, von unserer Ansicht abzuweichen. Angesichts der optimistischeren Marktpositionierung ist es unseres Erachtens um so wichtiger, im risikoreichsten Segment der Rentenmärkte vorsichtig zu bleiben und die substanzstärkeren Marktbereiche zu bevorzugen. Unternehmen mit Investment-Grade-Rating werden sich in diesem Umfeld voraussichtlich recht gut halten, wenn die Rezession nicht zu tief ausfällt.
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