07-07-2022 · Interview

An den Märkten wird es eine Neubewertung geben – sie ist fast abgeschlossen

Die Spreads haben sich in den letzten Monaten drastisch ausgeweitet, worin sich eine gewisse Panik widerspiegelt. Sander Bus, Head of High Yield Credit bei Robeco, liefert seine Einschätzung dazu aus Sicht von 25 Jahren Erfahrung mit Hochzinsanlagen.

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  • Erika van der Merwe - Equity Investment Specialist

    Erika van der Merwe

    Equity Investment Specialist

Die Marktbedingungen waren nahezu durchgängig sehr schwierig. Was passiert derzeit bei High Yield-Anleihen?

„Im bisherigen Jahresverlauf hat sich viel geändert. Der Markt für Hochzinsanleihen ist sehr gut in das Jahr gestartet und die Spreads lagen in der Nähe von Allzeittiefs. Zu diesem Zeitpunkt rechneten wir mit dem Ende des Zyklus. Die Unterstützung durch die Geldpolitik begann auszulaufen und wir erwarteten einen Anstieg der Inflation. Aus diesem Grund hielten wir das Portfolio-Beta auf unterdurchschnittlichem Niveau. Diese Einschätzung bestätigt sich derzeit recht schnell. Die Leitzinsen bewegen sich nach oben, die Aktienkurse sind gesunken und die Credit-Spreads haben sich ausgeweitet. Inzwischen liegen die Spreads und die Renditen deutlich oberhalb des historischen Durchschnitts – im Euroraum rentieren High Yield Bonds mit 8 % und in den USA mit 9 %. Damit sind sie wieder interessant.

„Unser Team, dass auch die beiden High Yield-Portfoliomanager Roeland Moraal und Christiaan Lever umfasst, hat seine Untergewichtung mittlerweile mehr oder weniger neutralisiert und ist bereit, das Beta weiter anzuheben, wenn sich die Spreads weiter erhöhen. Dies ist in einem Umfeld hoher Kursschwankungen wahrscheinlich, in dem die Bewertungen zum Überschießen neigen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Inflationsdynamik so stark ist, dass die Notenbanken in den USA und im Euroraum ihre Zinsen noch stärker anheben müssen. So rechnen wir damit, dass die Leitzinsen auf ein Niveau steigen werden, das die Nachfrage förmlich erstickt.“

Ist eine Rezession unvermeidlich?

„Zum gegenwärtigen Zeitpunkt glauben wir, dass dies der Fall ist. Denn das ist die einzige Lösung zur Bekämpfung der Inflation: die Drosselung der Nachfrage und das Auslösen einer Rezession. Die Zinserhöhungszyklen der Notenbanken enden typischerweise in einer Rezession und das dürfte auch dieses Mal so sein.“

Welche Anlagestrategie verfolgen Sie bei High Yield Bonds angesichts dieses Ausblicks?

„Es kommt darauf an, was andere Investoren einpreisen werden. Unser konträrer Ansatz besteht darin, zu prognostizieren, was andere Marktteilnehmer erwarten, und ihnen einen Schritt voraus zu sein. In dem Moment, in dem die Erwartung einer Rezession zur Konsensmeinung geworden ist und bevor es tatsächlich dazu kommt, beginnen wir zu kaufen. Der Anlageerfolg wird sich einstellen, wenn sich die Bewertungen der übriggebliebenen High Yield Bonds erholen.“

Wie besorgt sind Sie im Hinblick auf Zahlungsausfälle, wenn dieses Szenario eintreten sollte? Behalten Sie die Ausfallraten genau im Blick?

„Noch sind die Ausfallraten niedrig. Zu bedenken ist, dass die Ausfallraten nicht die zukünftige Ertragsentwicklung prognostizieren, sondern ein nachlaufender Indikator sind. In schwierigen Zeiten weiten sich zunächst die Spreads aus. Infolgedessen sind einige Unternehmen nicht mehr imstande, sich zu refinanzieren und es kommt zu einem Ausfall. Zu diesem Zeitpunkt ist das bereits in den Anleihenkursen berücksichtigt. Was wir derzeit beobachten, ist jedoch ein Anstieg der unter Druck stehenden Emittenten, die sogenannte „Distressed Rate“. Das sind die Unternehmen, bei denen es in etwa 6-12 Monaten zu Ausfällen kommen wird.

Wie wird dies gemessen?

„Die Distressed Rate ist der Prozentsatz der Unternehmen, deren Anleihen mit Spreads von über 1.000 Basispunkten gehandelt werden. Wenn ein Unternehmen einen Zinsaufschlag von mehr als 10 Prozentpunkten gegenüber Staatsanleihen für seine Anleihen bieten muss, ist es eindeutig nicht imstande, sich zu refinanzieren.“

Inflation, Rezession – das klingt beängstigend. Wie schätzen Sie das Umfeld ein, indem Sie sich bewegen?

„Das derzeitige Umfeld ist schwierig. Hinter uns liegen 20-30 Jahre rückläufiger Inflation und zunehmender Globalisierung. In dieser Zeit waren die Unternehmen die großen Profiteure, da sie einen Teil ihrer Produktion auslagern und sich auf billige Arbeitskräfte stützen konnten. Wir beobachten derzeit eine Umkehr einiger dieser Trends. Die Coronavirus-Krise und der Ukraine-Krieg haben den Politikern vor Augen geführt, wie anfällig die globalen Lieferketten sind und wie riskant es sein kann, von Regimen abhängig zu sein, die unsere westlichen Werte nicht teilen.“

„Die Volkswirtschaften im Westen streben mittlerweile nach größerer Unabhängigkeit, insbesondere in strategischen Bereichen. Gleichzeitig wollen die Unternehmen sichere Lieferketten, weshalb sie nicht mehr nach der preisgünstigsten Option Ausschau halten. Das bedeutet, dass die Phase der Disinflation vorbei ist. Onshoring oder Reshoring, geopolitische Risiken und die demographische Entwicklung werden zusammengenommen zu einem Umfeld mit höherer Inflation beitragen. Das könnte sich als vorteilhaft für Arbeitnehmer erweisen, aber nicht zwangsläufig für die Finanzmärkte. Kurz gesagt: es ist ein neuartiges Umfeld. Darin wird es Gewinner und Verlierer geben.“

Also insgesamt ein Umfeld mit größeren Schwankungen?

„Ja. Es ist zu bedenken, dass erhöhte Schwankungen für Anleger im Credit-Segment ein Risiko darstellen. Uns kommt es vor allem darauf an, die Verlierer der Entwicklung zu meiden, weil sie Kursrückgänge mit sich bringen. Bei Anlagen im Credit-Bereich sind bei den Gewinnern keine Kurszuwächse zu erwarten. Bei diesen Emittenten erhält man lediglich die Kuponerträge und sein investiertes Kapital zurück. Um in diesem Umfeld erhöhter Volatilität erfolgreich zu sein, benötigt man eine höhere Risikokompensation. Aus diesem Grund sind Spreads erforderlich, die deutlich über dem Durchschnitt liegen.“

„Die gute Nachricht ist die, dass es an den Märkten zu einer Neubewertung kommen wird und wir die Sache hinter uns lassen werden. Das bedeutet, dass man in der Übergangsphase so lange Geld verliert, bis die Bewertungen ein Niveau erreicht haben, auf dem die Risiken berücksichtigt sind. Von dort aus kann man dann wieder Erfolg haben. Wir befinden uns tief in dieser Übergangsphase. Sie fällt sehr heftig aus. Aus diesem Grund sind die Bewertungen an den Finanzmärkten so stark gefallen – bei Aktien, Staatsanleihen und Credits. Das neue Gleichgewicht muss sich in den Kursen widerspiegeln. Sobald dieser Punkt erreicht ist, ist es gut.“

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Was ist Ihr Motto beim Überstehen dieser Phase?

„Geduld haben. Sich nicht zu rasch wieder in den Markt hineinlocken zu lassen. Auf die richtige Gelegenheit dazu warten. Aus der Vergangenheit wissen wir: wenn die Märkte wirklich in desolater Verfassung sind, ist es Zeit zum Einstieg.“

Wie schwer ist es, sich daran zu halten und der Versuchung zu widerstehen, dem Konsens zu folgen? Wie lange sind Sie am Markt aktiv, 25 Jahre?

„Seit 1998. Die Schwierigkeit besteht darin, dass man dazu tendiert, die jüngste Entwicklung als Anker zu nehmen. Dass man glaubt, die Bewertungen seien mittlerweile wirklich günstig, da die Spreads im Vorjahr um 200 Basispunkte enger waren. Um die Bewertungen angemessen einzuschätzen, muss man stattdessen eine langfristige Perspektive einnehmen. Dazu darf man nicht nur die Zeit seit dem Jahr 2000 betrachten, sondern auch die 1970er und 1980er Jahre. Dies waren Zeiten mit geringem Wirtschaftswachstum, sehr hoher Inflation und dem Kalten Krieg.“

„Zeitweise kann das Einnehmen einer solchen Langfristperspektive von Nachteil sein. So durchliefen wir im Jahr 2021 eine Phase der Underperformance infolge unsere Untergewichtung am High Yield-Markt, da der Staat in Schwierigkeiten befindliche Unternehmen rettete. Wir waren aber weiterhin von einer konservativen Sicht überzeugt und hielten an unserer Einschätzung fest. Diese Überzeugung und unsere Geduld zahlten sich aus. Angesichts der Entwicklungen an den Märkten in den letzten Wochen sind wir im Konkurrenzvergleich wieder führend.

Worin besteht das größte Risiko für Ihre Strategie?

„Das größte Risiko für diese Strategie steht natürlich darin, dass sich unsere Einschätzung nicht bestätigt. Das könnte beispielsweise der Fall sein, wenn die Staaten erneut Unternehmen vor dem Untergang retten. Damit sich unsere Positionierung auszahlt, ist eine Bereinigung am Markt erforderlich. Das bedeutet das heilsame Auftreten von Zahlungsausfällen und das Wirken der Marktkräfte. Die letzte wirkliche Marktbereinigung hat während der globalen Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 stattgefunden.“

„Für den Hochzinsmarkt selbst bestünde das größte Risiko in einer sehr hohen Ausfallquote, wenn sich der Markt für zahlreiche Unternehmen sehr ungünstig entwickeln würde.“

„Die Zeit des günstig verfügbaren Geldes ist vorbei. Die Unternehmen sollten dem Rechnung tragen und jetzt ihre Verschuldung verringern. Wenn man über keine dafür ausreichenden freien Cashflows verfügt, ist eine Restrukturierung auf harte Weise erforderlich, und das bedeutet einen Zahlungsausfall. Es besteht das Risiko, dass der Markt stark einbricht, und dass die Erträge so negativ ausfallen, dass viele Anleger das Vertrauen verlieren und sich ganz daraus zurückziehen. Käme es dazu, wäre dies eine ideale Kaufgelegenheit.“

„So etwas geschah Anfang 2009. Die Ansicht war verbreitet, dass das Credit-Segment endgültig tot sei. Dass es kein Zurück mehr gibt. Als professioneller Investor sehe ich dem Wiederauftreten dieser Stimmung freudig entgegen. Denn dann kann man als Anleger wirklich Geld verdienen.“