08-03-2021 · Einblick

Gleichbehandlung aller Mitarbeiter gilt auch jenseits des Firmentores

Die Coronavirus-Krise hat das Thema Gleichbehandlung am Arbeitsplatz nicht verdrängt, sondern seine Bedeutung unterstrichen. Die Gleichbehandlung von Frauen erfordert es, auch über Gleichbehandlung zuhause und entlang der Lieferketten nachzudenken.

    Autoren/Autorinnen

  • Laura Bosch Ferreté - Engagement Specialist

    Laura Bosch Ferreté

    Engagement Specialist

Der Fluch des Coronavirus

Die Coronavirus-Krise hat die Arbeitswelt unter Druck gesetzt. Doch bei einigen Gruppen wie weiblichen Arbeitnehmern scheint die Belastungsgrenze erreicht zu sein. In der Pandemie sind Sektoren überdurchschnittlich betroffen, in denen weibliche Mitarbeiter dominieren. Dazu gehören die Branchen Einzelhandel, Reisen, Gastgewerbe, Gesundheit und Textilien. Dort ist es zur Unterbrechung oder sogar Beendigung von Arbeitsverhältnissen und zu Verdienstausfällen gekommen.

In den Bereichen, in denen die Arbeitsplätze weniger gefährdet sind, hat die Schließung von Schulen und Unternehmen dazu geführt, dass bei Frauen der Anteil unbezahlter Tätigkeiten wie Kindererziehung und Haushaltsführung gestiegen ist. Das Ergebnis sind entnervte Mütter und stressgeplagte Arbeitnehmer.

Gemäß einem Bericht von McKinsey und LeanIn.Org erwägt eine von vier Frauen, ihre Arbeitsbelastung zu reduzieren, indem sie entweder einer Teilzeittätigkeit nachgehen, in weniger anspruchsvolle Rollen wechseln oder unbezahlten Urlaub nehmen. 1

Weibliche Arbeitnehmer zu halten, ist vorteilhaft

Lücken im Lebenslauf infolge des Verlustes des Arbeitsplatzes oder stressbedingte Auszeiten können die Entwicklung fähiger weiblicher Führungskräfte in allen Bereichen einer Organisation behindern. Das sorgt für einen Mangel an Führungskräften heute und in Zukunft.

Die langfristigen Effekte betreffen nicht nur die Unternehmen. Die Beeinträchtigung des Potentials von Frauen verringert Einkommen und künftige Chancen, wodurch sich der Rückstand gegenüber Männern über das gesamte Erwerbsleben vergrößert. Nach Angaben des World Economic Forum ist die Schließung der wirtschaftlichen Lücke zwischen den Geschlechtern aktuell 257 Jahre entfernt. Zuvor waren es 55 Jahre weniger.

Wenn Frauen aus dem Erwerbsleben herausfallen, verliert jeder. Die Frauen verlieren Chancen. Familien verlieren Einkommen. Unternehmen verlieren Talente und Innovationen. Volkswirtschaften verlieren Erträge. Zahlreiche interne und externe Untersuchungen deuten darauf hin, dass es enorme Vorteile hat und dringend geboten ist, Frauen in der Belegschaft zu halten.

Wenn die Unternehmen es richtig handhaben, können Geschlechtergleichbehandlung und Diversität zu vermehrter Innovation, größerer Produktivität, verbesserter Profitabilität und höheren Aktienkursen führen. Auf globaler Ebene könnte gemäß dem bahnbrechenden Report von McKinsey zur Vorteilhaftigkeit der Parität die weltweite Förderung der Geschlechtergleichbehandlung die globale Wirtschaftsleistung bis 2025 um bis zu 12 Billionen US-Dollar erhöhen.

Laut Junwei Hafner-Cai, Portfoliomanager der RobecoSAM Gender Equality Impact Equities-Strategie „verfügen Unternehmen, die im Hinblick auf Geschlechtergleichbehandlung und Diversität gut abschneiden, über einen Wettbewerbsvorteil. Ihnen steht eine größere Auswahl an Talenten offen, sie können ihre Mitarbeiter halten und verfügen über bessere Einblicke in ihre Kundschaft und Marktchancen.“

Förderung von Gleichbehandlung in der Firma und zuhause

Die RobecoSAM Gender Equality Impact Equities-Strategie investiert in Unternehmen, die bei der Förderung von Gleichbehandlung und Diversität in der Belegschaft führend sind. Anhand von ESG-Daten und einer eigenen Systematik bewertet die Strategie Unternehmen anhand von Größen wie Diversität im Board und in der Belegschaft, gleiche Bezahlung, Talentmanagement, Engagement, Gesundheit und Wohlergehen.

Der zuletzt genannte Aspekt beinhaltet Kriterien wie Elternzeit, Unterstützung bei der Kinderbetreuung und flexible Arbeitsbedingungen, die erkennen lassen, wie Unternehmen bei einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Arbeit und Privatem unterstützen. Die Coronavirus-Krise hat die Stärken flexibler Arbeitsbedingungen als Instrument zur Bewältigung beruflicher und privater Verpflichtungen, zur Aufrechterhaltung der Produktivität und zur Verbesserung der Haltequoten gezeigt. Deutlich geworden ist, dass Arbeitnehmer (einschließlich Frauen) flexible Arbeitszeiten zu einem Erfolg machen können, wenn man ihnen die Chance dazu gibt.

Darüber hinaus zeigen einige Untersuchungen während der Coronavirus-Pandemie, dass bei vorhandener Gelegenheit viele Männer zur Verringerung von ungleichen Belastungen bereit sind, indem sie bei der Kindererziehung und bei der Hausarbeit helfen und zur Verringerung der Belastung arbeitender Ehefrauen und Partner beitragen.2

L’équilibre entre vie personnelle et vie professionnelle ne doit pas être considéré comme un avantage ou un privilège. Chacun doit avoir le temps de prendre soin de lui.

Frühzeitige Einblicke in Bezug auf Gender Scoring

Doch genügt es nicht, über die notwendigen Instrumente zu verfügen. Trotz Leitlinien zum Mitarbeiterwohl und wohlmeinender Absichten von Unternehmen werden viele Frauen immer noch übermäßig belastet. Frauen und Mitarbeiter allgemein müssen sich berechtigt fühlen, die Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Um einen fatalen Verlust an Talenten abzuwenden, müssen Unternehmen die Work-Life-Balance auf allen Ebenen in ihrer Kultur integrieren. Das Management muss eine aktive Vorbildrolle einnehmen, indem es die Möglichkeiten flexibler Arbeitszeiten selbst nutzt, um der Belegschaft zu signalisieren, dass sie diese Instrumente akzeptiert. Des Weiteren sollte die Work-Life-Balance nicht als Vergünstigung oder Privileg angesehen werden. Jeder sollte sich Zeit für seine eigenen Belange nehmen können.

Junwei Hafner-Cai betont diesen Aspekt in Bezug auf die Gender-Strategie:

„Wir haben früh erkannt, dass Gleichbehandlungsaspekte über eine Sonderbehandlung von Frauen und anderen Gruppen am Arbeitsplatz hinausgehen. Tatsächlich handelt es sich dabei um einen unzureichenden Ansatz, welcher der Gleichbehandlung in Wahrheit schadet. Unser Gender Scoring-System analysiert, inwieweit Unternehmen eine umfassende Kultur der Gleichbehandlung und Inklusion aufbauen. Wir haben stets den Fokus auf Gleichbehandlung aller Mitarbeiter gelegt. Niemand davon sollte als einer privilegierten Gruppe zugehörig betrachtet werden.“

Wir wollen, dass die Unternehmen die Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern in den Fokus nehmen, um sicherzustellen, dass dort die Menschenrechte respektiert und geschützt werden.

Anreize für Veränderungen in Unternehmen und in der Lieferkette

Das Active Ownership-Team von Robeco arbeitet auch intensiv auf die Förderung von Gleichbehandlung am Arbeitsplatz hin. Das Team nutzt die Ergebnisse der Gender Score-Analyse, das Feedback des Investmentteams und die Expertise eines internen Teams für SI-Research zur Entwicklung von Gender-Benchmarks, anhand derer ein Dialog mit Unternehmen mit niedrigem Score erfolgt.

Auf die Frage nach den Auswirkungen der Coronavirus-Krise auf die Aktivitäten des Teams sagte Laura Bosch, dass sich dadurch die Diskussionen rund um das Halten weiblicher Talente und flexible Arbeitsbedingungen intensiviert haben. Des Weiteren habe sich das Ausmaß von Ungleichbehandlung in den globalen Lieferketten verschärft. Infolgedessen werden laufende Projekte des Engagement-Teams hinsichtlich der Analyse der Arbeitsbedingungen im Bereich Textil und Bekleidung (in denen weibliche Mitarbeiter dominieren) um die Effekte der Pandemie erweitert.

Laura Bosch erläutert, dass „nach Angaben der Ethical Trade Initiative rund 190 Millionen Frauen in globalen Lieferketten arbeiten – d. h. in Fabriken, landschaftlichen Betrieben und Verpackungsfirmen, die die Welt mit Gütern wie Kleidung und Nahrungsmittel beliefern. Für Millionen weiblicher Mitarbeiter sind Überstunden sowie schwierige und unsichere Arbeitsbedingungen sowie schlechte Löhne tägliche Realität.

Wir wollen, dass die Unternehmen die Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern in den Fokus nehmen, um sicherzustellen, dass dort die Menschenrechte respektiert und geschützt werden. Dies macht die Geschlechtergleichbehandlung zu einem Menschenrechtsthema, das für die Erreichung fairer Arbeit für alle entscheidend ist.“

Fußnoten

1 McKinsey and Company. (September 2020). Seite 6: “ Women in the Workplace 2020 .” www.mckinsey.com/featured-insights/diversity-and-inclusion/women-in-the-workplace
2 R. Greenfield (27. Januar 2021). „Work from home has the power to advance equality or set it back.” Bloomberg Businessweek.