19-10-2021 · Research

Der Quant-Zyklus

Faktoren am Aktienmarkt folgen ihrem eigenen stimmungsgetriebenen Zyklus, der nicht mit traditionellen Indikatoren für den Konjunkturzyklus erklärt werden kann. Das impliziert, dass Faktorprämien ein verhaltensbedingtes Phänomen sind und keine Belohnung für makroökonomische Risiken.

Faktoren in Asset-Pricing-Modellen weisen ein zyklisches Verhalten auf, da sie auf lange Sicht eine Prämie abwerfen, kurzfristig aber Bullen- und Bärenphasen durchlaufen. Im Rahmen unseres Researchs haben wir die mögliche Erklärung für diese zyklischen Schwankungen untersucht. Den Fokus gelegt haben wir dabei hauptsächlich auf die Faktoren Value, Quality, Momentum und Low Risk sowie ein gleichgewichtetes Multifaktor-Portfolio.

Aus einer rationalen Asset-Pricing-Perspektive gelten Faktorprämien als Risikoprämien, die eine Belohnung für das Eingehen bestimmter makroökonomische Risiken darstellen. Dies würde bedeuten, dass die Entwicklung eines Faktors mit dem Konjunkturzyklus in Zusammenhang steht. Viele Untersuchungen sind aber daran gescheitert, eine robuste empirische Verbindung zwischen den beiden nachzuweisen.1 Tatsächlich illustrieren auch die Ergebnisse unserer Studie, dass diese Beziehung nur schwach ausgeprägt ist.

Konjunkturindikatoren können die zyklischen Schwankungen von Faktorerträgen nicht vollständig erklären

Was wir herausfanden, war im Allgemeinen, dass das Multifaktor-Portfolio in einander entgegengesetzten makroökonomischen Situationen – d. h. im Aufschwung und Abschwung, in inflationären und nicht-inflationären Phasen sowie bei hohen und niedrigen Ständen des ISM-Einkaufsmanagerindex (PMI) – ähnliche Renditen abwarf.

Das Ergebnis unterschied sich leicht von dem bei einer Einzelfaktor-Betrachtung. So beobachteten wir beispielsweise in inflationären Phasen eine sehr gute Entwicklung des Momentumfaktors, während sich der Faktor Low Risk dann schwertat, was im Einklang mit seinen „anleihenähnlichen“ Eigenschaften steht.2 Gleichzeitig schienen die Faktoren Value und Quality weitgehend immun gegenüber einem inflationären und einem nicht-inflationären Umfeld zu sein.

Wir berücksichtigten auch den Index der Anlegerstimmung von Baker und Wurgler, ein in der Forschungsliteratur beliebter Stimmungsindikator.3 Wir stellten fest, dass die Renditen der Faktoren Value, Quality und Low Risk dann hoch ausfielen, wenn die Anlegerstimmung positiv war, während sie bei negativer Anlegerstimmung nur gering waren. Lediglich der Faktor Momentum schien gegenüber unterschiedlichen Anlegerstimmungen widerstandsfähig zu sein.

Die Schwierigkeit bei der Bestimmung eines Zusammenhangs zwischen makroökonomischen Risiken und Faktorprämien liegt vielleicht in der fragwürdigen Annahme, dass Faktorprämien Risikoprämien seien. Wenn die Grundlage der Faktorprämien tatsächlich im Verhalten liegt, würde das erklären, weshalb der Stimmungsindex von Baker und Wurgler die Unterschiede zwischen hohen und niedrigen Faktorerträgen besser erklären kann. Allerdings vermag auch dieser Indikator nur einen kleinen Anteil der weit größeren Variation der Faktorerträge im Zeitverlauf abzudecken.

Unseres Erachtens ist das zyklische Verhalten der Faktorerträge stimmungsgetrieben, was direkt aus den Faktorerträgen abgeleitet werden kann. Anders gesagt besteht unsere Prämisse darin, dass Faktoren im Wesentlichen ihrem eigenen verhaltensbedingten Zyklus folgen. Auch wenn andere makroökonomische und verhaltensbezogene Indikatoren einen Teil dieser Schwankungen abdecken können, lässt sich das Gesamtbild nur durch Untersuchung der Faktoren selbst erfassen.

Ermittlung des Quant-Zyklus

Im Rahmen unserer Studien bestimmten wir den Quant-Zyklus durch qualitative Ermittlung von Hoch und Tiefs, die mit Bullen- und Bärenmärkten bei den Faktorerträgen korrespondieren. Diesem Ansatz folgend haben wir einen Zyklus identifiziert, der eine zu rund zwei Dritteln der Zeit vorherrschende normale Phase umfasst, die durch gelegentliche starke Wertrückgänge unterbrochen wird, auf die anschließend tendenziell eine Gegenreaktion folgt.

Wir fanden heraus, dass die Wertrückgänge entweder durch Growth-Rallies oder Value-Crashes verursacht wurden, die rund einmal in zehn Jahren stattfanden und typischerweise etwa zwei Jahre lang anhielten. Ihnen folgten gewöhnlich kräftige Gegenbewegungen, die entweder durch einen Crash bei zuvor überdurchschnittlich gestiegenen Growth-Aktien charakterisiert waren oder durch eine starke Erholung bei den Aktien, die sich zuvor unterdurchschnittlich entwickelt hatten. Unsere historische Definition des Quant-Zyklus findet sich in Grafik 1.

Grafik 1 | Der Quant-Zyklus von 1963 bis 2020

Grafik 1 | Der Quant-Zyklus von 1963 bis 2020

Quelle: Robeco Quantitative Research

Aufgliederung der einzelnen Phasen

Während der normalen Phase war zu beobachten, dass alle Faktoren solide positive Durchschnittserträge abwarfen, die typischerweise über ihren langfristigen Durchschnittsprämien lagen. Zum Vorteil von Multifaktor-Anlegern überwog diese Phase während zwei Dritteln der Zeit. Allerdings wurde die relative Ruhe dieser normalen Phase von Ereignissen unterbrochen, die sich im verbleibenden Drittel vollzogen.

Wir beobachteten, dass die Growth-Rallies durch starke negative Erträge für den Faktor Value und beträchtliche positive Erträge für den Faktor Momentum charakterisiert waren. Das macht deutlich, wie die beiden Faktoren in solchen extremen Phasen einander so gut diversifizieren. Der Faktor Low Risk erlitt typischerweise einen Rückschlag, während der Faktor Quality in dieser Phase für gewöhnlich gut abschnitt, wenngleich dies nicht bei bei beiden Faktoren immer der Fall war. Zusammengenommen erzielte der Multifaktor-Ansatz während Growth-Rallies im Durchschnitt eine annähernd seitwärtsgerichtete Entwicklung.

Der von uns untersuchte Zeitraum umfasste einen Value-Crash, und zwar während der globalen Finanzkrise (2007-2009). Wir stellten fest, dass die Entwicklung der einzelnen Faktoren interessanterweise derjenigen während Growth-Rallies glich. So warfen die Faktoren Value und Low Risk negative Ergebnisse ab, während der Faktor Momentum positive Renditen erzielte. Legt man diese Einzelbeobachtung zugrunde, hat der Faktor Quality während Value-Crashes offenbar besser abgeschnitten. Dies resultierte in einer geringfügigen positiven Wertentwicklung des Multifaktor-Portfolios.

Wir erfassten auch zwei Arten von Gegenbewegungen: Bären- und Bullenphasen. Bärenphasen zeichnen sich durch hohe positive Erträge des Faktors Value infolge eines Growth-Crashs aus. Sie waren tendenziell auch sehr günstig für die Faktoren Quality, Momentum und Low Risk. Da alle Faktoren während solcher Phasen tendenziell wirksam waren, warf auch der Multifaktor-Mix sehr gute Ergebnisse ab.

Im Gegensatz dazu waren Bullenphasen durch hohe negative Renditen des Faktors Momentum geprägt, die sich infolge einer Rally bei Aktien mit schwachem Momentum ergaben. Ebenfalls stark negative Ergebnisse erbrachte der Faktor Quality, während sich die Faktoren Value und Low Risk uneinheitlich entwickelten. Aus Multifaktor-Perspektive stellten wir fest, dass Bullenphasen eine weit größere Herausforderung darstellten als Bärenphasen.

Nutzung des Quant-Zyklus als Orientierungsrahmen

Darauf schließen wir, dass Anleger ihre Bemühungen darauf konzentrieren sollten, den Quant-Zyklus im Hinblick auf die Faktoren besser zu verstehen anstatt sich auf traditionelle Orientierungsrahmen zu stützen. Wir meinen, dass dies dabei helfen kann, die zyklische Dynamik von Faktoren in einen Kontext zu setzen. Das Verständnis dafür, wie sich der Quant-Zyklus ausgehend vom aktuellen Marktumfeld künftig gestalten könnte, kann Anlegern die Grundlage dafür liefern, einen mehrjährigen Ausblick zu formulieren. Das Modell kann auch als Referenzrahmen zur Untersuchung der Robustheit neuer Alpha-Faktoren in den verschiedenen Phasen des Zyklus dienen.

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