18-05-2022 · Einblick

Erfolg am Anleihenmarkt in Zeiten der Stagflation

Die hohe Inflation und die Straffung der Geldpolitik führen bereits zu steigenden Renditen und sinkenden Anleihenkursen. Irgendwann werden die höheren Renditen und das geringere Wachstum jedoch wieder Chancen für Anleiheninvestoren beinhalten.

Die Stagflation ist zurück in den Schlagzeilen: hohe Inflation und Straffung der Geldpolitik führen bereits zu steigenden Renditen und sinkenden Anleihenkursen. Irgendwann beginnen die höheren Renditen und das geringere Wachstum für Anleiheninvestoren jedoch wieder Chancen zu bieten. Um diese Gelegenheiten rechtzeitig zu nutzen und gleichzeitig die Portfolios gegen steigende Renditen abzusichern, ist aktives Durationsmanagement notwendig. Woher aber wissen wir, ob eine in früheren Dekaden erfolgreiche Strategie auch in einem ganz anderen Umfeld funktionieren wird?

Um diese Frage zu beantworten, verwenden wir den langfristigen Backtest, der in unserem Forschungspapier „Predicting Bond Returns: 70 Years of International Evidence“ beschrieben ist. Der Backtest zeigt, dass quantitatives Durationsmanagement in einem Umfeld hoher Inflation und niedrigen Wachstums funktioniert. Typischerweise funktioniert es dann am besten, wenn die Bewegungen an den Anleihenmärkten am stärksten sind. Das ist ein vorteilhaftes Ergebnis, da das derzeitige Umfeld wahrscheinlich zu beträchtlichen Marktbewegungen führt.

Das Stagflationsrisiko ist gestiegen

Das Risiko einer Stagflation ist offensichtlich, da die Rohstoffpreise angesichts des Kriegs in der Ukraine stark gestiegen sind und die Energieversorgung bedroht ist. In den USA hat die Inflation bereits ein Niveau erreicht, wie es zuletzt in den frühen 1980er Jahren zu beobachten war. Gleichzeitig wird das Wachstum schwächer ausfallen, da die hohen Energiepreise das verfügbare Einkommen verringern und energieintensive Unternehmen dazu zwingen, ihre Produktion zu drosseln. Unterdessen werden in wirtschaftlich wichtigen Regionen Chinas erneut strikte Lockdowns verhängt, während Störungen der Lieferketten und Chipknappheit im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie das Wachstum bereits dämpfen. Die Fiskalpolitik könnte die Nachfrage stützen, doch könnte die daraus resultierende verstärkte Emission neuer Anleihen die Renditen noch weiter nach oben drücken. Die Geldpolitik hat die Erholung des Wirtschaftswachstums nach dem tief im Jahr 2020 unterstützt. Diese Unterstützung wird aber nun zurückgenommen.

Backtest auf Basis umfangreicher historischer Datenreihen

Die Dynamic Duration-Strategie von Robeco soll vor steigenden Renditen schützen und von fallenden Renditen profitieren. Seit der Auflegung im Jahr 1998 wurde die Durationsposition dieser Strategie mithilfe eines quantitativen Modells bestimmt. Als in den frühen 1990er Jahren das Research durchgeführt wurde, das zur Schaffung dieses Modells führte, war die begrenzte Verfügbarkeit historischer Daten zum Anleihenmarkt eine der Herausforderungen. Der Großteil der akademischen Untersuchungen zum Thema Timing am Anleihenmarkt verwendete Datensätze, die in den frühen 1980er Jahren beginnen. Dieser Zeitraum war von einem langfristigen Rückgang der Zinsen geprägt. Phasen hoher Inflation oder Stagflation sind in diesen Datensätzen selten. Infolgedessen gab es nur wenig Evidenz im Hinblick auf das Timing am Anleihenmarkt unter solchen Bedingungen.

In den letzten Jahren sind jedoch wesentlich umfangreichere Datensätze zur historischen Finanzmarktentwicklung verfügbar geworden. Zu verdanken ist dies Forschern, welche die Archive von Börsen, Notenbanken und Zeitungen digitalisiert haben. Kürzlich haben wir ein Papier veröffentlicht, indem wir Evidenz in Bezug auf das Timing am Anleihenmarkt unter Verwendung eines umfangreichen historischen Datensatzes präsentieren. Dieser Backtest bezieht Jahrzehnte mit höherer Inflation und Phasen der Stagflation ein. Im vorliegenden Artikel verwenden wir den Datensatz aus dem genannten Papier, um den Erfolg des Timings am Anleihenmarkt unter unterschiedlichen Wachstums- und Inflationsregimen – einschließlich Phasen der Stagflation – zu analysieren.

Grafik 1 | US-Inflation, 1950 bis Februar 2022

Grafik 1 | US-Inflation, 1950 bis Februar 2022

Quelle: Bloomberg, Datastream, Global Financial Data

Grafik 1 zeigt die Entwicklung der US-Inflation seit 1950. Man erkennt unmittelbar, weshalb man mehr als nur die letzten Jahrzehnte betrachten muss: die derzeitige Inflation ist nämlich höher als zu jedem Zeitpunkt seit den frühen 1980er Jahren. Die Kombination aus hoher Inflation (über 4 %) und einer Rezession war in den letzten Dekaden sehr selten; nach 1982 trat sie in weniger als 5 % der Situationen auf.

Unser umfangreicher Datensatz ermöglicht es uns, von Stagflation geprägte Situationen besser zu studieren: es gab sie zwischen 1950 und 1982 während 23 % der Zeit – vor allem zwischen den späten 1960er und den frühen 1980er Jahren. Wir verwenden einen globalen Datensatz, der sechs große Anleihenmärkte umfasst (in den USA, Großbritannien, Deutschland, Japan, Australien und Kanada), um das Timing am Anleihenmarkt seit 1950 zu untersuchen.

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Abschneiden in Phasen der Stagflation

Unser Forschungspapier zeigt, dass sich die Wertentwicklung der Anleihemärkte anhand einer Korrelation von vier Variablen prognostizieren lässt: Anleihentrend, Rendite-Spread, Aktienrendite und Rohstoffrendite. Dieses Ergebnis ist über unterschiedliche Länder und Zeiträume stabil. Grafik 2 zeigt die kumulierte Wertentwicklung dieser Strategie im Backtest.

Grafik 2 | Kumulierte Wertentwicklung von 1950 bis 2019 (Backtest)

Grafik 2 | Kumulierte Wertentwicklung von 1950 bis 2019 (Backtest)

Quelle: Robeco

Diese Abbildung verdeutlicht, dass die im Backtest ermittelte Wertentwicklung in dem Zeitraum mit steigenden Renditen (vor 1982) sowie in der anschließenden Phase des langfristigen Renditerückgangs gut war. In dem Papier liefern wir formale Evidenz dafür, dass die Strategie in beiden zugrunde gelegten Zeiträumen gut abschneidet , in der Rezession und im Aufschwung sowie in Phasen hoher und niedriger Inflation.

Im vorliegenden Artikel gehen wir nun einen Schritt über diese Analyse hinaus, indem wir Zeiträume auf Grundlage einer Kombination von Wachstum und Inflation klassifizieren. Wir unterscheiden Phasen mit geringer, moderater und hoher Inflation (unter 2 %, zwischen 2 % und 4 %, über 4 %) in Rezessionen. Dasselbe tun wir für Phasen des Aufschwungs (unter Verwendung derselben Klassifikation von Rezessionen wie in unserem Forschungspapier). Grafik 3 zeigt das Abschneiden des Modells in diesen 3 × 2 = 6 Kategorien.

Grafik 3 | Information Ratio des Modells in Phasen der Rezession und des Aufschwungs sowie bei unterschiedlichen Inflationsniveaus

Grafik 3 | Information Ratio des Modells in Phasen der Rezession und des Aufschwungs sowie bei unterschiedlichen Inflationsniveaus

Quelle: Robeco. Zeitraum: 1950-2019

Die blauen Säulen zeigen die Information Ratio der Strategie zur Prognose des Anleihenmarktgeschehens in Rezessionen und die orangen Säulen in Phasen des Aufschwungs. Gleichzeitig zeigen die Säulen von links nach rechts die Ergebnisse in Phasen mit geringer, moderater und hoher Inflation. Aus der Grafik ergibt sich, dass die Strategie im Backtest in allen Situationen funktioniert hat. Besonders gut prognostizieren lässt sich das Geschehen am Anleihenmarkt in Phasen der Stagflation, in denen hohe Inflation und Rezession zusammenfallen.