Geeint und ehrgeizig
Die Wende in der Klimapolitik, die von US-Präsident Biden angekündigt wurde, ist von globaler Bedeutung. Zusammen mit China sind die USA der größte Luftverschmutzer. Zusammengenommen sind die beiden Weltmächte verantwortlich für mehr als 40 % der globalen CO2-Emissionen. US-Präsident Biden ist nicht nur dem Pariser Klimaabkommen wieder beigetreten, er hat auch Investitionen in die Erneuerung der Infrastruktur in Höhe von rund 2 Billionen US-Dollar angekündigt.
Im Rahmen dieses Plans sollen 4 Millionen gewerbliche Gebäude mit modernsten energieeffizienten Technologien ausgestattet werden. Außerdem soll in die weitere Elektrifizierung auf Basis erneuerbarer Energiequellen investiert werden. Besonders ehrgeizig ist das Ziel, die Stromerzeugung bis 2035 vollständig zu dekarbonisieren. Bis 2050 soll die gesamte Energieerzeugung in den USA CO2-neutral sein. Dies entspricht den Vorhaben Europas und Chinas.
Energieverbrauch dürfte steigen
Trotz zunehmender globaler Bemühungen in punkto Energieeffizienz wird die Energienachfrage in der nahen Zukunft weiter steigen. Die beiden größten Treiber dieser Entwicklung sind der ungebremste Anstieg der Weltbevölkerung und das BIP-Wachstum, vor allem in der asiatisch-pazifischen Region. Mit angemessenen Schritten ist es allerdings möglich, dass der globale Energieverbrauch zunächst stagniert und bis 2030 allmählich zu sinken beginnt (siehe Abbildung 1).
Doch dazu sind drei Maßnahmen gleichzeitig erforderlich: 1. Elektrifizierung auf fossilen Brennstoffen basierender Heizungen und Transportmittel, 2. strengere Energieeffizienz-Vorgaben für sonstige Bereiche des Endverbrauchs und 3. ein erheblicher Anstieg des Anteils von Sonnen- und Windenergie bei der Stromversorgung.
Bei allem Optimismus gehen unsere eigenen Schätzungen nicht davon aus, dass wir bis 2050 das 1,5 °C-Szenario erreichen, das vollständige CO2-Neutralität erfordern würde. Wahrscheinlicher ist, dass die CO2-Emissionen bei der Energieerzeugung bis 2050 gegenüber dem heutigen Niveau auf etwas weniger als 20 Gigatonnen pro Jahr halbiert werden (siehe Abbildung 1). Doch selbst das wird nur möglich sein, wenn der Prozentanteil von Elektrizität an der globalen Energieerzeugung von seinem aktuellen Niveau von 20 % auf 50 % steigt. Parallel dazu muss der Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung von derzeit 30 % auf 85 % steigen. Nach unseren Berechnungen würde das bedeuten, dass die Stromerzeugung auf Grundlage von Solar- und Windenergie bis 2050 um etwa das Sechsfache steigen muss – ein vollkommen realistisches Szenario.
Abbildung 1 | Das 1,5 °C-Szenario ist bis 2050 kaum erreichbar

Quelle: Robeco, Global Carbon Project
Transport im Wandel
Insbesondere im Transportsektor waren bisher die höchsten Wachstumsraten bei der Energienachfrage zu beobachten. Mit einem Anteil von fast 30 % des globalen Energieverbrauchs und einer starken Abhängigkeit von Öl handelt es sich um einen der größten Emittenten von CO2. Dazu tragen nicht nur Fahrzeuge, sondern auch der Flugverkehr bei.
Die Automobilindustrie erkennt zunehmend, dass sie ihren CO2-Fußabdruck nur durch umfassende Elektrifizierung nachhaltig reduzieren kann. Dazu gehört sowohl der Bau von Elektrofahrzeugen als auch die Erzeugung des zum Betrieb erforderlichen Stroms aus erneuerbaren Quellen. Einige Autohersteller haben sich bereits eigene Ziele gesetzt, um die Wertschöpfungskette zu dekarbonisieren – angefangen von der Autoproduktion über Nutzung und Wartung bis hin zum Recycling der Fahrzeuge. Was bei Personenwagen begonnen hat, wird sich weiter auf andere Bereiche des Transportsektors ausbreiten, sodass dieser im Zeitverlauf vollständig und nachhaltig elektrifiziert sein wird.

„Grüne“ Wasserstoff – eine in Entwicklung befindliche Lösung
Wasserstoff wird neben Batterien eine ergänzende Form der Energiespeicherung darstellen, insbesondere in Bereichen mit hohen Anforderungen in Bezug auf Gewicht und Energiedichte. Möglich wird dadurch die umfassende Elektrifizierung von Schwerlastfahrzeugen, Schiffen und sogar Flugzeugen (diesbezüglich sind bereits vielversprechende Pilotprojekte angekündigt worden). Trotz seiner Eignung für die Energiespeicherung ist der Einsatz von Wasserstoff als Energiequelle nur sinnvoll, wenn er auf CO2-neutrale Weise hergestellt wird. Diese Anforderung erfüllt nur „grüner“ Wasserstoff. Er wird in einem CO2-freien Prozess durch Elektrolyse von Wasser mithilfe von Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Allerdings sind bisherige Elektrolyseeinheiten nicht imstande, die für den industriellen Bedarf erforderlichen großen Mengen an Wasserstoff zu produzieren. Von einer umfassenden Marktdurchdringung ist man noch Jahre entfernt.
Wie bei Batterien auch werden Fortschritte bei der Elektrolysetechnologie die derzeitigen Hindernisse für eine (gegenüber heutigen CO2-basierten Methoden der Wasserstoffproduktion) wettbewerbsfähige Herstellung von „grünem“ Wasserstoff bis spätestens 2030 überwinden. Eine umfassende Verfügbarkeit von „grünen“ Wasserstoff würde eine zeitweilige Speicherung von erneuerbaren Energien in großem Stil ermöglichen, die dann nicht nur zur Dekarbonisierung des Transportsektors, sondern auch anderer energieabhängiger industrieller Prozesse (wie Gebäudeheizung, Düngemittelherstellung, Halbleiterfertigung und Stahlproduktion) verwendet werden können.
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Nachdem die Welt im Kampf gegen den Klimawandel geeint ist, gewinnt der globale Trend hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung erheblich an Dynamik.