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Bei der Erreichung des Ziels einer globalen Energiewende werden die Emerging Markets eine entscheidende Rolle spielen, da ihre weltweite Bedeutung immer weiter wächst. Länder wie China und Indien befinden sich noch in der Phase der ökonomischen Expansion und sind somit noch stark von fossilen Brennstoffen als Energielieferant für ihre Volkswirtschaften abhängig. Da sie Nettoexporteure von Öl sind, sind sie an erneuerbaren Energien stark interessiert. Sie wollen sich aus der Abhängigkeit von Energieimporten lösen und selbst Exporteure von Komponenten für umweltfreundliche Energieerzeugung werden.
Allerdings wird die Energiewende erhebliche ökonomische Umstrukturierungen erfordern. Dabei müssen effektivere politische Änderungen in Ländern erfolgen, die stark von Öl und Gas abhängig sind. Unternehmen, die Bestandteil der globalen Lieferkette sind, verfügen mittlerweile über eine stärkere Motivation zur Dekarbonisierung durch Einsatz erneuerbarer Energien denn je. Dies hat reale Auswirkungen auf den Energiesektor in vielen Ländern.
Umweltfreundlicher Umbau des Energiesektors in China und Indien
China und Indien sind die größten Energieverbraucher auf der Welt. Deshalb sind sie die wichtigsten Länder, was den Erfolg der Bemühungen um eine globale Dekarbonisierung angeht. Im Vergleich zu vielen entwickelten Ländern, in denen die Stromnachfrage bereits um das Jahr 2007 ihren Höhepunkt erreicht hat, werden die Emerging Markets länger brauchen, um CO2-Neutralität zu erreichen.
Grafik 1: Energieverbrauch in China nach Quellen

Quelle: BP Statistical Review of World Energy, Juni 2021.
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Einige der neuen Wind- und Solarkraftwerke in Indien und China produzieren bereits günstiger Strom als bestehende Kohlekraftwerke.
Im Jahr 2020 verpflichtete sich China, seine CO2-Emissionen vor dem Jahr 2030 zu deckeln und bis 2060 CO2-Neutralität zu erreichen. Jüngst gab Indien im Rahmen der UN Climate Change Conference (COP 26) in Glasgow bekannt, bis 2070 das Ziel von netto null CO2-Emissionen anzustreben. Zuvor hatte sich das Land dazu verpflichtet, seine Emissionsintensität bis 2030 um mehr als 30 % zu verringern.
In Anbetracht der Tatsache, dass in beiden Ländern auf Kohle nach wie vor zwischen 60 und 70 % des heutigen Primärenergieverbrauchs entfallen, wird das parallele Ziel von Wirtschaftswachstum und niedrigeren Emissionen erhebliche Investitionen in erneuerbare Energien wie Solar- und Windstrom sowie andere CO2-arme Technologien erfordern.
In diesem Bereich des Segments Erneuerbare Energien ist China bereits weltweit führend. Das Land konnte den Anteil nicht-fossiler Brennstoffe am Primärenergieverbrauch von lediglich 6,8 % im Jahr 2015 auf 15 % im Jahr 2020 erhöhen. China strebt nunmehr an, diesen Anteil bis 2030 auf 25 % weiter zu steigern.
Einige der neuen Wind- und Solarkraftwerke in Indien und China produzieren bereits günstiger Strom als bestehende Kohlekraftwerke
Der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft ist auch finanziell darstellbar. Die Stromerzeugungskosten sind in den letzten zehn Jahren sowohl bei Wind- als auch Solarenergie stark gesunken. Diese Energiequellen sind bereits billiger als neue Kohle- oder Gaskraftwerke in den meisten Ländern. Darüber hinaus produzieren einige der neuen Wind- und Solarkraftwerke in Indien und China bereits günstiger Strom als bestehende Kohlekraftwerke.
Umweltfreundlicher Umbau der Wirtschaft von Öl-Exportländern
Die Energiewende wird auch eine erhebliche ökonomische Umstrukturierung in den Ländern erfordern, deren Wirtschaft sich zu erheblichen Teil auf Öl und Gas stützt – beispielsweise Russland und die Golfstaaten. Saudi-Arabien und Russland sind die beiden größten öl- und gasproduzierenden Länder innerhalb der Emerging Markets. Auf sie entfallen jeweils 12 bis 13 % der globalen Ölproduktion.
Grafik 2: Öl- und Gasproduktion als Prozentanteil des BIP nach Ländern

Quellen: BP, National Data Sources, EIA, OPEC, Morgan Stanley Research. Hinweis: Bei der Berechnung des Gegenwerts der Ölproduktion in Dollar wurde der Durchschnitt der Preise für Öl der Qualität Brent bzw. WTI verwendet. Für Erdgas wurden die Henry Hub LA-Preise zugrunde gelegt.
Ein Rückgang des Öl- und Gasverbrauchs im Zuge der Dekarbonisierung wird die Volkswirtschaften dieser Länder auf lange Sicht vor beträchtliche Herausforderungen stellen. Der kürzlich veröffentlichte Report „Global Roadmap to Net Zero by 2050“ der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigt, dass die Weltölnachfrage bis 2050 von mehr als 90 Millionen Barrel pro Tag auf weniger als 25 Millionen Barrel sinken muss.
Länder wie Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben sich eine Agenda gesetzt und Pläne zur Umstrukturierung von Gesellschaft und Wirtschaft entworfen, um ihre Volkswirtschaften stärker zu diversifizieren und ihre Abhängigkeit von Öl und Gas zu reduzieren. Im Hinblick auf die Einbeziehung von erneuerbaren Energien in das Stromnetz sind die Vereinigten Arabischen Emirate am offensivsten vorgegangen. Die Kapazität zur Produktion von Solarstrom wird voraussichtlich bis 2025 von derzeit 2,1 GW auf 8,5 GW steigen.
Dies wird rund 94 % der Produktionskapazität des Landes im Bereich Erneuerbare Energien entsprechen. Bis 2050 wird angestrebt, 44 % des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen zu erzeugen. Die meisten der Solarstromprojekte werden durch staatliche Unternehmen finanziert, deren Refinanzierungskosten in der Nähe des Zinssatzes für Staatsanleihen des Landes liegen. Grundstücke und Stromanschlüsse werden Energieunternehmen kostenlos angeboten, was die Attraktivität von erneuerbaren Energien zusätzlich erhöht.
Unterdessen hat sich Saudi-Arabien stärker der notwendigen Energiewende geöffnet, allerdings dürfte die Finanzierung Engpässen unterliegen. Im Rahmen des „National Transformation Program 2020 & Vision 2030“ strebt das Land eine Versechsfachung der Staatseinnahmen aus Quellen außerhalb des Ölsektors an. Gleichzeitig soll der Anteil von Erdgas und erneuerbaren Energien am gesamten Energiemix bis 2030 auf 50 % steigen. Diese ehrgeizigen Ziele werden enorme Investitionen erfordern, und es bleibt abzuwarten, ob Saudi-Arabien imstande sein wird, seine Pläne umzusetzen.
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Während multinationale Unternehmen mit der Umsetzung ihrer Dekarbonisierungspläne beginnen, müssen ihre Zulieferer sich diesem Trend anschließen.
Greening global supply chains
Die Emerging Markets haben in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich an Bedeutung für die globalen Lieferketten gewonnen. Die Unternehmen in den stärker entwickelten Volkswirtschaften haben sich in der Vergangenheit auf die Emissionen im Zusammenhang mit ihren eigenen Aktivitäten fokussiert. Aufgrund schärferer Regulierung im Hinblick auf die Offenlegung von CO2-Emissionen, einschließlich Scope 3-Emissionen, haben mehr Unternehmen begonnen, ihre Lieferketten genauer ins Visier zu nehmen.
Grundsätzlich ist das Gebot der Dekarbonisierung für viele Unternehmen, die in Schwellenländern operieren, nahezu alternativlos. Laut einer kürzlich erfolgten Umfrage durch Standard Chartered entfallen auf die Emissionen in der Lieferkette durchschnittlich 73 % der Gesamtemissionen multinationaler Unternehmen.
Während multinationale Unternehmen mit der Umsetzung ihrer Dekarbonisierungspläne beginnen, müssen ihre Zulieferer sich diesem Trend anschließen. Beispielsweise hat Apple letztes Jahr angekündigt, bis 2030 in seiner gesamten Zuliefererkette und im Hinblick auf den Produktlebenszyklus CO2-neutral zu werden. Dementsprechend sind in China Programme entwickelt worden, darunter die Schaffung eines Investmentfonds für umweltfreundliche Energien in China.
Die steigende Nachfrage von Unternehmen nach umweltfreundlicher Energie wirkt sich auf den Stromsektor in vielen Schwellenländern aus. In Lateinamerika beispielsweise haben im Bereich Erneuerbare Energien Abnahmevereinbarungen stark an Bedeutung gewonnen, bei denen Energieverbraucher – typischerweise Minenunternehmens – Abkommen zum Kauf von Strom direkt von unabhängigen Erzeugern anstatt von regulierten Versorgern schließen.
Allerdings ist nicht jeder imstande, sich diesem Trend anzuschließen. Viele Anbieter, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, können nicht mithalten, da sie nicht über ausreichendes Wissen und nur begrenzte Unterstützung der lokalen Verwaltung verfügen. Die politischen Rahmenbedingungen müssen sich an neue Herausforderungen anpassen und es müssen entsprechend Investitionen getätigt werden.
Abschließende Bemerkungen
Die Emerging Markets und Entwicklungsländer stehen vor einer zweifachen Herausforderung. Zum einen sind sie besonders anfällig, was klimatische Veränderungen angeht und ihnen fehlt die Finanzkraft, um die Folgen des Klimawandels zu vermeiden oder angemessen darauf zu reagieren. Zum anderen ist eine verlässliche und bezahlbare Energieversorgung entscheidend für die Fortsetzung der sozioökonomischen Entwicklung.
Dennoch machen einige rasche Fortschritte bei ihren Plänen zur Dekarbonisierung, während sie ein zunehmend wichtiger Bestandteil des globalen Energiesektors werden. Zu einem schnelleren Wachstum bei erneuerbaren Energien beitragen werden technologische Innovationen und sinkende Kosten sowie innovative Geschäfts- und Finanzierungsmodelle, die umweltfreundlichen, skalierbaren Energielösungen Schub verleihen sollten.