03-01-2022 · Einblick

Coronavirus-Pandemie verdeutlicht Bedeutung von Dekarbonisierungsstrategien für Immobilienunternehmen

Der Immobiliensektor wurde durch die Coronavirus-Pandemie stark getroffen. Da der Bevölkerung Mobilitätsrestriktionen auferlegt wurden, blieben Büros leer, Hotels mussten ohne Touristen auskommen und Ladengeschäfte taten sich mit der Anpassung an die neue Lage schwer. Hoffnungen, dass der Immobiliensektor angesichts der Pandemie einen Paris-konformen Dekarbonisierungspfad einschlägt, erfüllten sich nicht. Das bedeutet, dass noch kolossale Anstrengungen erforderlich sind, um den Sektor auf den richtigen Pfad zu bringen.

    Autoren/Autorinnen

  • Folmer Pietersma - Portfolio Manager

    Folmer Pietersma

    Portfolio Manager

  • Frank Onstwedder - Portfolio Manager

    Frank Onstwedder

    Portfolio Manager

Die Coronavirus-Pandemie hat im Immobiliensektor für erhebliche Turbulenzen gesorgt. Während die Volkswirtschaften sich wieder öffnen, haben die meisten Bereiche des Sektors noch Schwierigkeiten, sich vom ursprünglichen Schock zu erholen. Andere Segmente profitieren weiterhin von einer holprigen Erholung. Mehr als ein Jahr nach dem großen Lockdown Anfang 2020 sind viele Büros, Hotels und traditionelle Einzelhandelsgeschäfte noch weit davon entfernt, zur Normalität zurückzukehren. Unterdessen befinden sich die Bereiche Logistik und Datenzentren im Aufwind.

Angesichts des Ausmaßes des erlittenen Schocks könnte die Coronavirus-Pandemie den Immobilienunternehmen zumindest einen Vorsprung auf dem Weg hin zu den Dekarbonisierungszielen gegeben haben, die 2015 im Rahmen des Pariser Abkommens zum Klimawandel festgelegt wurden. Doch scheint das nicht der Fall zu sein. Analysen von Robeco zeigen, dass die CO2-Emissionen vieler Immobilienunternehmen im Jahr 2020 zwar beträchtlich gesunken sind, dass dieser Rückgang aber lediglich ein Vorgeschmack auf das war, was noch kommen wird. Dies verdeutlicht, wie schwierig die Dekarbonisierung für den Sektor sein wird.

Zwar sind die CO₂-Emissionen vieler Immobilienunternehmen im Jahr 2020 beträchtlich gefallen, doch war dieser Rückgang lediglich ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird.

Erheblicher Beitrag zu den globalen Treibhausgas-Emissionen

Der Immobiliensektor leistet einen erheblichen Beitrag zu den globalen Emissionen von Treibhausgasen, einschließlich CO2. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) entfallen auf Gebäude mehr als 38 % der gesamten energiebezogenen CO2-Emissionen pro Jahr. Die Beheizung, Kühlung und Beleuchtung von Gebäuden sind für 28 % der globalen Emissionen verantwortlich. Auf den Bau und die dabei verbrauchten Materialien (meist als verbautes CO2 bezeichnet) entfallen weitere 11 %.

Um die im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziele zu erreichen, muss der Immobiliensektor seine CO2-Emissionen um jährlich 6 % (85 % bis 2050) reduzieren. Diese Herausforderung verlangt große Investitionen in Programme zur Nachrüstung von Gebäuden mit einem potentiellen Volumen von mehr als 20 Billionen US-Dollar.1 Das ist die einzige Alternative zur Inkaufnahme noch höherer Kosten in Form möglicher CO2-Steuern oder des Risikos von „Stranded Assets“.

Eine Schätzung der damit verbundenen möglichen Kosten kann bei der Beurteilung der Anstrengungen hilfreich sein, die notwendig sind, um den Immobiliensektor auf den richtigen Pfad zu bringen. Das muss aber nicht zwangsläufig eine Vorstellung von der damit einhergehenden Disruption vermitteln. Unter diesem Aspekt liefert die Analyse der Auswirkungen des Coronavirus-Schocks auf die CO2-Emissionen des Sektors im Jahr 2020 und der Vergleich mit dem erforderlichen Dekarbonisierungspfad eine weit bessere Vorstellung von den kolossalen Anstrengungen, die zum Erreichen dieser Ziele notwendig sind.

Um abzuschätzen, wie sich die Pandemie im letzten Jahr auf die CO2-Emissionen des Immobiliensektors ausgewirkt hat, haben wir die veröffentlichten absoluten CO-Emissionen der Kategorien Scope 1 & 22 der 200 größten börsennotierten Immobilienunternehmen untersucht. Dabei ergab sich, dass nur 134 davon bislang ihre CO2-Emissionen (Scope 1 & 2) sowohl für 2019 als auch für 2020 veröffentlicht haben. Diese 134 Unternehmen repräsentieren 65 % der Börsenkapitalisierung im S&P Developed Property Index.

Wir stellten auch fest, dass die gesamten Scope 1 & 2-Emissionen dieser 134 Unternehmen im Jahr 2020 im Durchschnitt um 6 % gefallen sind. Zwar steht ein sechsprozentiger Rückgang der absoluten CO2-Emissionen im Einklang mit dem projizierten Dekarbonisierungspfad, den der Immobiliensektor zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens einhalten sollte. Jedoch wäre in einem Jahr, in dem weite Teile der Wirtschaft für mehrere Monate zu einem annähernden Stillstand kamen, ein weit stärkerer Rückgang zu erwarten gewesen. Dies veranschaulicht das Ausmaß der Aufgabe, vor dem der Immobiliensektor steht.

Ein Grund für die relativ geringe Gesamtreduzierung der Emissionen ist der, dass die Coronavirus-Pandemie einige Subsektoren der Immobilienbranche überproportional getroffen hat.

Große Unterschiede in einzelnen Segmenten

Ein Grund für die relativ geringe Gesamtreduzierung der Emissionen ist der, dass die Coronavirus-Pandemie einige Subsektoren der Immobilienbranche überproportional getroffen hat, während es in anderen Segmenten zu einem starken Anstieg der Aktivität gekommen ist. Dies wird in Grafik 1 deutlich. Die x-Achse der Grafik zeigt die CO2-Intensität jedes Segments. Auf der y-Achse ist abgetragen, wie stark sich die absoluten CO2-Emissionen jedes Segments von 2019 auf 2020 geändert haben. Die Größe jedes Kreises spiegelt das absolute Ausmaß der CO2-Emissionen wider.

Wie zu erwarten war, wurde der Subsektor Hotel & Resort REITs am stärksten betroffen. Zu Beginn der Pandemie kam es im Bereich Geschäfts- und Urlaubsreisen zu einem annähernden Stillstand. Viele Hotels waren über weite Teile des Jahres geschlossen. Von den Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus ebenfalls mit am stärksten betroffen waren Retail REITs, da Ladengeschäfte und Einkaufszentren entweder geschlossen blieben oder die Zahl der Besucher stark zurückging

Grafik 1: Absolute CO₂-Emissionen (Scope 1 & 2) pro Segment – 2019 im Vgl. zu 2020

Grafik 1: Absolute CO₂-Emissionen (Scope 1 & 2) pro Segment – 2019 im Vgl. zu 2020

Quelle: Robeco, November 2021.

Weitere von der Coronavirus-Pandemie stark getroffene Bereiche waren die Subsektoren Büro-REITs, da viele Mitarbeiter von zu Hause arbeiten mussten, sowie Diversifizierte Immobilienaktivitäten, der ebenfalls einen hohen Anteil von Büro- und Einzelhandelsimmobilien aufweist. Nicht zuletzt wurden auch Gesundheitsvorsorge-REITs stark beeinträchtigt. Viele der Unternehmen in diesem Segment besitzen Seniorenwohnheime, die auf dem Höhepunkt der Pandemie ebenfalls für längere Zeit geschlossen blieben mussten.

Am anderen Ende des Spektrums führte der Wechsel von physischen zu virtuellen geschäftlichen Konferenzen und vom Einkaufen in Ladengeschäften zum Online-Shopping zu einem überdurchschnittlichem Wachstum in den Segmenten spezialisierte REITs und Industrie-REITs. Im Bereich der spezialisierten REITs entfällt ein erheblicher Anteil auf Anbieter von Immobilien für Datenzentren. Diese verzeichneten ein starkes Wachstum, sowohl im Hinblick auf die Vermietungsquoten als auch die Zahl der in Betrieb befindlichen Datenzentren.

Zu den großen Gewinnern des allgemeinen Übergangs von der physischen in die digitale Sphäre gehörten außerdem Industrie-REITs. Der Großteil der von den Unternehmen in dieser Kategorie gehaltenen Assets sind Lagerhäuser und andere Immobilien mit Logistikbezug. Solche Firmen profitierten von einem enormen Wachstum des E-Commerce auf dem Höhepunkt der Pandemie. Dieser Trend kehrte sich auch nicht um, als die Volkswirtschaften in der zweiten Jahreshälfte allmählich wieder geöffnet wurden.

Investoren werden frühestens Ende 2023 beurteilen können, ob der Immobiliensektor sich wirklich auf einem Paris-konformen Pfad hin zu netto null CO₂-Emissionen befindet.

Dauerhafte Auswirkungen auf die Kontrolle des Dekarbonisierungsfortschritts

Mit Blick nach vorn ist es auch wichtig festzuhalten, dass die Auswirkungen der Pandemie jede Analyse des Dekarbonisierungsfortschritts im Immobiliensektor für mindestens ein weiteres Berichtsjahr und möglicherweise noch länger verzerren. Das bedeutet, dass Investoren frühestens Ende 2023 beurteilen können werden, ob der Immobiliensektor sich wirklich auf einem Paris-konformen Pfad hin zu netto null CO2-Emissionen befindet.

Dann werden wir die veröffentlichten CO2-Emissionen mit denen des Jahres 2019 (dem letzten Jahr vor der Pandemie) vergleichen müssen. Bis dahin wird es hoffentlich auch weit bessere Angaben zu den CO2-Emissionen der Kategorie Scope 3 geben, auf die mit Abstand der größte Teil des gesamten CO2-Fußabdrucks des Immobiliensektors entfällt.

Unterdessen erinnern diese Aspekte auch an die wichtigen Implikationen einer breitbasierten Ausrichtung auf netto null Emissionen in einer wachsenden Zahl von Ländern. Wie wir in einem kürzlich veröffentlichten White paper on the decarbonization of the real estate sector, it is high time investors in listed property companies start incorporating decarbonization strategies into their valuation framework and investment decisions.

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Fußnoten

1Quelle: Morgan Stanley BluePaper (2019): Decarbonization: The Race to Net Zero, Global Alliance for Buildings and Construction, International Energy Agency and the United Nations Environment Programme (2019): 2019 global status report for buildings and construction: Towards a zero-emission, efficient and resilient buildings and construction sector, Robeco.
2Treibhausgas-Emissionen werden je nach Art der Entstehung auf drei Ebenen gemessen. Scope 1-Emissionen sind diejenigen, die direkt von einem Unternehmen verursacht werden, beispielsweise in Form der Abgase von Flugzeugen. Scope 2-Emissionen entstehen durch die Erzeugung von Elektrizität oder Wärme, die ein Unternehmen für den Verkauf seiner Hauptprodukte oder das Anbieten seiner wichtigsten Dienstleistungen benötigt. Scope 3-Emissionen resultieren aus der gesamten Wertschöpfungskette, unter Einbeziehung des Endnutzers eines Produkts über dessen Lebenszyklus, weshalb sie weit schwerer zu messen sind. Im Fall von Immobilienunternehmen zählen zu den Scope 3-Emissionen, auf die typischerweise der weit überwiegende Teil der Emissionen entfällt, unter anderem Emissionen im Zusammenhang mit den vom Immobilienentwickler für ein neues Gebäude verwendeten Baumaterialien oder beispielsweise die Emissionen aus dem Energieverbrauch der Mieter.