01-06-2022 · Einblick

Der Quality-Faktor: Gut geführte Unternehmen werden unterschätzt

Menschliche Fehler bei der Vorhersage der künftigen Unternehmensgewinne sind der Grund dafür, dass sich eine Qualitätsprämie bildet. Der Quality-Faktor gehört zu den neueren Bausteinen des Factor-Investing, der sich aufgrund stichhaltiger Nachweise und einer robusten Belastbarkeit in der Postpublikationsphase fest etabliert hat.

    Autoren/Autorinnen

  • Lusanele Magwa - Quant Investment Specialist/CPM

    Lusanele Magwa

    Quant Investment Specialist/CPM

  • Jeroen Hagens - Client Portfolio Manager

    Jeroen Hagens

    Client Portfolio Manager

  • Lejda Bargjo - Client Portfolio Manager

    Lejda Bargjo

    Client Portfolio Manager

Der Quality-Faktor basiert auf Eigenschaften der Unternehmen hinsichtlich ihrer Rentabilität, Ertragsqualität, Investitionspolitik und Geschäftsführung. Verschiedene wissenschaftliche Publikationen zeigen, dass Aktien qualitativ hochwertiger Unternehmen tendenziell eine deutliche Outperformance gegenüber dem Gesamtmarkt erzielen, die sich durch andere gängige Factoren nicht erklären lässt.

Auf den ersten Blick mag das unlogisch erscheinen. Denn wenn eine hohe Qualität der betrieblichen Fundamentaldaten bei der Auswahl der Aktien ein stichhaltiges Anlageargument ist, dann müsste der Kurs dieser Aktien steigen (und die Renditeerwartungen der Anleger sinken). Dennoch haben zahlreiche Studien aufgezeigt, warum Aktien qualitativ hochwertiger Unternehmen ansehnliche Renditen abwerfen, ohne mit erhöhten (tatsächlichen) Risiken einherzugehen.

Der Quality-Faktor hat sich in den letzten Jahrzehnten fest etabliert

In einer bahnbrechenden Veröffentlichung1 von 1996 wurde beispielsweise dargelegt, dass sich die Informationen, die sich aus den Rückstellungen und Cashflows eines Unternehmens ableiten lassen, nur dann vollständig in seinem Aktienkurs widerspiegeln, wenn diese Informationen auf die künftigen Erträge des Unternehmens durchschlagen. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass Unternehmen, die konservative (niedrige) Rückstellungen bilden, tendenziell besser abschneiden als der Gesamtmarkt.

In einer anderen Studie2 aus dem Jahr 2008 fanden die Autoren Belege dafür, dass sich die Aktienrenditen anhand von Daten zu Aktienemissionen (öffentliche Angebote, Aktienrückkäufe, Fusionen) vorhersagen lassen. Eine ebenfalls 2008 veröffentlichte Forschungsarbeit3 hat zudem aufgezeigt, dass das Vermögenswachstum (das mit den Investitions- und Finanzierungsaktivitäten eines Unternehmens zusammenhängt) eine Auswirkung auf die Vorhersage künftiger Aktienrenditen hat.

Im Jahr 2013 wurde in einer wissenschaftlichen Publikation4 aufgezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen einer hohen Bruttorentabilität des Unternehmens und hohen künftigen Aktienrenditen besteht – ungeachtet der Tatsache, dass hochprofitable Unternehmen allgemein schlechte Bewertungskennzahlen (z. B. hohe Kurs-Buchwert-Verhältnisse) aufwiesen. Tatsächlich, so argumentierte der Verfasser, sind betriebliche Rentabilität und Value zwei Seiten der gleichen Medaille.

Das Interesse am Quality-Faktor nahm allerdings erst ab 2015 Fahrt auf, nachdem Fama und French die Qualitätsmerkmale Investitionen und Rentabilität in ihr neues Fünffaktorenmodell aufgenommen hatten.5 Die beiden renommierten Wissenschaftler verliehen dem Qualitätsfaktor damit eine Art „Gütesiegel“, auf das eine Reihe an Forschungsarbeiten folgten, die entweder die Robustheit des Qualitätsfaktors auf den Prüfstand stellten oder versuchten zu definieren, was „Quality“ überhaupt beinhaltet und wie sich der Faktor am besten in einem realen Portfolio umsetzen lässt.

In einer Publikation6 aus dem Jahr 2018 wurde aufgezeigt, wie der Qualitätsfaktor (basierend auf einem Composite aus verschiedenen Messgrößen zur Erfassung der Wachstums-, Rentabilitäts- und Sicherheitsmerkmale der Unternehmen) in den USA und weltweit in 24 Ländern signifikante risikobereinigte Renditen erzielt.

Risikobasierte Theorien erklären die Qualitätsprämie nur unzureichend

Unserer Ansicht nach sind wissenschaftliche Untersuchungen, die davon ausgehen, dass die Qualitätsprämie auf Risiken basiert, nicht überzeugend. Vor allem haben Fama und French in ihrer bahnbrechenden Arbeit5 die Faktoren Investitionen und Rentabilität nicht mit dem Risiko in einen engen Zusammenhang gebracht. Das Papier stellt eine klare Abkehr von den Ergebnissen ihres vorangegangenen Dreifaktorenmodells7 dar, in dem sie noch argumentierten, dass die Faktoren aus der Exposition gegenüber dem Risiko einer finanziellen Notlage resultieren. Nicht nur kann der Qualitätsfaktor schwerlich mit dem Risiko einer Notlage in Verbindung gebracht werden. Vielmehr haben mehrere Studien8 gezeigt, dass die Beziehung zwischen dem Risiko einer finanziellen Notlage und den Renditen sogar negativ ist.

In einem Robeco-Forschungspapier9 haben die Autoren die Unzulänglichkeiten des Fama-French-Fünffaktorenmodells offengelegt. In ihrer Arbeit untersuchten sie unter anderem verschiedene Bedenken hinsichtlich der Robustheit der beiden neuen Faktoren. Überraschenderweise wurde vor allem der Investitionsfaktor als Vermögenszuwachs definiert, den Fama und French in ihrer früheren Arbeit noch als „weniger robustes“ Phänomen betrachtet hatten.10

Ferner konnte das Fünffaktorenmodell auch eine Reihe von Variablen nicht erklären, die eng mit den Faktoren Investitionen und Rentabilität zusammenhängen. Ebenfalls unklar blieb, ob die beiden neuen Faktoren bereits vor 1963 wirksam waren. Mittlerweile wurde in einer anderen Publikation11 nachgewiesen, dass der Qualitätsfaktor bereits in den 1940er Jahren bestand.

Eine weitere Sorge betraf die wirtschaftliche Begründung des Modells. Fama und French haben nicht einmal versucht zu erklären, dass Investitionen und Rentabilität plausible Risikofaktoren wären. Stattdessen wurden die beiden Faktoren einbezogen, da sie die erwarteten Aktienrenditen auf Grundlage eines umgeschriebenen Dividenden-Diskontierungsmodells darstellen.

In einer anderen Veröffentlichung6 zeigten die Autoren, dass Aktien mit hochwertiger Qualität in Krisenzeiten sicherer und nicht riskanter sind als Aktien mit minderwertiger Qualität. Aufgrund ihrer defensiven Eigenschaften wurde jedoch die Befürchtung geäußert, dass es sich bei der Qualitätsprämie in Wirklichkeit um eine verdeckte Risikoprämie handeln könnte. In einem Robeco-Papier12 wird jedoch herausgearbeitet, dass die Faktoren Quality und Low Risk klar voneinander abzugrenzen sind.

Eine weitere Robeco-Studie13 hat zudem gezeigt, dass die Faktoren Low-Risk und Quality vor allem bei Shortpositionen Ähnlichkeiten aufweisen, da Aktien von minderwertiger Qualität auch zu starken Schwankungen neigen. Aus einer Long-only-Perspektive betrachtet sind solche Ähnlichkeiten jedoch nicht festzustellen.

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Die Qualitätsanomalie wird durch Verhaltensanomalien verursacht

Im Jahr 2012 startete Robeco ein Projekt, das untersuchen sollte, warum Quality-Investments funktionieren und wie sie effizient im Portfolio umgesetzt werden können. Die wichtigsten Erkenntnisse wurden in einer wissenschaftlichen Arbeit veröffentlicht.14 Darin konnten die Forscher nachweisen, dass der Quality-Faktor an den globalen Aktien- und Creditmärkten tatsächlich funktioniert.

Allerdings wiesen sie darauf hin, dass nicht alle Quality-Definitionen auf denselben Kriterien basieren. Sie stellten fest, dass die in der akademischen Literatur dokumentierten Kennzahlen für Qualität (Bruttorentabilität, operative Rückstellungen und Investitionen) robustere Messgrößen sind als die branchenüblichen Kennzahlen wie Ertragsschwankungen, Verschuldungsgrad, Margen- oder Eigenkapitalrenditewachstum.

In der Studie wurde genauer untersucht, warum dies der Fall ist. Die Forscher stellten insbesondere fest, dass die Qualitätskennzahlen, die mit hohen künftigen Aktienrenditen verbunden waren, gut funktionierten, da sie hohe künftige betriebliche Erträge vorhersagen konnten. Und sie fanden heraus, dass diese Informationen nicht angemessen in den aktuellen Kursen eingepreist wurden. Mit anderen Worten reagierten die Marktteilnehmer im Durchschnitt zu wenig auf Informationen, die sich aus der Rentabilitätshistorie, den betrieblichen Rückstellungen und den Investitionen eines Unternehmens ableiten lassen.

Abbildung 1 zeigt die Beziehung zwischen den Aktienrenditen und der Ertragsprognosekraft der verschiedenen Qualitätskennzahlen. Wie in der rechten oberen Ecke zu sehen ist, lassen sich mit den Kennzahlen „Rückstellungen“, „Bruttogewinne“ und „Investitionen“ künftige Erträge und Aktienrenditen gut vorhersagen, während sich andere Kennzahlen weniger gut dafür eignen.

Abbildung 1 | Wie verschiedene Qualitätskennzahlen bei der Vorhersage künftiger Erträge und Renditen abschneiden

Abbildung 1 | Wie verschiedene Qualitätskennzahlen bei der Vorhersage künftiger Erträge und Renditen abschneiden

Quelle: Robeco und Kyosev, Hanauer, Huij und Lansdorp (2020). „Does Earnings Growth Drive the Quality Premium?” Journal of Banking and Finance. Die Diagramme zeigen die Renditen im Vergleich zur Ertragsprognosenkraft von Long-/Shortportfolios, aufgeschlüsselt nach verschiedenen Qualitätskennzahlen. Der Stichprobenzeitraum für die globalen Aktienmärkte erstreckt sich von Januar 1986 bis Dezember 2015.

In einer anderen Forschungsarbeit15 haben vier Autoren einen weiteren Nachweis erbracht, dass verhaltensbedingte Verzerrungen den Qualitätsfaktor beeinflussen. Anhand von Daten zu Analystenprognosen konnten sie zeigen, dass Finanzanalysten die künftigen Gewinne hochprofitabler Unternehmen im Durchschnitt zu pessimistisch einschätzen. Sie sehen darin den Grund für die Rentabilitätsanomalie, die auch bei Unternehmen mit nachhaltigen Gewinnen besonders ausgeprägt ist.

Eine weitere aktuelle Studie16 liefert ebenfalls Belege für eine verhaltensorientierte Erklärung des Rentabilitätsfaktors. Darin wurde dargelegt, dass Anleger dazu neigen, Aktien mit ähnlichen Wachstumserwartungen ähnliche Kurs-Gewinn-Verhältnisse zuzuordnen. Dieser vereinfachte Ansatz führt dazu, dass rentable Unternehmen künftig besser abschneiden, wenn weniger rentable Unternehmen gezwungen sind, zusätzliches Eigenkapital zur Finanzierung ihres Wachstums einzusetzen. Dies wiederum verwässert die Ansprüche der bestehenden Investoren auf künftige Cashflows.

Fazit

Insgesamt sind wir der Meinung, dass der Qualitätsfaktor auf Verhaltensverzerrungen zurückzuführen ist, da bei der Einschätzung der künftigen Unternehmensgewinne nach wie vor menschliche Fehler gemacht werden. Die Qualitätsprämie ist im Zeitverlauf und über die verschiedenen Märkte hinweg konsistent und unterscheidet sich von anderen Faktorprämien.

In den vorangegangenen Artikeln haben wir folgende Faktoren behandelt: Low Volatility, Momentum and Value.