08-04-2022 · Einblick

SFDR-Klassifizierung: „Gut Ding will Weile haben“

Die Kennzeichnung von Fonds nach ihrer tatsächlichen Nachhaltigkeit gemäß der EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) ist komplizierter, wie es scheint. In diesem Update erklären Carola van Lamoen, Head of Sustainable Investing, Anouk in 't Veld, Expertin für SFDR-Klassifizierungen des Robeco-Produktmanagementteams, und Kenneth Robertson, Kundenportfoliomanager im Robeco SI Center of Expertise, warum es einige Zeit braucht, um für Klarheit zu sorgen.

    Autoren/Autorinnen

  • Carola van Lamoen - Head of Sustainable Investing

    Carola van Lamoen

    Head of Sustainable Investing

  • Anouk in 't Veld - Active Ownership Specialist

    Anouk in 't Veld

    Active Ownership Specialist

  • Kenneth Robertson - Client Portfolio Manager - Sustainable Investing

    Kenneth Robertson

    Client Portfolio Manager - Sustainable Investing

Das SFDR-Klassifizierungsverfahren: Was heute gilt

Im März 2021 traten die Anforderungen der Stufe I der SFDR in Kraft. Unter anderem verlangt die SFDR von Vermögensverwaltern, ihre Fonds einem von drei Artikeln der neuen europaweiten Richtlinie zuzuordnen. Nach diesem System wird eine Strategie entweder unter Artikel 6, 8 oder 9 eingestuft:

  • Artikel 6: Fonds, die nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind

  • Artikel 8: Fonds, die kein nachhaltiges Anlageziel verfolgen, aber ökologische oder soziale Merkmale bewerben, sofern die Unternehmen, in die investiert wird, Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung anwenden.

  • Artikel 9: Fonds, die ein nachhaltiges Anlageziel verfolgen.


Ab Januar 2023 sollen im Rahmen der Umsetzung der SFDR-Stufe II neue regulatorische Elemente eingeführt werden, die sich unter anderem auf den beabsichtigten Prozentsatz nachhaltiger Investments, die beabsichtigte Mindestinvestition in EU-Taxonomie-konformen Anlagen und die Berücksichtigung der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen (Principal Adverse Impacts, PAI) beziehen.

Diese Elemente müssen auch vor dem Hintergrund der Änderungen der MiFID II-Richtlinien als Element der sogenannten Nachhaltigkeitspräferenzen bei Eignungsprüfungen für die Portfolioverwaltung und Anlageberatung berücksichtigt werden.

Es wird erwartet, dass die Anforderungen der SFDR-Stufe II die derzeitigen Klassifizierungen verändern und den Schwerpunkt der Klassifizierung auf die zugrundeliegenden Elemente verlagern werden, wie z. B. den prozentualen Anteil nachhaltiger Investitionen und die Ausrichtung an der Taxonomie, die in den Fonds vorherrscht.

In einem dichten Wald ist es schwer, einzelne Grüntöne zu unterscheiden

Durch die Verlagerung des Schwerpunkts von der Klassifizierung auf die zugrundeliegenden Merkmale der investierten Vermögenswerte soll das aktuelle System optimiert werden. Der Versuch, eine Vielzahl von Fonds mit individuellen Merkmalen in nur drei Gruppen einzuteilen, wird von vielen Anlegern als zu vereinfachend angesehen, um die Vielfalt der Fonds zu erfassen.

Außerdem war die Konzentration auf diese Art der Klassifizierung möglicherweise nicht das, was ursprünglich mit dem Streben nach Transparenz und Offenlegung beabsichtigt war. Eine der häufig genannten Herausforderungen besteht darin, dass das „Spektrum“ der Einstufung nach Artikel 9 recht eingeschränkt ist. Denn Artikel 9 gilt ausschließlich für Fonds, die vollständig nachhaltig sind. Im Gegensatz dazu umfasst die Gruppe der Artikel 8-Fonds ein breites Spektrum an Fonds.1

Einige dieser Artikel 8-Fonds können ökologische oder soziale Merkmale bewerben – jedoch nur im Ausnahmefall. Andere Artikel 8-Fonds finanzieren aktiv Unternehmen, die dazu beitragen, den Übergang zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens oder der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Die Unterschiede sind also ziemlich groß.

Den Übergang unterstützen

Ein potenzielles Paradoxon besteht darin, dass einige Fonds versuchen, sich aktiv in Unternehmen zu engagieren, die für eine Umstellung infrage kommen. Andere wollen in Unternehmen investieren, deren derzeitige Tätigkeit zwar nicht vollständig nachhaltig ist, die aber erheblich in die Umstellung investieren. Diese Fonds werden als Artikel 8-Fonds eingestuft, obwohl sie unter Umständen als wirkungsvoller angesehen werden als andere Artikel 8-Fonds.

Solange jedoch ein erheblicher Teil des Kapitals in Übergangsstrategien fließt und die SFDR wie beabsichtigt funktioniert, sollten schließlich mehr Unternehmen als nachhaltige Anlagen eingestuft werden können, sodass die Zahl der Artikel 9-Fonds im Laufe der Zeit steigen könnte.

In diesem Sinne könnte die Konsultation der britischen Finanzaufsichtsbehörde (Financial Conduct Authority, FCA), die die Richtung der Nachhaltigkeitsangaben (Sustainability Disclosure Requirements, SDR) und der Anlagekennzeichnungen für britische Fonds vorgibt, eine klarere Unterscheidung ermöglichen. Sie unterteilt fünf Kategorien, in denen die Fonds als „nicht SI-fördernd“, „verantwortungsbewusst“, „im Übergang“, „angepasst“ und „wirkungsvoll“ eingestuft werden.2

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Von der Etikettierung zum Matchmaking

Eine Verlagerung des Schwerpunkts von Klassifizierungen zu Nachhaltigkeitsbewertungen, die durch die Umsetzung von SFDR Level II und MiFID II vorangetrieben wird, wäre zu begrüßen. Für MIFID II müssen die zugrundeliegenden nachhaltigen Präferenzen der Kunden mit den von ihnen gekauften Produkten in Einklang gebracht werden, und es ist eine anschließende Anpassung der Taxonomie in Betracht zu ziehen. Die Kunden müssen zudem angeben, ob die Fonds die PAIs berücksichtigen sollen, die die Anlageschwerpunkte im Hinblick auf die Bewältigung ökologischer und sozialer Probleme sehr gut erfassen können.

Dies dürfte dazu beitragen, die vom Endkunden angestrebten Nachhaltigkeitsziele konkreter zu formulieren und die Art des gewünschten Produkts, insbesondere im Rahmen der Artikel 8-Produkte, zu präzisieren.

Es gibt allerdings einen Haken. Während die Rahmenbedingungen für Taxonomie und PAI wenig Unklarheit lassen, bietet die Definition von nachhaltigen Investitionen durchaus Interpretationsspielraum. Dies könnte zu einer Vielzahl von Meinungen darüber führen, welche Unternehmen als nachhaltig gelten und ob dies in der Gesamtschau oder im Kontext betrachtet werden sollte.

In der Gesamtschau gilt eine Investition entweder als nachhaltig oder als nicht nachhaltig. Aus einer kontextbezogenen Perspektive – in Anlehnung an die angegebenen prinzipienbasierten Definitionen – könnte man argumentieren, dass eine Investition für einen Fonds als nachhaltig, für einen anderen aber als nicht nachhaltig gelten kann.

So könnte beispielsweise ein Fonds, der den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Welt finanzieren will, in Unternehmen investieren, die nachweislich auf dem Weg zur Dekarbonisierung sind, aber in Bezug auf Vielfalt und Integration nur durchschnittlich abschneiden. Ein Fonds wiederum, der in Unternehmen mit führenden Verfahren in Bezug auf Vielfalt und Integration investieren will, dürfte sich kaum an solchen Unternehmen beteiligen. Es kommt also auf das jeweilige Nachhaltigkeitsziel an, wobei zumindest sichergestellt sein muss, dass die Unternehmen anderen Nachhaltigkeitszielen nicht erheblich schaden und eine gute Unternehmensführung praktizieren.

Gut Ding will Weile haben

Letztendlich glauben wir, dass die vollständige Veröffentlichung und Umsetzung der EU-Umwelt- und Sozialtaxonomie als Richtschnur dafür dienen wird, was als nachhaltig einzustufen ist, und damit zur Erreichung der beabsichtigten Ziele des Regelwerks für Nachhaltigkeit (Sustainable Finance Framework) beiträgt, indem die Vergleichbarkeit zwischen nachhaltigen Produkten erhöht und Greenwashing verhindert wird.

Solange jedoch diese Harmonisierung und Standardisierung nicht erfolgt ist und die damit verbundenen Datenprobleme ungelöst bleiben, sollten Anleger alle Produkte, in die sie investieren wollen, sorgfältig prüfen. Schauen Sie also in jedem Fall hinter das Etikett!